Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.6 vom 16.03.2000, Seite 2

Kohl sammelt

Lieber aussitzen

von PAUL B. KLEISER

Die noch brüchige neue CDU-Fraktionsführung behandelte ihn wie eine heiße Kartoffel: Für den Raum in der Konrad-Adenauer-Stiftung, in dem er seine Pressekonferenz abhielt, musste er Miete zahlen und das CDU-Logo durfte seinen Auftritt zu seinem Ärger nicht schmücken - aber die Pressevertreter waren zahlreich erschienen, seine Botschaft zu verkünden: Binnen weniger Wochen habe er zwischen 6 und 7 Millionen DM eingesammelt. Damit wolle er der CDU den Schaden ersetzen, der durch die (selbstredend unvorhergesehene) Aufdeckung seines "persönlichen Fonds" entstanden sei, in den "gute Freunde" allein zwischen 1993 und 1998 2,1 Millionen Mark gespendet hatten und dessen Guthaben er gleich einem Landesfürsten nach eigenem Gusto und ohne Verbuchung verteilte. Er zeigte nicht einen Hauch von Schuldbewusstsein, denn für Feudalherren sind Gesetze nicht gemacht. Und warum auch - was Kohl verteilte, konnte für die CDU und Deutschland nur gut und nützlich sein. Bekanntlich habe er nie den eigenen Vorteil, sondern immer nur den "des Landes" im Auge gehabt. Schade nur, dass das Parlament so wenig weise Gesetze gemacht habe.
Die Veranstaltung führte wieder einmal die Methode des kohlschen Systems vor Augen: Nicht über die Strafgelder jammern, sondern das Geld auftreiben und den Skandal aussitzen, in der Hoffnung, dass bis zum Sommer alles verraucht ist. Während Friedrich Merz über eine Haushaltslücke der Union in der Größenordnung von 100 Millionen Mark jammerte und Angela Merkel die leise Hoffnung aussprach, ein Gang vor den Kadi könnte Thierses Rückforderung von 41 Millionen Mark vielleicht doch noch erheblich vermindern, telefonierten Helmut und Hannelore in der Republik herum und machten reichlich Geld locker: Kirch sprang gleich mit einem Milliönchen bei, und sogar der WAZ-Gesellschafter Schumann mit SPD-Parteibuch schob mal schnell 800 Tausender rüber. Auch andere Medienmogule (Springer, Pro7) steuerten ihre Scherflein bei. Kohl demonstrierte mit seiner Aktion in aller Deutlichkeit, dass er die Riege der möglichen NachfolgekandidatInnen nur für Waschlappen und Weicheier hält, die den Zusammenhalt der Union und das Beziehungsgeflecht zur Wirtschaft nicht erfolgreich zu managen vermögen.
In ihrer Rede vor 1200 Parteimitgliedern in Kaiserslautern verlautete die unerklärte Kandidatin für den Parteivorsitz und Hoffnungsträgerin der "Basis", Angela Merkel mit Blick auf den "Alten": "Wir müssen von unten nach oben diskutieren. Es ist wichtig, dass die Meinung der Basis klar ist - nicht wie in der Regierungszeit." Die Junge Union kritisierte gar die "Entscheidungsfindung in kleinen Zirkeln, zu Krönungsmessen ritualisierte Parteitage und fehlende Einbeziehung der Mitgliedschaft". So viel Offenheit und "Basisdemokratie" könnte Kohl und Anhang einen gehörigen Schrecken einjagen, wüsste er nicht, dass eine über lange Jahrzehnte autoritär geführte Partei, die die verschiedenen Interessen von Industrie, Handwerk, Bauern, Beamten, Selbständigen, Intellektuellen und Hausfrauen unter einen Hut kriegen muss, schwere Einbrüche riskiert, wenn sich die Diskussion über unterschiedliche Politikkonzepte erst einmal Bahn bricht. Die kohlsche Methode des Aussitzens war seine Art, Ansätze einer möglichen Politisierung in (und außerhalb) der Partei versanden zu lassen.


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