Sozialistische Zeitung |
Vor einem Jahr personifizierte Rudolf Scharping die Betroffenheit über serbische Kriegsgräuel,
verbunden mit der Entschlossenheit zum Krieg für Menschenrechte. Doch zum ersten Jahrestag des Kriegsbeginns hat der Held von
damals kaum Grund zur Freude. Problem Nummer Eins: der sog. Hufeisenplan. Ich kann euch den Hufeisenplan zeigen, rief Scharping im April
1999 allen entgegen, die den Sinn des NATO-Kriegs anzweifelten. Nur: genau das hat er bis heute nicht getan. Inzwischen mehren sich
Anzeichen, dass der Hufeisenplan bestenfalls eine Materialsammlung von bulgarischen und österreichischen Geheimdiensten ist. Der
Hamburger Friedensforscher Dieter S. Lutz hat Scharping inzwischen aufgefordert, den Hufeisenplan mit allen Details und Unterschrift zu
veröffentlichen. "Das ist er der Öffentlichkeit und den Opfern des Krieges schuldig", so Lutz, der bezweifelt, dass
Scharping jemals im Besitz eines solchen Plans war.
Problem Nummer Zwei: der Bericht der Wehrstrukturkommission unter
Richard von Weizsäcker. Die Kommission wird eine Verkleinerung der Bundeswehr auf 200000 Mann und Frau oder auf 240000 bei
verkürzter Wehrpflicht fordern. Beides lehnt Wehrpflichtbefürworter Scharping ab. Daher will er - ebenfalls im Mai - eigene
Planungen für die Zukunft der Bundeswehr vorlegen.
Scharpings Wunschvorstellung ist die Beibehaltung der Wehrpflicht bei
gleichzeitiger Erhöhung der Finanzmittel für neue Waffen. Im gegenwärtigen Zustand sei die Truppe nicht mal
bündnisfähig, so Scharping. Allerdings stößt er auch auf Widersacher - und die sitzen ausgerechnet in der eigenen
Partei. Bundeskanzler Schröder, Finanzminister Eichel und Volker Kröning, SPD-Mitglied im Haushaltsauschuss des Bundestags,
können Erhöhungen im Verteidigungshaushalt wenig abgewinnen und sind Scharpings Problem Nummer Drei. Finanzpolitisch ist
der Erhalt der Bundeswehr als Wehrpflichtarmee und ihr gleichzeitiger Ausbau zur modernen Hightechtruppe und Interventionsarmee kaum zu
bewältigen.
Unterstützung erhält Scharping aus den USA, die schon
länger die höhere deutsche Beteiligung am NATO-Waffenarsenal einfordern. Auch die Union kann Scharpings Ideen etwas
abgewinnen; ihr Papier zur Reform der Bundeswehr kam Scharpings Vorstellungen recht nahe. Scharping warf der Union zwar öffentlich
Ideenklau vor, begrüßte intern aber die Übereinstimmung. Ende März wurde die SPD-Fraktion zusammengerufen, um
dem im eigenen Lager in Bedrängnis geratenen Minister das Vertrauen auszusprechen. Doch solche Demonstrationen können die
inhaltlichen Differenzen nur schwer überdecken. Das ist Scharpings viertes Problem: seine Verbündeten sitzen überall, nur
nicht in der eigenen Partei.