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Nach ihrer Vertreibung am Ende des NATO-Kriegs ist die serbische Bevölkerung im Kosovo in vier
Enklaven zerstreut: Gracanica, Mitrovica, Orahovac und Gorazdevac. Dort unterhalten serbische Milizen auch weiterhin Waffenbestände
zu ihrer "Selbstverteidigung". In den serbischen Enklaven operieren die Belgrader Parteien, allerdings mit wachsenden Differenzen
in ihren Reihen; seit Mitte Februar sind auch Parteien der Opposition dort präsent. In Serbien existiert eine Parallelregierung serbischer
Kosovaren, die von der Zentralregierung unterstützt wird.
Sprecher der Kosovo-Serben - allerdings ohne Wahlfunktion - ist Oliver
Ivanovic, ehemaliger Betriebsdirektor im Kosovo, der keiner Partei zugehört, politisch aber der JUL (der Partei von Mira Markovic, der
Frau von Milosevic) nahestehen soll. Die serbische Bevölkerung ist in der Frage, ob sie sich an der neuen UN-Regierung, dem
Transitional Administrative Council of Kosovo, beteiligen soll, gespalten.
Der Serbische Nationalrat von Gracanica, unter Führung des
orthodoxen Bischofs Artemije und von Momcilo Trajkovic, ist dafür (Trajkovic stand Anfang der 90er Jahre Milosevic sehr nahe und
war der erste Gouverneur von Kosovo nach der Aufhebung von dessen Autonomie). Der Nationalrat von Mitrovica ist dagegen, ebenso
serbische Politiker im Kosovo, die wie Ivanovic den Machtstrukturen in Belgrad nahestehen. Letztere befürworten eine Aufteilung
Kosovos in ethnisch getrennte Kantone.
Bischof Artemije, der Vorsitzender des Serbischen Nationalrats von
Kosovo (SNV) ist, tritt hingegen dafür ein, dass der Status von Kosovo eingefroren werde, "bis es in Serbien einen demokratischen
Wandel gegeben hat".
Auch die in Kosovo operierenden Oppositionsparteien durchzieht derselbe
Konflikt. Für dessen Lösung spielt unter anderem eine Rolle, wie die KFOR sich in Mitrovica verhält. Der SNV ist sich
jedoch darin einig, dass es ohne eine Änderung des Regimes in Jugoslawien für die Kosovo-Serben keine Zukunft geben wird.
Anfang des Jahres hat der UN-Beauftragte Bernard Kouchner den Kosovo-
Serben einen Vorschlag für eine lokale Selbstverwaltung unterbreitet, der sich "Programm der Koexistenz - die Kanzleien der
nationalen Minderheiten in Kosovo" nennt.
In örtlichen Kanzleien sollen die Serben alle notwenigen
administrativen Funktionen am Ort abwickeln können, ohne sich in die Städte begeben zu müssen, wo sie sich unsicher und
gefährdet fühlen. Die Kanzleien würde die unterschiedlichsten Aufgaben wahrnehmen: Gesundheitsversorgung, Unterricht,
Kataster, Immobilienverwaltung, Amtsgerichtsbarkeit, Polizei. In den serbischen Enklaven sollen internationale und serbische Polizisten
Patrouille schieben, die den Ausbildungskurs für Polizisten im Kosovo absolviert haben.
Der Vorschlag ist im SNV auf breite Zustimmung gestoßen, allerdings
fordert der SNV von Mitrovica, dass damit nicht das Einverständnis für eine Beteiligung an der UN-Regierung verbunden sein darf.
Allerdings bindet auch Bischof Artemije seine Zustimmung zu dem Eintritt an "eine größere Sicherheit für die
verbliebenen Serben und die Rückführung der 200000 vertriebenen Serben, ohne die weder an eine Volkszählung noch an
Wahlen zu denken ist" (Notizie Est unter Berufung auf Danas, Nin und AFP).
Es sind auch alle Kosovo-Serben dafür, dass die Provinz wieder voll
in Serbien integriert wird und die jugoslawische Polizei und Armee nach Kosovo zurückkehrt. In einem Interview mit der serbischen
Zeitung Danas am 3.März hat der Kommandant der Dritten Jugoslawischen Armee, Vladimir Lazarevic, hat diesen Anspruch unter
Berufung auf die UN-Resolution noch einmal bekräftigt:
"Die jugoslawische Armee hat ein legitimes Recht [nach Kosovo]
zurückzukehren, weil der UN-Sicherheitsrat die Souveränität Jugoslawiens über Kosovo und Metohija garantiert hat
und es den internationalen Streitkräften nicht gelungen ist, die Lage dort zu stabilisieren, wozu sie verpflichtet waren."
Einschränkend fügt er hinzu: "Eine gewaltsame Rückkehr ist jedoch die letzte Option." Er setzt darauf, dass die
UN-Resolution 1244 endlich umgesetzt wird und dass man "beginnt, die Souveränität Jugoslawiens wie auch den serbischen
Faktor zu respektieren und eine politische Lösung für Kosovo und Metohija zu suchen."