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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.6 vom 16.03.2000, Seite 4

Green Cards

Ungewohnte Koalitionen

Die Ankündigung von Bundeskanzler Schröder, bis zu 30000 Green Cards an Informationstechnologie-Experten aus Osteuropa und Indien zu genehmigen, verursacht eher ungewohnte Koalitionen. Während die Arbeitgeber- und Unternehmerverbände sich hinter Schröder stellten und seinen Vorschlag auch auf andere Branchen ausweiten wollten, waren sich CDU und Gewerkschaften in ihrer Ablehnung einig. Der IG-Metall-Vorsitzende Zwickel forderte Schröder auf, seinen Vorschlag zurückzunehmen. Er befürchtet, dass wenn "man den Entwicklungsländern die besten Köpfe wegkauft", diese "als Exportmärkte für uns" ausfielen.
Während DGB-Chef Schulte "nur" verlangte, die Initiative zu befristen, ließ die IG Metall verlautbaren, sie sei dagegen, "die Grenze zu öffnen, ohne das inländische Potenzial zu fördern". Ebenso wird das Bundesarbeitsministerium in der Welt zitiert: "Ohne dass ein konkreter Bedarf festgestellt wird, werden wir die Bedingungen des deutschen Arbeitserlaubnisrechts nicht einfach über Bord werfen." Dies könne man angesichts von vier Millionen Arbeitslosen nicht zulassen, so Arbeitsminister Walter Riester.
Der Vorsitzende der Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG), Roland Issen lehnt den Vorschlag ebenfalls ab, da er befürchtet, "dieses Beispiel könne in anderen Wirtschaftsbereichen Schule machen". Diese Befürchtung teilt er mit Karin Benz-Overhage, die im IG-Metall-Vorstand für Bildungsfragen zuständig ist. Sie konstatiert, dass es auch andere Branchen gebe, in denen ein akuter Fachkräftemangel herrsche. "Für diese Branchen darf das keine Weichenstellung sein" (Financial Times Deutschland).
Bayerns Innenminister Günther Beckstein erklärte, eine Green-Card würde zu einer "Dauereinwanderung" mit Familiennachzug führen. In Wahrheit ginge es nicht nur um 30000 Computerexperten, so der nordrhein-westfälische CDU- Vorsitzende Jürgen Rüttgers, sondern um rund 120000 AusländerInnen, da es ein "Menschenrecht" sei, wenn diese ihre Familien mitbringen würden. Er bezeichnet es als "völlig unverantwortlich" diese dann nach wenigen Jahren wieder wegzuschicken. Gleichzeitig verteidigte er den Slogan "Kinder statt Inder" mit dem die nordrhein-westfälische CDU gegen die Anwerbung von ausländischen Computerexperten wirbt und bezeichnete eine Einwanderungswelle von "indischen Hindus" als "weiteren Schritt zu einer multikulturellen Gesellschaft", die er für nicht richtig halte.
Gewerkschaften, Bundesregierung und Arbeitgeberverbände haben sich mittlerweile weitgehend über die Einführung der Green Card geeinigt. Demnach werden zunächst 10000 ausländische Fachkräfte eine auf fünf Jahre befristet Arbeitserlaubnis ohne Anspruch auf Familiennachzug erhalten. Nach einem Jahr soll über die Vergabe von weiteren 10000 Green Cards entschieden werden. Der Status der angeworbenen Fachkräfte würde damit noch weit hinter den der Gastarbeiter zurückfallen, für die seit der Ölkrise 1973 ein Anwerbestopp gilt.

Patrick Hagen


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