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Wohl in kaum einem anderen Industrieland wurde die Erwerbstätigkeit von Frauen mit Kindern politisch
so gezielt unterlaufen wie in der alten BRD. Das wirksamste Instrument, ihnen die Erwerbsarbeit zu verleiden, war die Weigerung der
Kommunen, ausreichend Betreuungseinrichtungen für Kinder bereit zu stellen.
Ein zusätzliches Handicap für berufstätige Frauen ist das
seit 1986 geltende Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG). Gerade der scheinbar so großzügig bemessene Erziehungsurlaub
drängt sie vom Arbeitsmarkt:
Das BErzGG sieht in seiner geltenden Fassung vor, dass Mütter oder
Väter nach der Geburt eines Kindes zwei Jahre lang monatlich ein einkommensabhängiges Erziehungsgeld erhalten, je nach
Haushaltseinkommen maximal 600 DM. Voraussetzung ist, dass die Person, die Erziehungsgeld bezieht, nicht erwerbstätig ist oder mit
höchstens 19 Wochenstunden Teilzeit arbeitet. Um den Berufsausstieg zu erleichtern, haben in dieser Zeit Arbeitnehmerinnen (oder
Arbeitnehmer) einen Rechtsanspruch auf drei Jahre Erziehungsurlaub mit Beschäftigungsgarantie.
Dass auch Väter Erziehungsurlaub nehmen können, hatte von
Anfang an so gut wie keine praktische Bedeutung. Drei Jahre Berufsunterbrechung für ein Taschengeld von 600 DM, um sich
Karriereknick, Statusverlust und berufliches Abstellgleis einzuhan-deln, dafür lassen sich nur wenige Männer begeistern. So hat
denn auch in all den Jahren der Anteil der Väter, die Erziehungsurlaub genommen haben, die Zweiprozentmarke nie überschritten.
Dagegen nehmen mehr als 90 Prozent aller Arbeitnehmerinnen nach der
Geburt eines Kindes Erziehungsurlaub - und alle negativen Konsequenzen in Kauf. Oft stellt sich die nur vorübergehend geplante
Unterbrechung als Berufsausstieg von unbestimmter Dauer heraus: Die Hälfte der Erziehungsurlauberinnen kehrt nach Ablauf der drei
Jahre gar nicht mehr in Erwerbsleben zurück.
Das Gesetz wurde von Anfang an auch von Frauen der SPD und der
GRÜNEN kritisiert. Da wäre es nur konsequent gewesen, wenn die Parteien jetzt, da sie die Regierungskoalition stellen, eine
Reform vorgelegt hätten, die Mängel behebt. Der im April in den Bundestag eingebrachte Gesetzentwurf zur Änderung des
Bundeserziehungsgeldgesetzes erinnert jedoch an die alte Devise früherer CDU-Regierungen: "Keine Experimente!"
Unter anderem ist vorgesehen,
- die Einkommensgrenze für das Erziehungsgeld um 10-12%
anzuheben;
- das Erziehungsgeld zu budgetieren. Bei einer Bezugsdauer von nur einem
Jahr soll es 900 DM betragen;
- den Erziehungsurlaub zu flexibilisieren. Das dritte Jahr kann bis zum
achten Geburtstag des Kindes genommen werden;
- die zulässige Teilzeitarbeit ab einer bestimmten
Betriebsgröße auf 30 Wochenstunden zu erhöhen.
- Die Gesamtzeit von drei Jahren kann zwischen den Eltern so aufgeteilt
werden, dass beide gleichzeitig Erziehungsurlaub nehmen können.
Ob diese zaghaften, zum Teil längst überfälligen
Änderungen die Fehler des BErzGG hinreichend korrigieren oder gar mehr Männer in den Erziehungsurlaub locken können,
bleibt abzuwarten. Größtes Hindernis ist, dass das Erziehungsgeld nach wie vor auf Taschengeldhöhe bleibt. Dafür
wird auch heute kein Mann zu Hause bleiben. Und Frauen werden finanziell vom Partner oder vom Sozialamt abhängig sein - alles wie
gehabt.
Die PDS fordert dagegen ein "Vereinbarkeitsgesetz". Es zielt
auf eine Änderung des Arbeits-marktes:
- Wer erwerbstätig ist und ein Kind bis zu 14 Jahren versorgt, soll
Anspruch auf Freistellung in Form eines Zeitkontos von 12 Monaten erhalten. Die Zeit kann am Stück oder in einzelnen Teilen genommen
werden und verfällt erst, wenn das Kind 14 Jahre alt ist. Während der Freistellung wird eine Lohnersatzleistung gezahlt. Das
Zeitkonto gilt individuell und ist zwischen den Eltern nur in Ausnahmefällen übertragbar.
- Zusätzlich hat jeder der Eltern (bei allein Sorgeberechtigten auch
eine andere Bezugsperson) ein Zeitkonto von sechs Monaten. Dafür ist eine Grundsicherung vorgesehen. Die sechs Monate sind zwischen
den Berechtigten übertragbar.
- Wer ein Kind unter 14 Jahren versorgt, hat außerdem das Recht,
seine Arbeitszeit um ein Viertel zu kürzen.
Lohnersatzleistung und Grundsicherung verhindern, dass Familien
während der beruflichen Freistellung größere finanzielle Einbußen haben und dass allein Erziehende von Sozialhilfe
abhängig werden.
Das beste Vereinbarkeitsgesetz ist allerdings nutzlos, wenn die Frage der
Kinderbetreuung nicht gelöst ist. Deshalb hat die PDS-Bundestagsfraktion zeitgleich einen Antrag in den Bundestag eingebracht zum
"Ausbau eines bedarfsgerechten und öffentlich geförderten Betreuungs- und Freizeitangebotes für Kinder bis zu 14
Jahren". Er will allen Kindern einen Rechtsanspruch auf Betreuung einräumen. Damit dieser nicht einseitig zu Lasten der
Kommunen geht, sollen Betreuungs- und Freizeiteinrichtungen in den Katalog der Gemeinschaftsauf-gaben des Grundgesetzes aufgenommen und
vom Bund mitfinanziert werden.
Gunhild Gutschmidt