Sozialistische Zeitung |
Der Konflikt in der Stadt Mitrovica in Kosova wird oft nur als ethnischer Streit zwischen SerbInnen und
AlbanerInnen wahrgenommen. Doch dahinter steckt ein Streit um den wirtschaftlichen Reichtum des nördlichen Kosova, um den
Industrie- und Bergbaukomplex von Trepca nahe Mitrovica. Bei Trepca handelt es sich um einen Industriekomplex, der bis 1989 23000
Menschen beschäftigte.
Am 8.Juli 1998 schrieb die New York Times über Trepca:
"Der weitauseinandergezogene Trepca-Bergbaukomplex ist das wertvollste Stück Grund und Boden auf dem Balkan und hat einen
Wert von mindestens 5 Milliarden US-Dollar." Der Direktor der Mine, Bjielic, wird mit den Worten zitiert: "Das ist Serbiens
Kuwait, das Herz von Kosovo." Trepca verfügt über 17 Milliarden Tonnen Kohlereserven. Es ist die reichste Blei- und
Zinkmine in Europa. Die Kapazitäten der Blei- und Zinkraffinerien sind die drittstärksten der Welt.
Zu Trepca gehören 17 metallverarbeitende Betriebe, darunter die
größte Batteriefabrik von Rest-Jugoslawien. 1988 wies Jugoslawien eine offizielle Inflationsrate von 1000% auf. In diesem Jahr
wurde Jugoslawien als das Land mit der höchsten offiziellen Streikdichte weltweit aufgeführt. Die soziale Krise, verursacht durch
die Diktate des IWF, löste unter dem Motto "Gegen die roten Bonzen - für unsere Rechte" massiven Arbeiterwiderstand
aus.
Im Jahr 1988 richtete Milosevic eine Kommission
"Wirtschaftsreform" beim Präsidium Serbiens ein. Diese Kommission hatte das Ziel, die Wirtschaft Serbiens zu privatisieren.
Alle Milosevic-Reden in dieser Zeit, die sich nicht mit dem Kosovo befassten, wandten sich an die Arbeiter. Milosevic forderte die Arbeiter
auf, sich von der "primitiven Angst vor Ausbeutung zu befreien". Im Frühjahr 1989 wurde die serbische Wirtschaft zu 100%
zur Privatisierung freigegeben.
Zur selben Zeit wurde die Autonomie Kosovas gewaltsam aufgehoben.
Zwischen beiden Vorgängen besteht ein untrennbarer Zusammenhang. Die Arbeiter von Trepca streikten im Oktober 1988 gegen die
Absetzung von Azem Vllasi als Parteichef Kosovas und für ihre nationalen Rechte sowie gegen die angedrohte Privatisierung. Im Februar
1989 traten ca. 1000 Kumpel unter Tage in einen mehrwöchigen Hungerstreik. Bergarbeiter marschierten nach Prishtina, wo sie von der
albanischen Bevölkerung jubelnd empfangen wurden. Die Protestaktionen waren geprägt von roten Fahnen und Tito-Bildern.
Der Streik der Bergarbeiter von Trepca wurde im Februar/März
1989 mittels falscher Versprechen geschwächt und anschließend gewaltsam niedergeschlagen. Offiziell gab es 29 Tote in ganz
Kosova. Im Frühjahr 1990 begann die nächste große Streikwelle gegen die endgültige Aufhebung der Autonomie. Auch
diese Streiks wurden gewaltsam beendet und alle albanischen Arbeiter aus Trepca entlassen. Hunderte wanderten ins Gefängnis.
Am 28.Juli 1990 beschloss das serbische Parlament ein spezielles
Arbeitsgesetz für das Kosovo. Nun galt ein generelles Streikverbot, die noch verbliebenen Arbeiter in Kosova mussten eine
Loyalitätserklärung für den serbischen Staat unterschreiben. Albanisch wurde am Arbeitsplatz als Umgangssprache verboten,
und die eingesetzten serbischen Direktoren in den Fabriken mußten den Arbeitern die Arztbesuche genehmigen; genehmigt wurden dabei
nur serbische Ärzte.
Bis 1996 wurden mit diesen Methoden 145000 gelernte albanische
Arbeiter aus den Industriebetrieben entlassen. Bei Gesetzesverstößen hatten sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld und verloren
die Werkswohnung. Ab 1996 arbeiteten die meisten Albaner nur noch in schlechtbezahlten Hilfsjobs.
Die oben erwähnte Privatisierung der jugoslawischen
Gesamtindustrie hatte einige Besonderheiten aufzuweisen. Zuerst wurde die sogenannte "Arbeiterselbstverwaltung" beseitigt und
die Betriebe verstaatlicht, um den Arbeitern jegliche Einflußmöglichkeiten zu nehmen. Dann wurden die nicht sofort zu
privatisierenden Betriebe, die nun Staatseigentum waren, de facto in Aktiengesellschaften umgewandelt, in denen die Beschäftigten
Anteile erhielten.
1994 waren nach Angaben des alternativen Informationszentrums Mreza die
Hälfte der Betriebe privatisiert. Rest-Jugoslawien hat den höchsten Privatisierungsgrad von allen ehemaligen Republiken des alten
Jugoslawiens. Heute gibt es offiziell 660000 Anteilsscheine an den noch nicht privatisierten Betrieben. In Wahrheit sind die Hauptanteilseigner
einige Hundert Manager, die die Masse des Vermögens in den staatlichen Aktiengesellschaften in ihren Händen halten.
Diese Leute gehören entweder der Sozialistischen Partei an, oder der
Partei der reichen Leute, der sog. Jugoslawischen Linken. Die staatlichen Aktiengesellschaften werden als Ausbeutungsbasis benutzt, um
Privatkapital zu akkumulieren. So besitzt der Sohn von Milosevic sämtliche zollfreien Läden an den Flughäfen und Grenzen.
Der ehemalige jugoslawische Vizepremier Radulovic (Sozialistische
Partei) verfügt über die zweitgrößte Einzelhandelskette des Landes. Da er wichtige Funktionen in der Staatsindustrie
inne hatte, bezichtigten ihn die Arbeiter des Diebstahls von 372 Millionen US-Dollar, mit denen er die Einzelhandelskette erwarb. Der
ehemalige Vorsitzende der Jugoslawischen Linken, Todorovic, bis zu seinem gewaltsamen Tod 1997 Direktor der staatliche Ölfirmen,
besaß die T&M Handelsgesellschaft und galt als der reichste Mann Jugoslawiens.
Ab 1990 wurde die griechische Mytilinos AG auf dem griechischen Mark
Marktführer bei Zink und Blei, ab Mitte der 90er Jahre auf dem gesamten Balkan. Denn seit 1990 kooperierte die Mytilinos AG mit der
Mine von Trepca. Im Dezember 1995 investierte sie 50 Mio. US-Dollar als Anteilseigner an dem Komplex. Im November 1997, nachdem die
jugoslawische Regierung neuerlich 75 Firmen zur Privatisierung ausschrieb, investierte die Mytilinos AG nach eigenen Angaben 519 Mio. US-
Dollar für den Handel mit Trepca-Mineralien auf sieben Jahre.
Der griechische Großkonzern steckt stark im jugoslawischen
Investmenthandel und verfügt über 30% Anteile an der Vecic-Bank. Zudem ist der Konzern seit 1997 Miteigentümer an der
jugoslawischen Telekom, die zur Hälfte privatisiert wurde. Jetzt behauptet der griechische Konzern, dass ihm Trepca gehöre. Auch
der französische Konzern SCMM beansprucht für sich einen Anteil von 2,8% an Trepca.
Gegenüber der UN-Verwaltung Kosovas treten jetzt mehrere
Gesellschaften als Privateigentümer von Trepca auf: Die Mytilinos AG, SCMM, die Jugo-Bank und ein Branoslaw Milanovic, Mitglied
der Sozialistischen Partei. Die UNO-Protektoratsverwaltung akzeptiert natürlich das Privateigentum an Produktionsmitteln, allerdings ist
unklar, wer der Eigentümer ist. Einig ist sich die NATO-Besatzung und die jugoslawische Regierung, dass Trepca auf keine Fall den
Arbeitern gehört.
Die unabhängige Bergarbeitergewerkschaft Trepca als
Interessenvertretung der ehemaligen Belegschaft sieht das völlig anders. Sie betrachten den Komplex als Arbeitereigentum
gemäß der jugoslawischen Verfassung und erklärt jeden privaten Anspruch für nichtig.
Nachdem französische KFOR-Truppen die jahrelange Aussperrung
durch das serbische Regime über Monate fortsetzten, sind seit Mitte Dezember Teile der Belegschaft in einem Teil eines Bergwerks
eingelassen worden. Bezahlt wird nichts, denn die "Eigentümer" erklären, sie hätten keine Arbeitsverträge
mit den Bergleuten.
Weltweit findet das Anliegen der Bergleute von Trepca
Unterstützung. Englische und dänische Gewerkschafter lieferten Hilfsgüter und selbst Führungsmitglieder des
brasilianischen Gewerkschaftsdachverbandes CUT erklärten ihre Solidarität. Auch in Deutschland hat sich eine Initiative zur
Unterstützung der Bergleute von Trepca auf Gewerkschaftsebene gebildet.
Max Brym