Sozialistische Zeitung |
Wenige Tage vor der Landtagswahl trat Ministerpräsident Wolfgang Clement vor die Bergleute der
stillgelegten Zeche Ewald/Hugo in Gelsenkirchen. Das letzte Fördergefäß war gezogen, die letzte Kohlenschicht ausgefahren,
und der Anlass erforderte traurige Gesichter von der Politiker- und Managerriege. Das Versprechen, keiner solle entlassen werden, allen
würde ein Ersatzarbeitsplatz angeboten, ist für die verbleibenden 2000 Kumpel kein Trost.
Vor dem Förderschacht Ewald 7 der Verbundanlage Ewald/Hugo in
Herten wurde am 28.April ein schwarzes Tuch herabgelassen: das letzte Fördergefäß war entleert worden. Getragene
Weisen des Bergmannsorchesters umrahmten die letzten Worte, die dieser Schachtanlage und ihren noch 3000 Kumpels nachgeworfen wurden:
"Wir haben den besten Auslauf hin bekommen", sagte der Werkschef, und lobte die Disziplin und Arbeitsbereitschaft der letzten
Schichten.
Danach fuhren die Stilllegungsgäste nach Buer, zum Hugo-
Hauptschacht. Dort wurden unter Beteiligung von Ministerpräsident Clement (SPD) erneut getragene Worte vorgebracht. Der Dank an die
Bergleute klingt aus diesen Mündern zu abgedroschen, als dass sich noch groß Protest erheben würde. Die Zusicherung, dass
betriebsbedingte Kündigungen weiter vermieden werden sollen - wer mag sie angesichts des beschleunigten Anpassungsprogramms der
RAG AG (früher Ruhrkohle AG) noch glauben?
Die Bergleute bekamen jahrelang keine Lohnerhöhungen, es drohte
sogar Abzug vom Weihnachtsgeld. Aber die Subventionen flossen weiter wie geplant. Die RAG investierte in den USA und in Australien in
hoch profitable Bergwerke - deren Kohle bringt der RAG Profite außerhalb des subventionierten "schwarzen" Bereichs durch
den Weltkohlehandel.
Ein, zwei einsame Protestplakate machten aber auch die Misere der
Bergarbeiterbewegung an der Ruhr deutlich: Den Kumpels scheint aufgrund des massiven Arbeitsplatzabbaus und des ständigen
Anpassungsdrucks das Kreuz zum Widerstand gebrochen. Umschulung, Qualifizierung, Förderung der Selbständigkeit,
Vorruhestand - aus Bergleuten kann man alles machen, heißt die Parole in den Belegschaftsbüros. Und einige
Gewerkschaftsfunktionäre stehen schweigend mit am Schacht, um sich vom Direktor als "verlässlicher Partner" loben
zu lassen, der alle Maßnahmen mit trägt.
1997 arbeiteten noch um die 7000 Leute beim Verbund in Herten und in
Gelsenkirchen-Buer. Nun sind es noch 2000 Bergleute, Handwerker und Angestellte, die die restlichen Arbeiten erledigen. Mehrere Anlagen,
zu denen noch Anfang des letzten Jahres Verlegepläne erstellt wurden, stehen inzwischen selber auf der Stilllegungsliste, allen voran die
Nachbarzeche Blumenthal/Haard in Recklinghausen, die in einem Jahr "dran" ist. Im Herbst wird Göttelborn im Saarland,
Ende des Jahres Westfalen bei Hamm geschlossen. Dazu die Kokerei Kaiserstuhl in Dortmund. Alles zusammen 12000 Arbeitsplätze, die
allein bei der Deutschen Steinkohle AG (DSK) in einem Jahr vernichtet werden. Ein ehemaliger kommunistischer Betriebsrat der Zeche Ewald
schleppte noch einmal ein Sandwich zum Schacht: "Auch im Jahr 2000 heißt Zechenstilllegung die Vernichtung von
Lebensgrundlagen!"
Die eigentlich erst für 2002 geplante Stilllegung von Ewald/
Hugo wurde aus wirtschaftlichen Gründen vorgezogen, so der
ehemalige Arbeitsdirektor der RAG und jetzige DSK-Chef Beermann - Spitzname "Stilllegungsdirektor" - in seiner Abschiedsrede.
Gründe seien der niedrige Welthandelspreis für Kohle und die niedrigen Strompreise, die globalen Umstände eben. Dass die
RAG seit Jahren an diesen globalen Bedingungen heftig mit dreht, verschwieg er genauso wie seine früheren Prognosen, dass bei einem
hohen Dollarkurs die DSK mehr fördern könne, weil die Subventionen sich auf mehr Kohle verteilen ließen.
Genausowenig ging er auf den Vorwurf ein, allein die 2 Milliarden Mark,
die die RAG für das amerikanische Bergwerksunternehmen gezahlt hat, reichten aus, die Arbeitsplätze im nördlichen Revier
noch jahrelang zu halten. Hier werden Subventionen indirekt zweckentfremdet - wenn man überhaupt davon sprechen kann, dass
Subventionen einen anderen Zweck hätten, als den Gewinn der begünstigten Unternehmen zu erhöhen.
Dem Hertener Bürgermeister (SPD) und dem Landrat des Kreises
(CDU) blieb es vorbehalten, die Probleme der Region anzusprechen, die die Stilllegungen hinterlassen. Ansiedlung von Arbeitsplätzen -
das ist die einzige Antwort, die ihnen einfällt. Aber da allein im Kreis Recklinghausen mehrere Städte betroffen sind, die sich
schon seit Jahren um jeden ansiedlungswilligen Unternehmer reißen, wird der Erfolg wohl eher bescheiden sein, auch wenn es bisher
gelungen scheint, viele Bergleute in andere Arbeit zu vermitteln. Dafür suchen dann andere Arbeitslose um so länger - aber das ist
ja nicht mehr das Problem der RAG.
Für die Aktionäre und Wirtschaftsbosse der Ruhrkonzerne ist
das Zechensterben längst kein Grund, die Köpfe hängen zu lassen - ihre Aktienkurse und Fusionspläne erfahren
Auftrieb, ihre Aussichten erscheinen besser ohne den teuren heimischen Bergbau. Und auch viele Menschen in den betroffenen Städten
gehen zur Tagesordnung über - wie soll man sich wehren, wenn keiner zu Widerstand aufruft?
Ein kohlegeschwärzter Schacht mit einem schwarzen Tuch
verhängt: Der 28.April war erneut ein schwarzer Tag für die Bergleute und das Revier.
Adam Reuleaux