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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.7 vom 30.03.2000, Seite 10

Nationalstaat und Wirtschaftsblock

Die Chimäre "Globalisierung" und "transnationale" Konzerne

Die Macht der großen Konzerne dieser Welt wurde beschrieben. Dass sie als "transnationale" bezeichnet werden, ist bekannt. Der Prozess des aktuellen Kapitalismus als derjenige, in dem so gut wie jeder Winkel des Planeten Erde den Kapitalverwertungsbedürfnissen unterworfen ist, wurde skizziert. Und es ist in aller Munde, diesen Vorgang als "Globalisierung" zu bezeichnen.
Dennoch soll hier dem "main stream" widersprochen werden. Global ist dieser Kapitalismus nur insofern, als seine Tendenzen weltweit vorherrschen. Konkret setzen sich jedoch diese kapitalistischen Gesetze nicht in einem "globalen", sondern im Rahmen verschiedener Nationalstaaten bzw. im Rahmen von Wirtschaftsblöcken durch.
"Transnational" sind des weiteren die großen, die Welt beherrschenden Konzerne "nur" insofern, als sie in aller Herren Länder produzieren lassen, als sich ihre Bosse grenzüberschreitend bewegen und als "vaterlandslose Gesellen" ihre Geschäfte der Belegschaftsreduzierung, der Arbeitsintensivierung, sprich: der Profitmaximierung betreiben. Hinsichtlich des Kapitaleigentums der weltgrößten Konzerne existiert jedoch ein solcher "kapitalistischer Internationalismus" nicht mehr. Das Eigentum an den größten Konzernen der Welt ist zu 95% insofern "national", als es an einen der neun wirtschaftlich mächtigsten Staaten dieser Welt gebunden und in einen der drei großen kapitalistischen Wirtschaftsblöcke Nordamerika (NAFTA), Japan und Westeuropa (EU) eingebettet ist.

Einzelkapital und Nationalstaat

Das einzelne Kapital - eine Firma, ein Unternehmen, ein Konzern - kennt nur ein Prinzip: größtmöglicher Profit in kürzest möglicher Zeit. Dieses Prinzip wird in der Regel bei Strafe des eigenen Untergangs exekutiert. Nun gibt es jedoch eine Reihe von Aufgaben, die im Interesse des Kapitals und als Voraussetzungen für die Exekution des Prinzips Profitmaximierung gegeben sein müssen, die jedoch bei einer direkten Unterwerfung unter dieses Prinzip nicht realisierbar sind. Beispielsweise erfordert der kapitalistische Verwertungsprozess die Existenz einer guten Infrastruktur (Straßen, Schienen- und Wasserwege) und entsprechender Kommunikationsstrukturen. Dabei handelt es sich meist um Investitionen, die sich - wenn überhaupt - nur langfristig rechnen. Ein funktionierender Kapitalismus benötigt ein für seine Interessen ein "gutes" System von Bildung, Ausbildung und Fortbildung. Dies gilt insbesondere für einen "modernen" Kapitalismus, der für seinen hochtechnisierten Maschinen- und Computerpark entsprechend geschultes Personal benötigt. Auch diese Voraussetzung für eine optimale Kapitalverwertung kann dann nur unzureichend "bereitgestellt" werden, wenn allein die kurzfristige Profitmaximierung zählt. (Und der Ausweg, kurzfristig über eine "Green Card" qualifiziertes Personal, das im Ausland ausgebildet wurde, anzuwerben, bietet sich nicht immer und stößt auf andere - politische - Widerstände.)
Weiter verlangt das Kapital für seine Verwertung nach der "inneren Sicherheit". Erforderlich sind Polizei, Militär und Justiz (vulgo: Klassenjustiz), die die Aufrechterhaltung von "Ruhe und Ordnung" garantieren, damit "ruhig und ordentlich" Profit akkumuliert werden kann. Aber auch hier gilt: Polizei, Militär und ein Gerichtswesen "rechnen" sich nicht - jedenfalls nicht unmittelbar und kurzfristig.
Schließlich und endlich gibt es das Bedürfnis des Kapitals nach einer "äußeren Sicherheit": Die eigenen Kapitalanlagen im Ausland sollen gegenüber den Angriffen der Belegschaften, der Konkurrenz und anderer Staaten geschützt werden. Gegebenenfalls soll es auch möglich sein, dann, wenn die Mittel der Konkurrenz versagen, mit Gewalt nachzuhelfen, Märkte militärisch zu "öffnen" oder die Zufuhr billiger Rohstoffe zu "sichern" und zu "verteidigen". Vulgo: Kriege zu führen. Dafür benötigt das Kapital Militär. Und erneut gilt: Dieses "rechnet" sich nicht kurzfristig. Und nicht jeder große Konzern verfügt über einen Zugriff auf billiges ausländisches Militär oder einen eigenen militärischen Dienst, wie dies bei Shell in Nigeria der Fall ist.
Für diese - und auch andere - Zwecke schuf das Kapital sich Nationalstaaten bzw. es bedient sich solcher. Während das einzelne Kapital niemals eine Art "Gesamtinteresse" wahrt, sondern rücksichtlos gegen die Konkurrenz und gegen die "eigene" Belegschaft vorgeht, stellen Staaten, so Friedrich Engels, eine Art Verkörperung des "ideellen Gesamtkapitalisten" dar. Der Staat ist es, der die oben beschriebenen Aufgaben zur Sicherstellung der Kapitalakkumulation und zur Reproduktion von Bedingungen, die auch mittel- und langfristig die Kapitalherrschaft absichern, gewährleistet.
Dabei vollzieht sich dieser Prozess in zweifacher Weise widersprüchlich. So gibt es keine "verbindlich planende" Instanz des Kapitals oder der bürgerlichen Klasse, die eisern dafür sorgen würde, dass diese Voraussetzungen immer erfüllt würden. Vielmehr spiegelt sich im Kapitalverhältnis und im bürgerlichen Staat selbst der innere Widerspruch zwischen dem Prinzip der Profitmaximierung und der Notwendigkeit längerfristigerer Investitionen zur Aufrechterhaltung der Vorausssetzungen der Kapitalherrschaft wider.
"Lean Production" ist in sich logisch: Kostenreduktion zur Profitexpansion ist im Einzelunternehmen logisch und sinnvoll. Die Übertragung dieses Prinzips auf den Staat - "lean state", "schlanker Staat" - heißt jedoch, genau diese notwendigen längerfristigen Investitionen zu untergraben.
Gleichzeitig wirkt jedoch paradoxerweise der Klassenwiderspruch im Kapitalismus in eine Richtung, mit der diese Voraussetzungen der Profitakkumulation gewährleistet werden. Es war oftmals der Kampf der Arbeiterklasse und der Gewerkschaften, mit dem erst Lebens- und Arbeitsverhältnisse erreicht wurden, die verhinderten, dass das Kapitals die Grundlage jeder Ausbeutung, die Existenz einer ausbeutbaren Arbeiterklasse, selbst vernichten würden (u.a. durch Kinderarbeit und extrem lange Arbeitstage). Es waren Gewerkschaften und Sozialdemokratie, durch deren Kampf es zu einer sozialen Absicherung der Menschen bei Krankeit und im Alter kam, ohne die die Voraussetzungen zur Ausbeutung und Profitakkumulation ebenfalls untergraben worden wären.
Das alles heißt in keiner Weise, die Kämpfe z.B. der Gewerkschaften wären ausschließlich solche, die im Interesse des "idellen Gesamtkapitalisten", des bürgerlichen Staates erfolgen würden. Wäre das so, dann wäre nicht erklärbar, weswegen jeder Fortschritt auf diesen Gebieten (bessere Ausbildung, "durchlässigere" Hochschulen) nicht nur vom Einzelkapital, nicht nur von deren Klassenvereinigung (BDI, BdA, IHK), sondern auch von den Vertretern des bürgerlichen Staates selbst bekämpft wird. Vor allem aber legt eine solche Sicht die Denunziation nahe, die Kämpfe von Gewerkschaften und anderer sozialer Bewegungen erfolgten schlicht im Interesse des Gesamtkapitals.
Festzustellen, dass solche Kämpfe einerseits objektiv die Voraussetzungen zur Profitakkumulation absichern, ist die eine Seite. Die andere jedoch lautet: Jede Verbesserung der sozialen Bedingungen der Bevölkerung ist nicht nur moralisch gerechtfertigt. Solche Verbesserungen sind, wenn sie durch Kampf erzielt wurden, gerade auch deshalb wichtig, weil dadurch das Selbstbewusstsein der betroffenen Menschen gestärkt und ihre Fähigkeit, das kapitalistische System einer kritischen Bilanz zu unterziehen, entwickelt wird.

Ultraimperialismus oder nationalstaatliches CasinoCapital?

Zu fragen wäre: Ist das heute alles ganz oder weitgehend überholt? Gibt es etwa inzwischen jenen "Ultraimperialismus", von dem Karl Kautsky am Anfang des 20. Jahrhunderts sagte, dass bei diesem "an die Stelle des Kampfes der nationalen Finanzkapitale untereinander die gemeinsame Ausbeutung der Welt durch das international verbündete Finanzkapital" getreten sei?1 Oder gilt, was W.I.Lenin hierzu als Antwort auf Kautsky sagte: "‚Innerimperialistische‘ oder ‚ultraimperialistische‘ Bündnisse sind … in der kapitalistischen Wirklichkeit … notwendigerweise nur ‚Atempausen‘ zwischen Kriegen … [Solche f]riedliche[n] Bündnisse bereiten Kriege vor und wachsen ihrerseits aus Kriegen hervor, bedingen sich gegenseitig, erzeugen einen Wechsel der Formen friedlichen und nichtfriedlichen Kampfes auf ein und demselben Boden imperialistischer Zusammenhänge und Wechselbeziehungen der Weltwirtschaft und der Weltpolitik."2
Besehen wir uns den aktuellen Kapitalismus im Allgemeinen und die Fusionitis im Besonderen dann lässt sich sagen: Lenin wurde nicht nur durch die Entwicklung zum und im Ersten Weltkrieg Recht gegeben. Seine Aussage findet auch heute ihre Bestätigung. Wenn es in den 70er und 80er Jahren Ansätze für eine Art "friedliches Bündnis" eines anscheinend "transnationalen Kapital" gab, dann kam dieses zustande aufgrund spezifischer Interessen: dem gemeinsamen Ziel, die Regionen, die nicht der direkten Kapitalverwertung unterworfen waren, zurückzuerobern. Dieses Ziel wurde durch supranationale Zusammenschlüsse wie NATO, Weltbank und IWF und durch Absprachen im Rahmen der G7-Staaten verfolgt. Spätestens seit dem Zusammenbruch der UdSSR brechen jedoch die alten Frontstellungen entlang von Nationalstaaten und Blöcken auf. Dies lässt sich deutlich mit dem Prozess der Kapitalzentralisation belegen.
Generell lässt sich bei einem Blick auf die Liste der größten Konzerne der Welt feststellen: Diese werden immer einem großen Industriestaat zugeordnet. Im Jahr 1998 hatten 89 der "100 Größten" ihren Sitz in einem der G7-Staaten; die übrigen zehn sind in der Schweiz (4), in den Niederlanden (2), in Schweden (2), in Korea (1), in Finnland (1) und in Spanien (1) beheimatet.3
Für den aktuellen Fusionsprozess lässt sich das ebenfalls sagen. So gut wie alle gegenwärtig stattfindenden Zusammenschlüsse haben insofern "nationalen" Charakter, als bei ihnen ein "nationaler" Konzern ein anderes Unternehmen "anderer Nationalität" übernimmt oder sich zwei "nationale" Konzerne zusammenschließen. Typisch für die erstgenannte Möglichkeit war der Zusammenschluss von Daimler und Chrysler. Entgegen der offiziell verbreiteten Ideologie, es handle sich um einen "merger of equals", um das Zusammengehen gleicher, war von vornherein klar, dass Daimler mehr als 50% des Chrysler-Kapitals übernimmt, dass Bob Eaton nur zur Beruhigung der US-Belegschaft und der Öffentlichkeit noch zwei Jahre als Staffage neben Schrempp stehen würde. Inzwischen steht fest: Eaton geht mit der DaimlerChrysler-Hauptversammlung im April 2000. Und in der Topetage des Konzerns wird badisch, schwäbisch oder ein mehr oder weniger gutes Wirtschaftsenglisch mit süddeutschem Akzent gesprochen. Im Übrigen wusste man an der Wall Street sofort, dass es sich um einen "takeover", um eine Übernahme, und nicht um eine Fusion handeln würde: Von vornherein wurde die Chrysler-Aktie aus dem Aktienindex Dow Jones ausgeschlossen und das Begehren des DaimlerChrysler-Managements, die DaimlerChrysler-Aktie in den Dow Jones zu integrieren, abgelehnt. Die Begründung lautete: In diesem Aktienindex dürfen keine deutschen Aktien vertreten sein. Das Zusammengehen der Finanzinstitute BNP, Societé Générale und Paribas auf der französischen und der Deutschen und der Dresdner Bank auf der deutschen Seite sind Beispiele für die zitierten "nationalen Fusionen".
Es gab eine Reihe von Fusionen, die tatsächlich "gleichberechtigt grenzüberschreitend" angelegt waren, die jedoch exakt daran scheiterten. Das galt für Agfa-Gevaert, den deutsch-niederländischen Konzern, der an dieser Binationalität scheiterte und inzwischen zum Bayer-Konzern gehört. Dies traf zu auf den deutsch-niederländischen Stahlkonzern Estel, einen Zusammenschluss von Hoesch (D) und Hogoovens (NL). Dieses binationale Unternehmen wurde wieder aufgelöst, worauf Hoesch mit Krupp und Krupp/Hoesch mit Thyssen fusionierte - erneut ein "rein nationales" Zusammengehen - und Hogoovens 1999 von British Steel übernommen wurde. Anfang der 90er Jahre wollten Renault und Volvo gleichberechtigt zu dem Unternehmen "Revolvo" zusammengehen. Das Projekt scheiterte, weil am Ende Renault darauf bestand, doch 51% der Gesellschaft kontrollieren zu wollen. Das schweizerisch-schwedische Unternehmen ABB (Zusammenschluss aus der schwedischen Gruppe Asean und der Schweizer Gesellschaft BBC) hat nach dem 1999 erfolgten Einstieg des französischen Unternehmens Alstom seinen Charakter verändert. ABB Alstom Power wird faktisch von der französischen Gesellschaft Alstom kontrolliert. Ende 1999 scheiterte der Zusammenschluss der schwedischen Telekommunikationsgesellschaft Telia mit dem norwegischen Unternehmen Telenor wegen, wie die Süddeutsche Zeitung schreibt, "nationalistisch gefärbten Streitigkeiten". Das Unternehmen hatte zwei Monate bestanden und bereits mehr als 100 Millionen Mark in ein neues gemeinsames Firmengebäude und in eine Beratergruppe zur Findung eines neuen Namens investiert.4
Als Anfang der 90er Jahre der geplante Zusammenschluss der europäischen Fluggesellschaften KLM, SAS, Swissair und Austrian Airlines scheiterte, formulierte das US-Blatt Business Week die bemerkenswerten Sätze: "Solche gemeinsamen Zusammenschlüsse sind exakt das, was Westeuropa heute benötigte. Auf der rein nationalstaatlichen Ebene stößt die Rationalisierung der Industrie an ihre Grenzen … Eine Restrukturierung der europäischen Industrie, die ohne Rücksicht auf nationalstaatliche europäische Grenzen erfolgte und transnationale Zusammenschlüsse einschließt, wäre exakt der letzte, entscheidende Schritt hin zu den Produktionseinheiten auf höherer Stufe, insbesondere im Fall von Industrien mit Überkapazitäten wie bei der Auto- und Luftfahrtindustrie. Es handelt sich jedoch um einen Schritt, den Europa offensichtlich nicht machen kann."5
Diese Beobachtung trifft zu. Offensichtlich gibt es in Europa kaum einen Prozess der Herausbildung eines "transnationalen, europäischen Kapitals". Selbst wenn es einen solchen Prozess geben würde, widerspräche dies nicht meiner These vom "nationalen" Charakter der Fusionitis. In diesem Fall würde "nur" der neue "Block EU" die bisherigen einzelnen Nationalstaatlichkeiten in der EU ersetzen und damit die nationale Konkurrenz auf höherer Stufenleiter reproduziert. Stattdessen findet im europäischen Fusionsfieber die Nationalstaatlichkeit ihre Widerspiegelung. Und hier irrt der zitierte Autor von Business Week in seiner Schlussfolgerung, die lautete: "Doch wenn die Europäer diesen Schritt nicht vollziehen, dann wird ihre Industrie zur Beute der amerikanischen und der japanischen Konzerne werden."
Ein solcher Prozess ist in Westeuropa nur bedingt zu beobachten - bspw. könnte der Einstieg von General Motors bei Fiat in diese Richtung weisen. Hier gibt es jedoch auch Gegenreaktionen. So war der Aufkauf von Rover durch BMW ein Akt, mit dem das japanische Kpital aus der europäischen Autoindustrie "herausgebissen" wurde - bis dahin war Honda an Rover beteiligt. Wenn BMW jetzt Rover fallen lässt, dann ist das nur logisch, da Rover ins Nichts fällt. Hier findet derselbe Prozess statt, der sich fünf Jahre zuvor in der EU-Flugzeugindustrie absopielte: Daimler kaufte das niederländische Unternehmen Fokker auf, damit die ausländische Konkurrenz aus der EU-Flugzeugindustrie herausghalten würde. Bald darauf ließ Daimler Fokker ins Nichts fallen.
Was in Europa stattfindet ist ein Prozess der Kapitalzentralisation, bei dem die stärkste Ökonomie, die deutsche, den Versuch unternimmt, die EU-Ökonomie zu dominieren. Die 20 größten westeuropäischen Unternehmen vereinigten 1998 einen Umsatz von knapp 1000 Milliarden Euro auf sich. Unter ihnen befanden sich acht deutsche Konzerne, die 442 Mrd. Euro auf sich vereinten, was 46% des gesamten Umsatzes dieser 20 Größten entsprach. Die nächststärkste "nationale Kapitalgruppe" war die britische, die es mit drei Konzernen - darunter allerdings zwei britisch-niederländische - auf 177 Mrd. Euro oder 18% brachten. Die drittstärkste Kapitalgruppe war die französische mit fünf Konzernen, die es auf 164 Mrd. Euro brachte. In dieser Gruppe gibt es nur einen einzigen italienischen Konzern, Fiat, dessen Umsatz 4,7% dieser 20 größten EU-Konzerne ausmacht. Wenn man eine entsprechende Rechnung für die 200 größten EU-Konzerne aufstellt, ergibt es ein vergleichbares Ergebnis.6 Zehn Jahre früher war diese deutsche Dominanz noch weit weniger ausgeprägt. Und heute, im Jahr 2000, ist sie aufgrund neuer deutsch dominierter Zusammenschlüsse noch ausgeprägter.
Um das strategische Ziel einer deutschen EU-Dominanz abzusichern, geht das deutsche Kapital taktische Bündnisse ein und praktiziert ebensolche Rücksichtnahmen - z.B. durch eine fortgesetzte, wenn auch zunehmend brüchiger werdende deutsch-französische Zusammenarbeit und mit wenigen exemplarischen gemeinsamen Projekten wie dem weitgehend gleichberechtigten Zusammengehen von DaimlerChysler-Dasa und Aerospatiale-Matra im Flugzeugbau und Rüstungsbereich.
Unter diesen Bedingungen sind zwei Dinge vorhersehbar: Zum einen, dass dieser Prozess der Kapitalzentralisation in Europa noch zu heftigen Konflikten und zu einer Zerreißprobe für die EU - und damit auch für den Euro - führen wird. Eben weil es keine gemeinsame Kapitalbasis für dieses Europa gibt, weil die Nationalstaatlichkeit in Europa weiterexistiert und weil es neben einem ökonomisch überlegenen Deutschland zwei Atommächte, Frankreich und Großbritannien gibt.
Zum anderen haben bei diesem Wettrennen die USA die Nase vorn: In ihrem Block NAFTA gibt es keine ernsthafte Kapitalkonkurrenz: Kanada wird weitgehend von den US-Konzernen beherrscht und das dritte NAFTA-Land Mexiko wird derzeit von den US-Konzernen überrollt.

Winfried Wolf

Anmerkungen:
1. Karl Kautsky. In: Die Neue Zeit, 30.4.1915.
2. W.I.Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapialismus. In: Werke, Bd.22, Berlin 1971, S.301.
3. Nach: "Die 100 größten Unternehmen", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6.7.1999. Die Angaben differieren von den zuvor angeführten zur Stärke der "200 Größten", da Le Monde Diplomatique sich auf das Jahr 1995 bezog (vor der Asienkrise; daher waren dort mehr südkoreanische Konzerne vertreten) und darüber hinaus eine andere Statistiksystematik heranzog.
4. Süddeutsche Zeitung, 17.12.1999.
5. Business Week, 27.12.1993.
6. Berechnet nach: Die 500 größten westeuropäischen Industrie- und Dienstleistungsunternehmen", in: Wirtschaftswoche, 12.8.1999.

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