Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-
Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.8 vom 14.03.2000, Seite 2

Rentenkürzung

‘Sozial verträglich‘

von ROLF EULER

Seit einigen Monaten verhandelt die SPD-Grünen-Regierung mit der CDU-Opposition hinter verschlossenen Türen über die Zukunft der Renten. Arbeitsminister Walter Riester hatte "zugesagt", dass nach den zwei Jahren, in denen die Renten nur im Maße der Inflationsrate angepasst werden sollen, im Jahre 2002 zur Nettolohnberechnung gemäß der bisher gültigen Rentenformel zurückgekehrt werden solle. Das wollen weder die Unternehmer noch die Grünen oder die CDU so hinnehmen. Diese Gruppen befürchten ein zu starkes Ansteigen der Renten, so dass in zwanzig bis dreißig Jahren Beiträge von über 23% fällig würden.
Damit wird die nächste Rentenlüge dieser Regierung schon vorbereitet: Denn selbst wenn es bei der Rückkehr zur "alten Rentenformel" bliebe kann der jeweilige Erhöhungssatz über eine andere Berechnungsgrundlage des Nettolohns manipuliert werden.
Riester möchte gerne private Vorsorgeaufwendungen in die Berechnung einbeziehen, was zu einem deutlich niedrigeren Nettolohnanstieg und damit erneut zu weiterhin niedrigeren Rentensteigerungen führen würde. Weiter besteht die Möglichkeit auf europäische Berechnungsmethoden zurückzugreifen, die gegenüber der bisherigen innerdeutschen Berechnungsmethode schon im letzten Jahr zu einem geringeren Anstieg der Nettolöhne führten - ein statistischer Kunstgriff, der den Rentenkassen Milliarden erspart.
Alle neuen Modelle von Altersversorgung müssen daher unter dem Gesichtspunkt der Kürzung der gesetzlichen Renten beurteilt werden. Hierunter fällt auch das Drängen der Privatwirtschaft auf eine Altersversicherung über Investmentfonds. Nach amerikanischem Modell sollen die Sozialrenten durch Anteile an Kapitalfonds ergänzt werden. Wenn sich diese Entwicklung, angeheizt durch die jetzige Spekulation in Aktien, durchsetzen sollte, werden den zukünftigen RentnerInnen erhöhte Beiträge außerhalb der paritätisch finanzierten Rentenversicherung aufgebürdet. Zusätzlich erhalten sie niedrigere Renten aus der Sozialversicherung und tragen das Kapitalmarktrisiko.
Alle diese Rentenkürzungen sind in den "Konsensgesprächen" schon angedacht. Um die Lohn- und Sozialkosten zu drücken, ist der politischen Führung jedes Mittel recht.
Der mangelnde Widerstand gegen die laufenden Rentenkürzungen hat Schröder und Co. Mut gemacht, weiter auf diesem Weg zu gehen. Leider nutzen die Gewerkschaften diese Absichten nicht, um aufzuklären und dagegen zu mobilisieren. Im Gegenteil: wenn es um die zusätzlichen privaten Versicherungsmöglichkeiten geht, möchten sie mit im Boot sein. Heinz Putzhammer vom DGB-Vorstand erklärt in einem Interview, dass die Gewerkschaften mitbestimmen müssten, wenn das Geld ihrer Mitglieder angelegt würde. Zusätzliche Altersvorsorge in Fonds, die maximalen Gewinn vor allem durch den Abbau von Arbeitsplätzen in den Beteiligungsunternehmen erwirtschaften können, soll durch Mitbestimmung "sozialverträglich" gestaltet werden.
Es ist nicht zu sehen, wie der Shareholder-Kapitalismus eine krisenfeste Altersversorgung der jetzigen Generation schaffen soll, aber das stört die Verteidiger der neoliberalen Sozialpolitik nicht besonders. Nur beteiligt wollen sie sein. Aber das wird keine einzige Kürzungsmaßnahme verhindern.


zum Anfang