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Es war eine Premiere: zum ersten Mal trafen sich Spitzenpolitiker der EU und des afrikanischen Kontinents zu
einem gemeinsamen Gipfel. Gleichzeitig war das Treffen Anfang April das Schlusslicht in einer Reihe von "strategischen
Partnerschaften" der EU, die zuvor schon zu gemeinsamen Gipfeln mit den ASEAN-Staaten und Lateinamerika geführt hatten. Im
Gegensatz zu den anderen "Gipfeln der Partnerschaft" hatte der Gipfel in Kairo, an dem die 15 EU-Staaten und 52 afrikanische
Staaten teilnahmen, jedoch allenfalls Symbolcharakter und beschränkte sich größtenteils auf Willensbekundungen. Das konnte
auch der von Bundeskanzler Gerhard Schröder angekündigte bilaterale Schuldenerlass für die dreißig ärmsten
Länder des Kontinents von 700 Millionen Mark kaum verhüllen.
Angesichts von geschätzten 700 Milliarden öffentlicher und
privater Auslandsschulden Afrikas hat Schröder seinen Vorschlag, den er noch dem Bundestag vorlegen muss, medienwirksam in Szene
gesetzt. Er bezeichnete die Verschuldung zwar als eine "schwere Hypothek", betonte gleichzeitig aber die Eigenverantwortung der
afrikanischen Länder, "die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaften zu stärken", um ihre Entwicklungschancen zu
verbessern. Mit einer Rückzahlung der 700 Millionen Mark hätte man ohnehin nicht mehr gerechnet, so Schröder im
Deutschlandfunk. Andere EU-Länder, u.a. die Niederlande und Frankreich, wollen Schröders Beispiel folgen und erwägen
ebenfalls einen bilateralen Schuldenerlass.
Schon im Vorfeld des Gipfels hatte der für auswärtige
Angelegenheiten zuständige EU-Kommissar Chris Patten das Anliegen einiger afrikanischer Regierungschefs nach einem generellen
Schuldenerlass und der Öffnung des EU-Marktes für Textilien und Agrarprodukte aus Afrika zurückgewiesen.
"Natürlich werden wir über Verschuldung und verwandte Themen sprechen", so Patten, aber man könne keine
Entscheidungen anderer Institutionen vorwegnehmen, die schon über Handel, Schulden und entwicklungspolitische Angelegenheiten
verhandelten.
Folglich konzentrierten sich die EU-Vertreter auf Fragen der
Menschenrechte, Demokratie, Armutsbekämpfung und Korruption (in Afrika). Einige afrikanische Teilnehmer warfen der EU deshalb
vor, sie wollten Afrika "herumkommandieren", während die EU kaum bereit sei, einen Beitrag zur Lösung ihrer
wirtschaftlichen Probleme zu leisten.
Österreichs Aussenministerin Benita Ferrero-Waldner (FPÖ)
stellte sogar die ohnehin schon reduzierte EU-Entwicklungshilfe zur Disposition, wenn es den afrikanischen Regierungen nicht gelänge,
dass "das Geld gut ausgegeben" werde.
Der Ankündigung, man wolle mit dem Gipfel dem afrikanischen
Kontinent "eine gemeinsame Identität" geben, widerspricht die politische Praxis der EU gegenüber den afrikanischen
Staaten. Im AKP-EU-Abkommen, dem alle afrikanischen Nationen ausser denen des Nordens angehören, wird die EU mit der
voraussichtlichen Unterzeichnung im Mai eine "Regionalisierung" vorantreiben und sich die Rosinen für die wirtschaftliche
Zusammenarbeit herauspicken.
Das signalisierte auch die erste Afrikareise des deutschen Aussenministers
Joseph Fischer, der neben einem Pflichtbesuch in Mosambik die Länder Nigeria und Südafrika besuchte, die als die lukrativsten
Handelspartner ausserhalb Nordafrikas gelten. Mit Südafrika unterhält die EU bereits heute gesonderte Beziehungen, die
kürzlich in einem Abkommen besiegelt wurden. Dasselbe gilt für die Mittelmeeranrainerstaaten, mit denen die EU im sog.
Barcelona-Prozess auch wirtschaftspolitische Angelegenheiten regelt.
Der ägyptische Staatspräsident Mubarak wollte den
Gästen aus Europa jede Unannehmlichkeit ersparen. Allein 50000 Sicherheitskräfte - weit mehr als während des
Papstbesuches im Februar - waren in Kairo stationiert, um für die körperliche Unversehrtheit der Delegierten zu sorgen. Mubarak
wollte aber auch auf dem Gipfel selbst tunlichst vermeiden, alte Gräben zwischen den ehemaligen Kolonien und den sieben
teilnehmenden Kolonialstaaten aus Europa aufzubrechen.
Wie arabische Diplomatenkreise berichteten, führte er deshalb schon
im Vorfeld des Gipfels Gespräche mit dem libyschen Präsidenten Gaddhafi. In seiner Eröffnungsrede betonte Mubarak die
politischen und ökonomischen Freiheiten, die sich im Laufe der letzten Dekade in vielen afrikanischen Ländern durchgesetzt
hätten und appellierte an die EU, ihre "helfende Hand" zu reichen.
Gaddhafi benutzte hingegen sein Rederecht, das übrigens jeder
Staatschef auf diesem Gipfel genoss, um den Europäern "Heuchelei" vorzuwerfen. Er kritisierte insbesondere die
europäische Kolonialisierung und ihre Folgen für den afrikanischen Kontinent. Die EU-Staaten seien "kapitalistische Lakaien
der USA und Gefangene der NATO" und wollten mit ihrer Mittelmeerpolitik die Afrikaner spalten, so Gaddhafi. Investitionen dienten vor
allem der Ausbeutung afrikanischer Staaten. Nach Angabe von Presseagenturen nahmen viele Staatschefs seine Rede mit Heiterkeit und
Kopfschütteln auf und bezeichneten sie als eine "Attacke alten Stils".
Das hinderte einige jedoch nicht daran, Zweiergespräche mit
Gaddhafi zu führen. Europäische Spitzenpolitiker wie der Kommissionspräsident, der irische Ministerpräsident, der
italienische Premier, der britische Außenminister und der deutsche Bundeskanzler sprachen mit Gaddhafi unter vier Augen über
"wirtschaftliche Angelegenheiten".
Der zum Abschluss des Gipfels verabschiedete Aktionsplan liest sich wie
eine Wunschliste vieler Nichtregierungsorganisationen: Schutz der Menschenrechte, finanzielle Unterstützung von
Menschenrechtsorganisationen, Zusammenarbeit beim Aufbau von Demokratien in Afrika, europäische Hilfe bei der Beseitigung von
Landminen, Eindämmung von Kleinwaffenlieferungen in Konfliktregionen, medizinische Betreuung beim Kampf gegen AIDS und
gemeinsamer Kampf gegen die Armut.
Durch die Vertiefung der Handelsbeziehungen mit der EU soll Afrika
zudem besser in die Weltwirtschaft integriert werden. Joint Ventures und die Steigerung der afrikanischen Produktionskapazitäten sollen
den Weg dorthin ebnen. Die Grundzüge des Aktionsplans hatten die Außenminister der teilnehmenden Länder schon vor
Beginn des Gipfels ausgehandelt. Vertreter der EU-Kommission, denen der Aktionsplan frühzeitig vorlag, erklärten
gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung schon Ende März, "dieser enthalte alles unter der Sonne, bleibe aber rechtlich
unverbindlich".
Gerhard Klas