Sozialistische Zeitung |
Bei den Parlamentswahlen am 12.März 2000 hatte das neue Wahlbündnis von PSOE
(Sozialdemokraten) und Izquierda Unida (IU - Vereinigte Linke) keine Chance. Die bisherige Minderheitsregierung von Aznar von der
konservativen PP (Volkspartei) kann - nun mit absoluter Mehrheit (183 von 350 Sitzen) - weiterregieren. Bisher waren sie auf die Stimmen der
gemäßigten katalanischen und baskischen Nationalisten angewiesen.
Regierungschef José María Aznar wucherte im Wahlkampf
mit wirtschaftlichen Erfolgen. Spanien erlebte in den letzten vier Jahren einen wirtschaftlichen Boom.
3,7% legt die spanische Ökonomie dieses Jahr zu. 1,8 Millionen neue
Arbeitsplätze wurden geschaffen, freilich nur 7% unbefristet. Den WählerInnen machte Aznar die Teilnahme am Euro-Wunderland
schmackhaft: "Wir gehören nun zu den Großen Europas, jetzt werden wir uns anstrengen, um die Besten Europas zu
sein."
Offen propagierte er die Liberalisierung der Telekommunikation, der
Fluggesellschaften, des Energiesektors. Die rassistischen Angriffe in El Ejido bezeichnete er als "Einzelfall". Und Aznar steht
weder links noch rechts: "Diese Unterscheidung in rechts und links gehört der Vergangenheit an. Es gibt einfach Tendenzen in der
Politik, die erfolgreich sind, andere nicht." Heißt das in Deutschland nicht "Neue Mitte"?
Einziges Trostpflaster für die Linke blieb Andalusien. Bei der dort
zeitgleich angesetzten Wahl für das Autonomieparlament lagen die Parteien links von der PP klar vorn.
Das Linksbündnis (29 Abgeordnete weniger) hatte keine klare
Alternative zu bieten und befand sich auch nicht im Kontext entwickelter sozialer Kämpfe. Ganz im Gegenteil. Die der PSOE und der IU
nahestehenden Gewerkschaften ordneten sich der von Aznar propagierten nationalen Einheit von Regierung, Unternehmern und Gewerkschaften
unter.
Das Versprechen, im Falle eines linken Wahlsiegs progressive Politik zu
entfalten, weckt keine Illusionen. In den letzten Tagen vor der Wahl kam es gar zu offenen Meinungsverschiedenheiten zwischen IU-Chef
Francisco Frutos und Almunia. Der Sozialdemokrat legte ein Programm für die ersten 100 Tage fortschrittliche Regierung vor und
vergaß darin so elementare Vereinbarungen mit der IU wie die Einführung der 35-Stunden-Woche oder die Abschaffung der
Zeitarbeitsvermittlungen.
Außerdem wurden Planspiele bekannt, wonach die PSOE auch
Regierungskoalitionen mit der bürgerlich-katalanischen CiU in Visier nahm.
Der Gegenkandidat der sozialdemokratischen PSOE, Joaquín
Almunia, war keine glaubhafte Alternative. Die WählerInnen bemerkten keine echte Erneuerung bei der PSOE . Die Debakel, die 1996
zur Wahlniederlage der Sozialdemokraten beitrugen, sind noch nicht verdaut. Korruptionsskandale sowie die Enthüllungen des
schmutzigen Krieges gegen die baskische Unabhängigkeitsbewegung sind noch Stoff für zahlreiche anhängende
Gerichtsverfahren. Viele der in die Affären verwickelten Sozialdemokraten fanden sich wieder auf den Kandidatenlisten.
Kandidaturen links der IU wie die der Partido Comunista de los Pueblos de
Espaņa (PCPE) (0,05%) oder der Partido Obrero Socialista Internacionalista (0,05%) waren bedeutungslos.
Auch die Empörung über die rassistischen Pogrome in
Andalusien, die am 5.Februar begannen, vergrößerten nicht die Chancen der Linken, schadeten aber auch nicht den Konservativen.
Tagelang tyrannisierte ein aufgehetzter Mob, unterstützt durch faschistische Stoßtrupps aus dem ganzen Land, nordafrikanische
Landarbeiterfamilien im PP-regierten El Ejido und in umliegenden Gemeinden. Das Büro der Flüchtlingshilfsorganisation Almeria
Acoge wurde zerstört.
Die Landarbeitergewerkschaft SOC mobilisierte engagiert die
Öffentlichkeit. Die Madrider Regierung schickte erst nach Tagen Spezialeinheiten in die Region (Lichtenhagen lässt
grüßen). Ihr Interesse galt aber eher der Festnahme von MigrantInnen.
Der Wiederbeginn der militärischen Kampagne der ETA sowie der
Wahlboykott des linksnationalistischen Bündnisses EH-HB führte zu einem starken Stimmenzuwachs für die Konservativen
sowie für die bürgerlichen Nationalisten. Die PP wuchs von 18,3% auf stattliche 28,2%, sie ist damit die zweitstärkste Kraft
im spanischen Baskenland hinter der bürgerlich-nationalistischen PNV, die sich von 25% auf 30,4% steigerte.
Vom Wahlboykott der EH-HB konnten auch die sozialdemokratische EA
und die baskische Sektion der IU nicht profitieren, beide Parteien hatten teilweise herbe Stimmenverluste zu verzeichnen. Somit lässt sich
konstatieren, dass die 155000 WählerInnen, die 1996 HB wählten, größtenteils den Wahlboykott unterstützten,
zum kleineren Teil allerdings in die Arme der bürgerlichen PNV zurückkehrten.
Der Aufruf zum Wahlboykott erwies sich als taktischer Fehler, denn
größere Sektoren der baskischen Gesellschaft konnten dafür nicht gewonnen werden. Dabei hatte das linksnationalistische
Wahlbündnis EH bei den Regionalwahlen 1999 mit fast 20% ein hervorragendes Wahlergebnis erzielt.
Bedingt durch den Wahlboykott haben nun seit langer Zeit erstmals die
"spanischen" Parteien mehr Stimmen eingefahren als die "baskischen" Parteien.
Die Unterstützung der bürgerlichen Nationalisten von der CiU
für die Aznar-Regierung zahlte sich für sie nicht aus. Gemäß dem Motto "Lieber das Original" schnellte der
Stimmenanteil der PP von 17,9% auf 22,7%, während die CiU leicht von 29,6% auf 28,7% absackte. Erfreulich, dass die linken
Republikaner der ERC sich von 4,1% auf 5,6% verbessern konnten und die linksgrüne EuiA auf Anhieb 2,2% erreichte.
Der nationalistische Wahlblock BNG (Bloque Nacionalista Gallego)
entsendet nunmehr drei statt zwei Abgeordnete nach Madrid. Er steigerte sich überall auf Kosten von PSOE und IU; in seiner Hochburg
Pontevedra von 14,5% auf 20%, nur 2% weniger als die PSOE. In der starken PP-Hochburg Galizien konnten die Konservativen nochmals
zulegen und kamen in allen vier Wahldistrikten auf über 50%.
Die zeitgleich angesetzten Regionalwahlen in Andalusien vermasselten den
Konservativen ihren totalen Erfolg. Trotz Mandatsgewinn von 40 auf 46 Sitze der PP kann die PSOE mit unverändert 52 Sitzen (von
insgesamt 109) zusammen mit der regionalistischen PA (Partido Andalucista), die sich von 4 auf 5 Sitze leicht verbesserte, die neue alte
Regionalregierung stellen. Die IU halbierte sich dramatisch von 13 auf 6 Sitze.
Seit geraumer Zeit gibt es eine scharfe Kritik an der Politik der IU-
Führung, die mehrheitlich von der PCE (Partido Comunista de Espaņa) gestellt wird. Besonders die linke IU-Strömung Espacio
Alternativo, die von Jaime Pastor in der Leitung vertreten wird, formuliert dissidente Positionen. Sie wird dabei z.B.unterstützt vom
Collectiu per una Esquerra Alternativa (IV.Internationale). Sie unterzog den gemeinsamen publizierten Positionen von PSOE und IU einer
harrschen Kritik.
In diesem "Programm" konnte sie kaum konkrete Alternativen
zum EU-dominanten "Sozial-Liberalismus" erkennen. Die Zustimmung zur NATO, zur EU-Politik, zum "Kampf gegen den
(baskischen) Terrorismus", die unkonkreten Absichtserklärungen zu ökologischen und sozialen Fragen fanden nicht die
Zustimmung der IU-Linken, die konsequente Oppositionspolitik statt "rot-roter" Realopolitik einforderten.
Der von der IU-Führung forcierte Rückzug der baskischen IU-
Sektion aus dem Dialog-"Forum von Lizarra" wurde als falsches Signal eingeschätzt. Längst sehen sie in der IU nicht
mehr die "Oase in der Wüste", stattdessen wollen sie einen Neuanfang in enger Anlehnung an soziale Bewegungen der
Gewerkschaftslinken sowie der ökologischen, feministischen und pazifistischen Szene.
Ob dieser Neubeginn nach der verheerenden Wahlniederlage der IU
innerhalb dieser Formation möglich sein wird, steht in den Sternen. Es zeichnet sich aber ab, dass bei einem Ausbleiben eines
Kurswechsels eine Umgruppierung der Linken im Spanischen Staat einsetzen wird, die die IU in ihrer bisherigen Zusammensetzung stark
verändern würde.
Paul Stern