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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.6 vom 16.03.2000, Seite 1

Deutsche Bank

Fünfter Griff nach der Weltmacht

Bert Brecht sagte: "Was ist der Überfall auf eine Bank gegen die Gründung einer Bank?" Zu Weiterungen des Vergleichs schwieg er. Eine könnte lauten: Was ist der Überfall auf eine Bank gegen die Übernahme einer Bank? Werden bei einem Überfall schlimmstenfalls deren Tagesbareinlagen geraubt und einige Bankangestellte als Geiseln genommen, werden bei der Übernahme der Dresdner Bank durch die Deutsche Bank jährlich 3 Milliarden Mark geraubt - über "Einsparungen" u.a. bei der bisherigen Belegschaft -, während gleichzeitig die 120000 Beschäftigten beider Institute zu Geiseln gemacht und wohl über 30000 Jobs vernichtet werden.
Doch es geht um Höheres. Die Deutsche Bank will nicht nur "Global Player" sein. Sie strebt nach "Global Control": Mit der Übernahme der Dresdner und der Vernetzung mit der Allianz greift das neue Institut zur Welt-Finanzmacht. Mit Stolz betonen der Deutschbanker Breuer und Dresdner-Bank-Chef Walter, das neue Institut sei nach seiner Bilanzsumme das größte der Welt. Das ist ein etwas einseitiger Maßstab, zumal die Deutsche Bank seit der Übernahme von Bankers Trust im Jahr 1999 bereits die Bank mit der weltweite größten Bilanzsumme war.
Wichtiger als die Bilanzsumme ist heute die sog. Marktkapitalisierung - der Börsenwert der Aktien. Hier liegt das neue Institut hinter der Citigroup und der Hongkong & Shanghai Bank Corp. (HSBC) auf Rang 3 und vor den zwei US-Instituten Bank of Amerika und Chase Manhattan. Auf dem wichtigen Gebiet der "Vermögensverwaltung", auf das sich das neue Institut konzentrieren will, liegt die Deutsche/Dresdner Bank ebenfalls auf Platz drei - hinter dem japanischen Institut Kampo und dem Schweizer Bankriesen UBS, vor Fidelity (USA) und der - allerdings mit der Deutschen/Dresdner Bank verbundenen - Allianz-Gruppe.
Geschichte wiederholt sich. Bei Bankenfusionen nicht nur als Farce. Wirtschaftshistoriker nennen die Übernahme der Dresdner durch die Deutsche Bank den fünften Anlauf, mit dem die Deutsche Bank zur weltweit führenden Finanzmacht aufsteigen will.
Den ersten gab es Anfang 1914, als die Deutsche Bank die Bergisch- Märkische Bank übernahm und für ein gutes halbes Jahr zum weltweit größten Finanzinstitut und zu einem entscheidenden Kriegsfinanzier Kaiser Wilhelms aufstieg, um dann mit der deutschen Niederlage im Krieg wieder zurechtgestutzt zu werden.
Den zweiten Anlauf unternahm sie 1929, als sie - und das ist die Parallele zu heute - ihren Erzrivalen, die Disconto-Gesellschaft, übernahm und als "DeDi-Bank" erneut in den Kreis der zehn größten Banken der Welt aufstieg. Dieser Anlauf endete in der Weltwirtschaftskrise, der eine Fast-Pleite der DeDi-Bank (und die Zahlungsunfähigkeit des inzwischen zweitgrößten deutschen Finanzinstituts, der Dresdner Bank) mit sich brachte.
Der dritte Anlauf erfolgte mit dem NS-Regime und im Zweiten Weltkrieg: Das nun wieder als Deutsche Bank firmierende Institut war entscheidender Finanzier der Nazis, profitierte von Rüstung und Krieg, wurde nach dem Krieg von den Besatzungsmächten der Beteiligung an Kriegsverbrechen beschuldigt und zerschlagen.
Der vierte Anlauf fand im Zeitraum 1985-1990 unter dem Deutschbanker Alfred Herrhausen statt, als das Institut mit der Übernahme mehrerer europäischer Banken, mit dem Einbruch in die US-Finanzwelt durch den Aufkauf des Instituts Morgan Granfell und mit der aggressiven - und demagogischen - Forderung nach einem teilweisen Schuldenerlass für die Dritte Welt (der vor allem wankenden US-Banken geschadet hätte) die US-Finanzwelt herausforderte. Diese Periode endete mit der Ermordung Alfred Herrhausens 1989.
Auch wer die auf Indizien aufbauende These der Journalisten Wisnewski, Landgraeber und Sieker ("Das RAF-Phantom") und die in ähnliche Richtung zielende Argumentation des Historikers der Deutschen Bank, Eberhard Czichon, nicht teilt, der bis heute unaufgeklärte Tod Herrhausens sei eine Antwort US-amerikanischer "Dienste" auf diesen neuerlichen Griff zur Finanz-Weltmacht gewesen und dies für eine Verschwörertheorie hält, muss feststellen: In dem nun folgenden Zeitabschnitt 1989 bis 1998 verfolgte die Deutsche Bank einen international weniger aggressiven Kurs. Bis 1998 eine neuerliche Wende eingeleitet wurde - mit der aktiven Beteiligung des Daimler Großaktionärs Deutsche Bank an der Übernahme Chryslers durch Daimler und 1999 der Übernahme von Bankers Trust durch die Deutsche Bank.
Das Zusammengehen mit der Dresdner Bank im Jahr 2000 beendet nun definitiv die neue, kurzlebige Periode einer "versagenden Zurückhaltung", wie sie auch unter Josef Abs nach dem Zweiten Weltkrieg und bis Ende der 70er Jahre praktiziert wurde. Sie dokumentiert den fünften Griff der Deutschen Bank nach der Finanz- Weltmacht.
In Teilen der Linken ist es Mode geworden, Konzentrationsprozesse des Kapitals eher "neutral" zu sehen und sie nicht ernst genug zu nehmen. So schrieb Dieter Schubert in der jungen Welt: "Dennoch ist … nicht alles Gold, was glänzt … Gerade in der Gigantomanie liegen viele Gefahren, denn ein solches Riesending lässt sich kaum noch kontrollieren. Alles sieht auch nach einer Flucht nach vorn aus."
Das ist richtig. Und es reicht zugleich als Wertung nicht aus. Der neuerliche Griff zur Finanz-Weltmacht birgt gigantische Risiken und könnte - wie bereits viermal geschehen - ein weiteres Mal scheitern. Dazu muss es keinen Krieg wie beim ersten und dritten Versuch und keine Bombe wie beim vierten Versuch geben. Auch ein Börsencrash wie beim zweiten Anlauf könnte ein neuerliches Scheitern bewirken. Doch eine bloße "Flucht nach vorn" ist der Banken-Merger gewiss nicht.

Winfried Wolf


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