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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.10 vom 11.05.2000, Seite 12

Zimbabwe

Mugabes wirkliche Zielscheibe ist die Opposition

Trotz der populistischen Rhetorik von Präsident Robert Mugabe ermutigt die Regierung Zimbabwes keine wirkliche Bewegung für eine radikale Neuverteilung des Landes.
Ziel der vom Staat gebilligten Besetzungen des Landes einiger reicher Farmer ist die Diskreditierung der mit gewerkschaftlicher Unterstützung agierenden Oppositionspartei, der Bewegung für demokratischen Wandel (MDC), und die Bekämpfung ihrer Bestrebungen, die Landbevölkerung zu organisieren. Außerdem soll der Westen, insbesondere Großbritannien, dazu gebracht werden. ein begrenztes Programm der Landnahme zu finanzieren, das der "einheimischen" Kapitalistenklasse zugute kommt, die mit Mugabes Regierungspartei, der Zimbabwe National African Union/Patriotic Front (ZANU-PF), liiert ist.
Die MDC ging aus militanten Massenkämpfen in den Städten hervor, die von der Sparpolitik des Regimes ausgelöst wurden. 1997/98 gab es eine Reihe landesweiter Generalstreiks, zu denen der Gewerkschaftsverband ZCTU aufgerufen hatte, ein dreitägiger Aufstand in Harare gegen die Nahrungsmittelpreise und ausgedehnte Streiks von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, Ärzten, Krankenschwestern und Farmarbeitern. Im März/April 1998 demonstrierten Studierende gegen erhöhte Studiengebühren mit der Losung "Zimbabwes Suharto muss abtreten!" Die Antwort des Regimes waren Schlagstöcke und gezielte Schüsse auf Demonstranten. Protestversammlungen wurden verboten.
Morgan Tsvangirai, der Generalsekretär des ZCTU, wurde nach dem größten Generalstreik im Dezember 1997 von ZANU-Schlägern bewusstlos geschlagen. Ein Versuch der Regierung Ende 1998, Streiks zu illegalisieren, erklärten Gerichten für verfassungswidrig.
Im selben Zeitraum setzte sich die National Constitutional Assembly (NCA) - eine Koalition aus mehr als 150 Organisationen wie der ZCTU oder dem Rat der Kirchen Zimbabwes - an die Spitze einer Bewegung für eine demokratische Reform der Verfassung des Landes. Die NCA veranstaltete öffentliche Hearings, auf denen einfache Bürgerinnen und Bürger ihre Meinungen ausdrücken konnten.
1999 vereinnahmte Mugabe den Prozess der Verfassungsreform mit einer 400köpfigen Kommission aus ZANU-Getreuen. Auf den öffentlichen Anhörungen beider Organe forderten die Bürger mit großer Mehrheit eine Beschränkung der weitreichenden Vollmachten des Präsidenten und eine Stärkung der Rede- und Versammlungsfreiheit sowie des Streikrechts. Im Dezember produzierte Mugabes Kommission einen Verfassungsentwurf, der Mugabes Macht verstärkte statt sie einzuschränken.
Die permanente Anwendung von Repression seitens der ZANU-PF überzeugte die Führung der ZCTU und führende Menschenrechtsaktivisten davon, dass eine politische Alternative erforderlich sei. Die MDC (Movement for Democratic Change) wurde im September 1999 auf einer Massenversammlung in Harare mit 20.000 Werktätigen lanciert. An ihrem Gründungskongress am 29.Januar 2000 nahmen 6000 Delegierte teil. Die Partei behauptet eine Mitgliedschaft von 1,1 Millionen in einem Land von 12,5 Millionen.
Die Gefahr, die die MDC für Mugabes Partei bei den nächsten Parlamentswahlen im Mai oder Juni und bei den Präsidentschaftswahlen 2002 darstellt, war offensichtlich, als - trotz verbreiteter Einschüchterung, Betrügereien bei der Abstimmung und völliger Nichtbeachtung der MDC durch die Medien - der Verfassungsentwurf in einem Referendum am 12./13.Februar deutlich geschlagen wurde.
Entgegen dem Eindruck, den die westlichen Medien und die britische Regierung hervorgerufen haben, war die Landfrage nicht die entscheidende Frage. Von den Zimbabwern wurde das Referendum mehr als eine Abstimmung gegen Mugabe und seine ZANU-PF angesehen.
Eine Klausel im Entwurf, die die entschädigungslose Enteignung privaten Landes vorsah, war für Mugabe nur ein Mittel, Unterstützung von der ländlichen Bevölkerung zu erhalten und die MDC als Marionette weißer Farmer und der britischen Regierung hinzustellen. Es scheiterte kläglich.
Die Stimmenthaltung bei ländlichen Wählern zeigte, wie gering die Glaubwürdigkeit der wiederholten Versprechen Mugabes ist, das Land umzuverteilen. In der Vergangenheit gewann Mugabe Unterstützung mit lauten theatralischen Drohungen, die weißen Farmern gehörenden Plantagen zu konfiszieren, sowie mit demagogischen Ausfällen gegen die weiße Minderheit, die westlichen Regierungen und in jüngster Zeit gegen den IWF und die Weltbank. Doch jedesmal gab Mugabe hinter verschlossenen Türen klein bei und versicherte seinen weißen kapitalistischen Partnern im Lande, den Westmächten sowie ihren Finanzinstitutionen, ihre wirtschaftlichen Interessen nicht zu untergraben.
Vor Zimbabwes Unabhängigkeit 1980 stimmte Mugabe auf Londons Drängen zu, dass das Land reicher weißer Farmer nur auf der Basis gegenseitigen Einverständnisses übereignet werden dürfe. In die Verfassung wurde eine Klausel eingefügt, die Landnahme nur gegen Entschädigung zum marktüblichen Preis erlaubte.
Dies machte eine radikale Landumverteilung unmöglich, aber erlaubte einen "ordnungsgemäßen" Aufstieg der schwarzen Elite - ob durch legalen Kauf oder durch staatliche Korruption und Günstlingswirtschaft - in die Kapitalistenklasse Zimbabwes. Seit 1990 ist faktisch an die Landlosen kein Land verteilt worden - es sei denn an "landlose" ZANU-Bürokraten, Parlamentsabgeordnete, Minister, Offiziere, Mugabes Verwandte oder Geschäftsfreunde.
Etwa 4800 große kommerzielle Farmen - 70% in der Hand weißer Zimbabwer, 20% in der Hand schwarzer Kapitalisten und 10% im Besitz von internationalen Agrobusiness-Unternehmen - machen mehr als 30% der gesamten Fläche Zimbabwes aus und einen weit höheren Anteil des fruchtbarsten Landes (nach Patrick Bond: Uneven Zimbabwe [African World Press, 1998]).
Der Rest ist größtenteils aufgeteilt zwischen 8500 kleinen Farmen in schwarzem Besitz, 57000 Familienparzellen auf neubesiedeltem Land und etwa 1 Million Haushalten, die Land auf den elenden, dicht besiedelten früheren Reservaten bewirtschaften, wohin die schwarze Bevölkerung während des weißen Minderheitsregimes verdrängt wurde. Darüber hinaus gibt es Millionen von landlosen Bauern.
Schockiert durch das Scheitern der ZANU-PF, die eigenen Anhänger auf dem Lande in der Kampagne für das Referendum zu mobilisieren, und durch das Ausmaß der Unterstützung für die MDC in den Städten berief Mugabe für den 18.Februar eine Sonderversammlung der zentralen Leitung der ZANU-PF ein. Dieses Treffen kam zu der Schlussfolgerung, dass das Regime handeln müsse, um die Bauern zu überzeugen, dass sie nicht im Stich gelassen worden seien.
Nach diesem Treffen machte Mugabe die weißen Plantagenbesitzer für die Niederlage des Regimes im Referendum verantwortlich - eine lächerliche Behauptung, denn die gesamte weiße Bevölkerung beträgt weniger als 80.000, und etwa 1,3 Millionen Menschen beteiligten sich an der Abstimmung (weniger als ein Viertel der Wahlberechtigten).
Am 22.Februar verkündete Mugabe im Staatsfernsehen: "Die Landfrage ist nicht gelöst. Die Leute sind wütend, und wenn wir ihrer Wut freien Lauf lassen, werden sie die Farmen besetzen, und die Farmer werden uns bitten sie zu schützen." Dies war das Signal für den Beginn der Farmbesetzungen, und am 29.Februar wurden die ersten 36 Farmen besetzt. Ihre Zahl überstieg rasch die Zahl 1000.
Es gibt kaum Hinweise darauf, dass die Farm"demonstrationen" (wie Mugabe sie genannt hat) spontan abliefen oder auf dem Land einen Massenenthusiasmus geweckt hätten. Fahrzeuge der Regierung und der ZANU-PF karren Mitglieder der Vereinigung der Veteranen des Befreiungskriegs (an deren Spitze das Mitglied des ZK der ZANU-PF, Chenjerai Hunzvi, steht), Mitglieder der Jugendbrigade der ZANU-PF (berüchtigt wegen ihrer gewalttätigen Attacken auf Gewerkschafts- oder Studentendemonstrationen) und arbeitslose Jugendliche und landlose Bauern, die in städtischen Siedlungen rekrutiert wurden, zu den Besetzungen.
Zimbabwes unabhängige Zeitungen haben berichtet, dass Abteilungen der Kriegsveteranen von Angehörigen der 5.Brigade angeführt werden, Mugabes militärischem Arm, der im südlichen Zimbabwe mehr als 30.000 Menschen in den frühen 80er Jahren massakriert hatte. Geheimdienstagenten seien auch beteiligt. Der Zimbabwe Independent berichtete am 21.April, dass Offiziere der Armee die Farmbesetzungen geleitet und logistische Unterstützung geleistet hätten.
Die westlichen Medien haben die Tatsache weitgehend ignoriert, dass die Hauptleidtragenden der Gewalt bisher die schwarzen Landarbeiter und ihre Familien waren. Mugabe und die ZANU-PF wissen, dass die Stimmen der etwa 400.000 Farmarbeiter (die mit ihren Familienangehörigen etwa ein Fünftel der Wahlberechtigten ausmachen) entscheidend sein werden. Viele von ihnen sind Mitglieder der der ZCTU angeschlossenen Gewerkschaft der Landarbeiter (GAPWU).
Das von Mugabe und den "Kriegsveteranen" verbreitete Bild der Farmarbeiter als blinde Werkzeuge der weißen Farmer ist weit von der Wahrheit entfernt. Die Landarbeiter sind die am schlechtesten bezahlten Beschäftigten des Landes, und im Jahre 1997 führten sie einen dreiwöchigen Streik, der ihnen eine 40%ige Lohnerhöhung einbrachte.
Landbesetzungen haben gerade dort stattgefunden, wo Versammlungen der MDC gut von Landarbeitern besucht waren, und es wurden vor allem Farmen angegriffen, deren Besitzer Anhänger der MDC waren. Arbeiterviertel werden nach MDC-T-Shirts und anderes Material durchsucht, die Besitzer geschlagen und MDC-Wahlkampfmaterial zerstört.
Arbeiter werden gezwungen, ihre Taschen zu leeren, um zu beweisen, dass sie keine MDC-Mitgliedsausweise besitzen, und Schläger der ZANU-PF zwingen sie, Versammlungen zur "Umerziehung" zu besuchen, wo sie bedroht und eingeschüchtert werden. ZANU-Aktivisten legen Brände an die Hütten von Landarbeitern. Hunderte Familien sind obdachlos geworden.
Schläger der ZANU-PF haben auch MDC-Aktivisten angegriffen. Demonstrationen und Versammlungen der MDC werden regelmäßig attackiert. Brandanschläge gegen MDC-Büros sind an der Tagesordnung.

Norm Dixon

Aus: Green Left Weekly, Nr.403, 3.5.2000.


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