Sozialistische Zeitung |
Angesichts der Bankenfusion von Deutscher und Dresdner Bank fragte Dieter Hildebrandt im Scheibenwischer,
ob das Kartellamt "bloß informiert wird oder auch Geld bekommt wie die anderen Parteien"? Ein wackerer Versuch, die
Realität durch Satire zu toppen, aber man weiß ja nicht - vielleicht ist die Realität schon weiter?
Jedenfalls bekommt bei genauerem Hinschauen das Arrangement zwischen
Deutscher Bank, Dresdner Bank und Allianz - dem Versicherungsunternehmen, das hinter allem steckt - mehrere neue Facetten. Hier ist vor
allem auf den Zusammenhang zu Eichels Finanz- und Steuerpolitik hinzuweisen.
Im letzten Jahr begann in der Schröder-Regierung nach Lafontaines
Abgang eine großangelegte Debatte um Renten, Alterssicherung und Schulden sowie um die Steuerreform. Damit ja keiner richtig
durchblickt, wurde alles in einen Pott geschmissen, kräftig umgerührt - und heraus kam ein Abzocken der Rentner, deren Renten in
diesem und im nächsten Jahr nur entsprechend der Preissteigerungsrate erhöht werden.
Arbeits- und Sozialminister Riester kündigte an, dass die
Alterssicherung in Zukunft stärker privat finanziert werden müsse, weil die Sozialversicherung an ihre Grenzen stoße.
Finanzminister Eichel kündigte an, dass Erträge aus
Lebensversicherungen, die ab Januar 2000 abgeschlossen würden, versteuert werden müssten, um eine Gleichbehandlung mit
anderen Geldanlagesystemen zu erreichen.
Beides beflügelte auf "magische" Weise den Absatz von
Lebensversicherungen, insbesondere von Kapitallebensversicherungen, die eine kritikwürdige Kombiform aus Risikoversicherung und
Sparen sind. Die wegen ihrer zukünftigen Alterssicherung verunsicherten Menschen verstanden nur: Du musst dein Geld in private
Versicherungen anlegen, um noch in den Genuss von Vorteilen zu kommen.
Als wäre Eichel der eifrigste Außendienstmitarbeiter der
Allianz, führten die steuerpolitischen Ankündigungen prompt zum versicherungstechnisch erwünschten Ergebnis: Bei den
Versicherungen, deren Marktführer die Allianz ist, explodierte das Neugeschäft vor allem in den letzten Monaten des Jahres um
über 20%.
Als die neuen Versicherungsverträge im Sack waren, kündigte
Eichel an, dass die Versicherungserträge nun doch nicht besteuert würden! Das hatte die Assekuranz schon immer gefordert - aber
das Neugeschäft hat man natürlich gern mitgenommen…
Eine weitere Ankündigung Eichels sorgte ebenfalls für
strahlende Gesichter beim Allianzkonzern: Die Besteuerung von Gewinnen aus dem Verkauf von Beteiligungen soll bei der vom Kabinett
beschlossenen Steuerreform entfallen. Ein "Geschenk" an die Großkonzerne in Höhe von 14 Milliarden Mark, die als
Mindereinnahmen des Staates zur Schuldensituation beitragen werden. Aber Staatsschulden sind ja gut - für Versicherungen, die einen
Großteil des Geldes der Versicherten in Staatsschuldverschreibungen anlegen (müssen)!
Zusätzlich können sich nun die Allianz, die Deutsche Bank und
wie sie alle heißen, ohne Steuern zu zahlen, von ihren Beteiligungen trennen, um sich auf das "Kerngeschäft" zu
konzentrieren!
In der Hoffnung, der in Eichels Ministerium ausgetüftelte
Kabinettsbeschluss werde bald den Bundestag passieren, sind die Umstrukturierungen bei der Bankenfusion ab 1.Juli bzw. 1.Januar 2001
vorgesehen. Die Allianz ist - neben der Deutschen Bank - die Gewinnerin in diesem Geschäft. Sie erhält die "Bank 24"
und damit die Filialen, um sämtliche Finanzdienstleistungen der Sparte (Banken und Versicherungen) an einem Schalter anbieten zu
können.
Für den Verkauf ihres Aktienanteils an der Dresdner Bank
erhält die Allianz die Versicherungsgruppe Deutscher Herold, dazu den größten Finanzanlagefonds DWS. So kann sie im
eigenen Konzern ihre Geschäfte optimieren.
Das nennt Herr Breuer von der Deutschen Bank den "Abschied von
der Deutschland AG": das System gegenseitiger Beteiligungen wird bereinigt, jeder Konzern streicht Synergieeffekte in
Milliardenhöhe ein. Zusätzlich werden sie reich beschenkt von Herrn Eichel - unter beifälligem Klatschen der
Regierungsmitglieder, deren erklärte Politik des Abbaus der Arbeitslosigkeit nun allmählich die Satiriker wieder auf den Plan
rufen sollte…
Adam Reuleaux