Sozialistische Zeitung |
Wie in Seattle bei den WTO-Verhandlungen und in Washington bei der Tagung von Internationalem
Währungsfonds (IWF) und Weltbank kam es auch am 1. Mai wieder zu Protestaktionen. London war der Ort für die
spektakulärste Aktion: In der britischen Hauptstadt wurde ein McDonalds-Restaurant ausgeräumt, des Weiteren ein Churchill-
Denkmal beschmutzt und Rasen aus dem Hyde-Park auf den Parliament Square verpflanzt. Erst vor einem Jahr hatten in Londons Finanzdistrikt
Demonstrationen stattgefunden. Damals gingen Scheiben zu Bruch und Geschäfte wurden demoliert.
Begonnen hatte die Aktion in London mit einem "Karneval gegen
Junkfood" vor einer McDonalds-Filiale. Die AktivistInnen verschiedener Tierrechtsgruppen und Initiativen gegen Gentechnik verteilten
kostenlos vegetarische Burger. Damit sollte auf Alternativen zu den "genmanipulierten McDonalds-Produkten", so die
AktivistInnen, aufmerksam gemacht werden. Organisiert wurden die Aktionen in London von der Gruppe Reclaim the Streets.
Der britische Premierminister Tony Blair verurteilte die Aktionen. Nur
durch den Mut und die Tapferkeit der im Krieg Gefallenen könnten "diese Idioten" überhaupt in einem freien Land
leben, erklärte er in Hinblick auf die Verunstaltung der Churchill-Statue. Innenminister Jack Straw erklärte, niemand habe das
Recht, gewalttätig zu demonstrieren und Menschen oder Eigentum anzugreifen. Nach Angaben von Scotland Yard wurden in London 42
Personen festgenommen. John Jordan, ein Sprecher von Reclaim the Streets, erklärte, es habe sich eher um eine Feier der
Antikapitalismusbewegung gehandelt als um eine Protestaktion.
Auch Manchester war Schauplatz von antikapitalistisch motivierten
Aktionen. Laut Berichten griffen rund 250 DemonstrantInnen Geschäfte und Fast-Food-Restaurants an, 20 Personen wurden
festgenommen. Zeitweise soll der Verkehr an einer Kreuzung durch eine Sitzblockade lahmgelegt worden sein.
In New York verhaftete die Polizei rund 20 Personen bei einer
angemeldeten Mai-Demonstration. Rund 600 Menschen waren zur Demonstration am Union Square gekommen. "Menschen vor
Profiten" hieß es in Chicago, wo rund 200 Menschen durch die Stadt zogen. In Moskau gab es einige kleinere Demonstrationen
neben der großen Mai-Kundgebung der "Kommunistischen" Partei der Russischen Föderation.
Die Polizei der südpolnischen Stadt Krakau verhaftete bei einer
Demonstration 14 Personen. Zu den Auseinandersetzungen kam es, nachdem die Polizei den DemonstrantInnen den Weg zum örtlichen
Gefängnis versperren wollte. Jetzt wertet die Polizei laut Agenturmeldungen Videomaterial aus, um vermeintliche Verantwortliche zu
identifizieren. In der Landeshauptstadt Warschau und im Ostseehafen Gdansk demonstrierten Rechtsextremisten, genau so wie im
westpolnischen Poznan, wo Antikommunisten bei einer Demonstration ein Transparent mit der Aufschrift "Alle Roten gehören in
Reservate" trugen.
3000 Arbeiter versammelten sich in Zimbabwe vor der Hauptstadt Harare.
Die Veranstaltung war im Vorfeld verboten worden. Daraufhin hatten die Gewerkschaften die Arbeitenden aufgefordert, zu Hause zu bleiben,
da es keine Garantien gebe, dass die Polizei die DemonstrantInnen schützen würde. Die Gewerkschaften in Südafrika
bekräftigten ihre Pläne für einen Generalstreik im Mai und forderten die Regierung von Zimbabwe auf, sich nicht in
Gewerkschaftsangelegenheiten einzumischen.
Gegen den IWF gingen in der Türkei zehntausende auf die
Straße. "IWF: Das Land steht nicht zum Ausverkauf", war einer der Slogans, die auf Transparenten bei einer Demonstration in
Istanbul zu lesen waren. Nach Presseberichten waren annähernd so viele Polizisten wie Demonstrierende anwesend. Im Südosten
des Landes, in kurdischen Gebieten, wurden Mai-Demonstrationen verboten.
In Lateinamerika wie in Asien waren die schlechten ökonomischen
Bedingungen Thema der Mai-Proteste. Zu Landbesetzungen kam es in Brasilien, wo Landlose gegen die in ihren Augen ungerechte Verteilung
des Bodens demonstrierten. Die DemonstrantInnen forderten auch höhere Löhne und Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit.
Tausende ArbeiterInnen demonstrierten in Indonesien für mehr Freiheiten für Gewerkschaften, höhere Löhne und
bessere Versorgung. In Südkorea ging die Polizei gewaltsam gegen demonstrierende Studierende vor. ArbeiterInnen protestierten dort
gegen den Verkauf des Automobilherstellers Daewoo an ausländische Investoren.
Auch in Indien, Pakistan und Sri Lanka wurde demonstriert. 1000 Arbeiter
gingen in Bangkog für höhere Löhne auf die Straße, die seit der Asienkrise eingefroren sind. In Kambodschas
Hauptstadt Phnom Penh demonstrierten 2000 TextilarbeiterInnen.
Der absolute Nullpunkt gewerkschaftlicher Aktivität wurde in Italien
erreicht: Die Gewerkschaften sagten erstmals in der Nachkriegsgeschichte die Demonstrationen zum 1.Mai ab. Der Grund war eine gleichzeitig
stattfindende Konkurrenzveranstaltung: Der Papst las vor den Toren Roms eine Messe.
Dirk Eckert