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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.8 vom 14.03.2000, Seite 2

Metallabschluss

Was Hubertus kann, kann Harald auch

Mit dem Pilotabschluss für die Metallindustrie am 18. März konnte der nordrhein- westfälische IG-Metall-Bezirksleiter Harald Schartau einen ähnlichen Überraschungseffekt erzielen wie kurze Zeit vorher Hubertus Schmoldt, der Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE).
Als Leiter des mitgliederstärksten Bezirks der IG Metall hat Schartau vor Ablauf der Friedenspflicht einen Abschluss zu Stande gebracht, ohne die "Rituale", wie Warnstreiks, Betriebsversammlungen oder Protestaktionen am Verhandlungsort, zu nutzen. Der Charakter dieses Abschlusses wird die Tarifpolitik der IG Metall für Jahre prägen: Die Tariferhöhung von 3% für dieses Jahr und 2,1% für 2001 passt sich in den Wunschhorizont des Kanzleramts und der Arbeitgeberverbände ein. Statt der "Beschäftigungsbrücke Jung/Alt", besser bekannt als Tariffonds für eine Rente mit 60, gibt es einige Verbesserungen bei der Altersteilzeit.
Mindestens alle 57-jährigen Beschäftigten, für die der Tarifvertrag gilt, haben jetzt einen Anspruch auf eine verblockte Altersteilzeit von bis zu sechs Jahren, wobei die Freistellungsphase spätestens mit der Vollendung des 60.Lebensjahrs beginnen muss.
Um allerdings einen persönlichen Anspruch geltend zu machen, dürfen sich erst 4% (5% ab dem 1.Mai 2002 ) der Beschäftigten eines Betriebs in Altersteilzeit befinden. Die Aufbesserung der Altersteilzeit wurde allerdings mit einer Festschreibung der Dauer der Arbeitszeit im Manteltarifvertrag bis zum April 2003 erkauft.
Als Ausgleich für zu erwartende Rentenkürzungen wurde eine Abfindung von 450 Mark für jeden Monat vereinbart, der zwischen der Beendigung des Arbeitverhältnisses und dem Zeitpunkt, an dem der Beschäftigte Anspruch auf ungeminderte Altersrente gehabt hätte, liegt. Da das in der Regel das 65.Lebensjahr ist, machen sich danach die Abzüge im Einkommen voll bemerkbar, was sich bei den reduzierten Bezügen der Witwenrente besonders drastisch auswirken wird.
Die positive Seite dieses Tarifabschlusses liegt in der Ausdehnung der Übernahmeverpflichtung für ehemalige Auszubildende auf mindestens 12 Monate ab dem 1.Mai 2001 und im Weiterbestehen der Regelungen über Jahressonderzahlungen, die nach Wunsch der Unternehmer "ertragsabhängig" gemacht werden sollten.
Während das Ergebnis in der Mitgliedschaft in Nordrhein-Westfalen weder bejubelt noch besonders heftig kritisiert zu werden scheint, gab es bei der IG Metall in Baden-Württemberg lange Gesichter.
In der Verhandlungsrunde waren schon Arbeitgebermodelle zur Verbesserung der Altersteilzeit im Gespräch. Die GewerkschafterInnen erwarteten, dass eine Einigung, die der inhaltlichen Qualität der Brücke Jung/Alt entsprechen würde, nicht ohne Warnstreiks zu erreichen sei. Auch wenn das nordrhein- westfälische Ergebnis jetzt in den wesentlichen Zügen übernommen wurde, riefen Flugblätter dazu auf, die Inhalte der Einigung in den Betrieben zu diskutieren.
Obwohl dieser Abschluss eine Absage an jede Tarifpolitik ist, die den Kampf gegen Erwerbslosigkeit ernst nimmt, stellte sich Klaus Zwickel hinter Harald Schartau. Hier schlägt die Angewohnheit Zwickels, Ideen pressewirksam in die Welt zu setzen, ohne dass vorher eine breite Debatte in der Mitgliedschaft geführt wird, auf ihn selbst zurück. Solche Versuche, seiner Rolle als Vorsitzender einer Organisation gerecht zu werden, die nicht nur betriebspolitische sondern auch gesamtgesellschaftliche Ziele auf die Fahnen geschrieben hat, können dann schnell durch die mächtigen Betriebsleiter ausgehebelt werden.
Beschäftigungpolitisch bringt der Abschluss wenig, er verbilligt sogar den Personalabbau. Drei Jahre lang wird auf arbeitszeitpolitischer Ebene Stillstand herrschen, wobei die Gefahr besteht, dass sich in dieser Zeit Konzepte wie Mehrarbeitsguthaben, um früher in Rente gehen zu können, in der innerorganisatorischen Debatte immer mehr durchsetzen.
Auch hat sich das Drohpotenzial, das Bündnis für Arbeit zu verlassen, mit diesem Abschluss drastisch verringert. Der hier demonstrierte "Sinn für Realitäten" ist ganz nach dem Geschmack der anderen Teilnehmer.
Auch wenn es vorübergehend zu Unstimmigkeiten zwischen Harald Schartau und Berthold Huber, dem baden-württembergischen IG-Metall-Chef, gekommen ist, werden beide bei der Besetzung der IG- Metall-Spitze in drei Jahren ein gewichtiges Wort mitzureden haben, nicht gegeneinander, sondern als Doppelpack. Es sei denn, Schartau wechselt nach den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen am 14.Mai als Arbeits- und Sozialminister ins Kabinett von Clement, wie in der Presse bereits vermutet wurde.
Udo Bonn


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