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Nachdem der Vorstand der CDU Angela Merkel einstimmig für den Posten der Parteivorsitzenden
nominiert hat, dürfte ihre Wahl auf dem Parteitag im April nur noch Formsache sein. Ohne die Kiep-, Kohl- und Kantheraffären
hätte sie als Frau, geschiedene Protestantin und ostdeutsche Pastorentochter nicht den Hauch einer Chance gehabt, doch da sich nun alle in
Frage kommenden Kandidaten der Reihe nach selbst ausmanövriert haben, lief die Kandidatur fast von alleine auf sie zu. Der Skandal hat
die Honoratioren der Partei gezwungen, ihre Vorurteile gegen Frauen und Ossis (vorläufig) hintanzustellen. Immerhin war die
Einführung sogar einer nur 30%igen Frauenquote auf zwei "Zukunftskongressen" der Union am Widerstand der Männer
gescheitert.
Aber auch die in der bürgerlichen Presse breitgetretene Behauptung,
Merkel verkörpere die "Erneuerung" der CDU, ruht auf sumpfigem Grund. Wie kann jemand für Erneuerung stehen, der
unter Kohl acht Jahre lang am Kabinettstisch brav gedient hat und nie durch besonderen Mut, sondern eher durch Biederkeit und
Anpassungsbereitschaft auffiel? Wir erinnern uns noch gut an die Affäre um die kontaminierten Castor-Behälter, als die
Atomwirtschaft der Umweltministerin klarmachte, dass man sie für eine Frühstücksdirektorin hielt. Sicherlich beruht ihre
heutige Position auf der Tatsache, dass sie als einzige aus der Parteispitze die Emanzipation von Übervater Kohl öffentlich und
für die zur Zeit wohl mehrheitlich hinter ihr stehende "Parteibasis" überzeugend vollzogen hat. Doch der behauptete
Wille, mit den illegalen Machenschaften aufzuräumen und für Transparenz zu sorgen, findet seine Grenzen in den verfestigten
Strukturen eines Parteiapparats, der auf Teufel komm raus seine Pfründe verteidigen möchte. Das lässt sich nicht nur am
Verhalten der Union im Berliner Untersuchungsausschuss erkennen. Bei den Wahlen zur Fraktionsführung konnte sich im wesentlichen die
"alte Garde" durchsetzen, so der verteidigungspolitische Sprecher Paul Breuer, der rechte Mann für die Innenpolitik, Erwin
Marschewski, der allseits belächelte "Verkehrsexperte" Dirk Fischer oder der "Rentenfachmann" Wolfgang
Lohmann. Ob Gunnar Uldall eine Kapazität in Wirtschaftsfragen ist, wird auch in der Union bezweifelt. Und schließlich kam
"Rotsocke" Peter Hintze nur durch, weil er keinen Gegenkandidaten hatte. Von "personeller und inhaltlicher Erneuerung"
also keine Spur.
Auch programmatisch ist Angela Merkel ein ziemlich unbeschriebenes
Blatt; sie tritt z.B. für eine Besserstellung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ein, doch das genaue Wie lässt sie
offen. Aber auch dem allgemeinen "Werteverfall" möchte sie entgegenwirken, etwa durch Wiedereinführung der
Kopfnoten für Betragen und Mitarbeit in Zeugnissen. Kurzum, für sie gilt Wehners Spruch über Erhard Eppler: "Keine
Linke, keine Rechte, aber eine Fromme!"
In letzter Zeit wurde für sie häufig das gänzlich
unpassende Bild der Jeanne dArc verwendet. (Wir wissen allerdings, wie jenes Mädchen aus Lothringen endete!) Wahrscheinlich
passt das Bild der "Trümmerfrau" besser zu ihr: Sie darf den Skandal, so gut es geht, aufräumen bzw. unter den Teppich
kehren. Spätestens nach einer Niederlage bei den kommenden Bundestagswahlen werden einige Männer ihr klarzumachen
versuchen, dass der Parteivorsitz der deutschen Konservativen nicht zu den "natürlichen Aufgaben" einer Frau gehört.