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Einhundertsiebzig Betriebs- und Gewerkschaftslinke aus 25 Ländern trafen sich vom 16. bis
19.März in Köln, um ihre Perspektiven im globalisierten Kapitalismus auszuloten. Angesichts der relativen Hilflosigkeit der
"traditionellen Organisationen der Arbeiterbewegung" sollten auf der vierten Konferenz des internationalen TIE-Netzwerks
(Transnationals Information Exchange) gemeinsam mit der in Offenbach ansässigen Zeitung Express Strategien der
"Selbstorganisierung" entwickelt werden. Der Andrang war größer als erwartet. "Hätten wir alle
Anmeldungen zur Konferenz angenommen, dann hätten wir dreimal so viele Leute hier", so Heiner Köhnen von TIE-
Netzwerk, das außer in Europa Büros in in Asien, Russland sowie Nord- und Südamerika unterhält.
Die traditionellen Organisationen erfassen nicht einmal die prekär
Beschäftigten", beschreibt Mamadou Ly von der französischen Gewerkschaft SUD das Dilemma, ganz zu schweigen von
Erwerbslosen und Arbeitsmigranten ohne Aufenthaltsstatus. Die SUD, deren Eisenbahnerbranche der Immigrant Ly angehört, hatte nach
ihrer Gründung Mitte der 90er Jahre demonstrativ eine Immigrantin an ihre Spitze gesetzt.
Der Rassismus sei ein "großes Problem", denn vor allem
viele Einwanderer seien in prekären Beschäftigungsverhältnissen, ergänzte ein Mitglied der Gewerkschaft CGT aus
Frankreich. Die Folgen für Normalarbeitsplätze seien hinreichend bekannt: Druck auf das Lohnniveau und Verschlechterung der
Arbeitsbedingungen. "Papiere für alle" und gleiche Rechte für Arbeitsmigranten seien deshalb gleichermaßen
zentrale Forderungen im Kampf gegen Rassismus wie auch gegen Unternehmer, die von einer rassistischen Spaltung der Lohnabhängigen
profitierten.
Angesichts von 120 Millionen MigrantInnen, die es nach UN-Angaben
weltweit gibt, stimmte auch David Bacon, ein US-amerikanischen Gewerkschafter, der Haltung des Franzosen zu. Schätzungen zufolge
gebe es allein in den USA 3 Millionen ArbeitsmigrantInnen ohne Aufenthaltserlaubnis, die vor allem in der Landwirtschaft, der
Verpackungsindustrie und der Reinigungsbranche tätig seien.
In den USA hätten einige Gewerkschaften die Notwendigkeit erkannt,
ihr Arbeitfeld auf die prekären Beschäftigungsverhältnisse auszuweiten. Das dokumentiert auch eine Resolution des US-
amerikanischen Gewerkschaftsdachverbands AFL-CIO vom vergangenen Februar, die auf Druck von lokalen Gruppen, in denen
Arbeitsmigranten eine bedeutende Rolle spielen, zustande gekommen ist. Darin fordert der AFL-CIO einen legalen Aufenthaltsstatus für
alle Arbeitsmigranten.
Mit Empörung nahmen die Teilnehmenden die Nachricht auf, dass
deutsche Behörden vier türkischen Gewerkschaftern die Einreise in die Bundesrepublik verweigert haben. Neben
Solidaritätserklärungen für 1300 nach einem Arbeitskampf entlassenen VW-Arbeiter in Südafrika und britische
Beschäftigte bei Rover, deren Arbeitsplätze nun durch das Geschäftsgebaren von BMW gefährdet sind, soll in
nächster Zukunft ein Kongress zum Thema "Rassismus" stattfinden.
Dort soll u.a. überlegt werden, welche Wege der Zusammenarbeit
mit Arbeitsmigranten gefunden werden können. Für die europäischen Teilnehmer wies ein französischer Delegierter
auf die in der zweiten Jahreshälfte stattfindenden "Europäischen Märsche gegen Erwerbslosigkeit, prekäre
Beschäftigung, Ausgrenzung und Rassismus" hin. Dann wird die französische Regierung den Vorsitz der EU-
Ratspräsidentschaft übernehmen. Unter anderem soll unter der französischen Präsidentschaft eine EU-
Grundrechtecharta verabschiedet werden, die jedoch keine Verankerung von sozialen Rechten vorsieht und damit der weiteren Ausbeutung
Tür und Tor öffnet.
Gerhard Klas