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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.10 vom 11.05.2000, Seite 1

NRW-Wahl

Druck von links

Arbeits- und Bildungspolitik sowie die rassistisch gefärbte Kampagne der Rüttgers-CDU waren die Hauptthemen des Wahlkampfs im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW, aber nirgendwo kam richtig Drive auf, Niveau war kaum zu spüren. Die meisten der Wahlwerbesprüche sind absolut austauschbar. Nur wenige Tage vor den Landtagswahlen am 14.Mai scheinen noch 40 Prozent der WählerInnen unentschlossen zu sein, wem sie ihre Stimme geben.
Die Rüttgers-CDU hat keine Aussichten, eine Fortsetzung der SPD- Grünen-Koalition unter Clement ist wahrscheinlich. Ein Wiedereinzug der FDP könnte den Spielraum des stark neoliberal eingefärbten Clement-Kurses erheblich erweitern. Spannend wird das Abschneiden der PDS, die erstmals bei einer NRW-Landtagswahl antritt und noch an den inneren und äußeren Folgen des Münsteraner Parteitreffens laboriert. Sie ist die einzig wählbare Alternative.
Die SPD hat nach den spektakulären Einbrüchen bei der Kommunalwahl vom September letzten Jahres, nach einer katastrophal niedrigen Wahlbeteiligung und massiver Enttäuschung über den Schröder-Kurs zwar wieder Tritt gefasst, aber sie trifft auf alles andere als optimistische Unterstützung. Parteibasis und Stammwählerschaft waren offenbar nur schwer zu mobilisieren.
Was dieser SPD derzeit hilft, dafür kann sie praktisch nichts. Es sind ausschließlich die Krise der CDU und die erholte Wirtschaftslage. Gerade Clement steht für eine Radikalisierung der Schröder-Politik im Bund. Bei der Unternehmensteuersenkung, beim Sozialabbau, bei der großzügigen politischen Förderung und Subventionierung zweifelhafter bis unsinniger Technologien wie dem Oberhausener Trickfilmstudio, dem Transrapid, Garzweiler II, der Auto-Vorrang-Politik, beim Zusammenschieben von Konzernen mit marktbeherrschender Stellung wie Thyssen-Krupp usw.
Die Misere der Bildung, die er jetzt so vehement angehen will, hat die Landesregierung maßgeblich mitzuverantworten. Und in ihrer moralischen Einstellung steht manch hochrangiger "Genosse der Bosse" den Hütern der schwarzen Kassen bei der CDU kaum nach: West-LB-Flugskandal, falsche Abrechnungen, Verfälschung von öffentlichen und Parteibilanzen geben Zeugnis davon. Der langjährige Finanzminister Schleußer musste deshalb gehen. Ein Alptraum, wenn für diese SPD der Traum ihres Parteigenerals Müntefering in Erfüllung ginge und sie in NRW wieder allein regieren könnte!
Die CDU - noch schwer angeschlagen nach der wiederholten Aufdeckung ihrer kriminellen Finanzpraktiken und kaum damit fertig, einen Generationenwechsel in der Parteiführung zu organisieren - schickt ausgerechnet den Kohl-Freund und Merkel-Gegner Rüttgers ins Rennen. Motto: "Neue Politiker (!) braucht das Land" und "Zukunft kann auch menschlich sein".
Wie neuartig es dieser als Mensch verkleidete Ex-Zukunftsminister dann anpackte, zeigte sein Beitrag zur Diskussion um die Anwerbung von Computerfachleuten: "Kinder statt Inder". Die faschistoide Hetzparole prangte in NRW wochenlang auf den Plakaten der REP - mit dem Zusatz: "Wir halten, was andere nur versprechen".
Auch in der Verkehrspolitik nur der einfallslose und jeder ökologischen und sozialen Ratio hohnsprechende Wiederaufguss von ADAC-Parolen: "Straßenbau statt Dauerstau".
Die Demagogie der CDU gegen eine neue Einwanderung läuft allerdings voll gegen einschlägige Wirtschaftsinteressen und hat zu einem für sie sehr negativen Medienecho geführt. Dies und die innerparteilichen Machtkämpfe lassen bereits absehen: Nach der Wahlniederlage wird Rüttgers von der politischen Bühne in NRW verschwinden.
Die Grünen kandidieren ohne ihren "linken" Flügel, haben die großen politischen Streitpunkte mit der SPD zurückgenommen, akzeptieren in rasantem Tempo neoliberale Positionen in der Steuer- und Sozialpolitik, signalisieren sogar Zustimmung bei Clements Lieblingsspielzeug, dem "Transrapid" (neuerdings "Metrorapid" für das Ruhrgebiet) - "wenn er sich rechnet". Wie vieles an zweifelhaften Investitionen hat sich nicht "gerechnet" und wurde trotzdem durchgepaukt?
Die PDS tritt das erste Mal zu einer NRW-Landtagswahl an, in 148 von 151 Wahlkreisen. Nach dem Erfolg bei den Kommunalwahlen im letzten Jahr und nach dem offenen Hauskrach im Gefolge des Münsteraner Parteitags um bewaffnete UNO-Einsätze sowie dem angekündigten Rückzug von Gregor Gysi und Lothar Bisky heißt es erneut: den Westen testen und "Jetzt erst recht".
Auf der Basis eines umfassenden linken Sachprogramms will die PDS allen eine Alternative bieten, die über die ausgebliebenen Politikwechsel im Bund und in NRW enttäuscht sind. Die Kandidatinnen und Kandidaten stellen eine gute und kompetente Mischung dar. Mit Annette Falkenberg steht eine aktive (parteilose) HBV-Kollegin, bekannt durch die Kampagne für die Rechte der Beschäftigten bei der Citibank, an der Spitze. Reale Aussichten auf einen Einzug in den Landtag hegt allerdings kaum jemand.
Die Wirkung der noch bestehenden undemokratischen 5-Prozent-Klausel ist absehbar und der Parteiaufbau in NRW noch nicht weit genug vorangeschritten. Aber einen Achtungserfolg wollen jetzt alle in der Partei. Die NRW-Wahlkampfleitung bilanziert eine beachtliche Resonanz, und die Open-air-Veranstaltungen mit Parteiprominenz sind recht gut gelaufen. Die Anfeindungen früherer Jahre sind weitgehend verschwunden. Jede Stimme für die PDS ist eine Stimme für soziale Gerechtigkeit und Druck von links.

Hermann Dierkes


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