Sozialistische Zeitung |
Nach monatelangen Verhandlungen haben sich die Europäische Union und China am 19.Mai über
den Beitritt Pekings zur Welthandelsorganisation (WTO) geeinigt. Nach den USA und Japan hat China mit der EU auch vom dritten
großen Handelspartner grünes Licht bekommen. Die vielen Jahre als Anwärterin waren offensichtlich eine gute Schule
für die Volksrepublik, die mit knapp einer Milliarde Menschen den weltweit größten nationalen Markt darstellt.
Denn die Propaganda vom Freihandel hat Peking durchschaut und sich beim
harten Kampf um Mehrheitsbeteiligungen von der EU nicht über den Tisch ziehen lassen. Maximal 49% sind drin, denn ein bisschen
Protektionismus muss sein. Schließlich beruht darauf auch der wirtschaftliche Erfolg der USA und der EU, deren Grenzen alles andere als
durchlässig für Importwaren oder Investitionen sind, die den einheimischen Markt in Turbulenzen bringen könnten.
Nichtsdestotrotz reiben sich deutsche Industriebosse die Hände, denn Telekommunikations-, Autoproduktions- und
Versicherungsunternehmen versprechen sich Milliardengeschäfte.
Die kritischen Stimmen von deutschen Umwelt-, Menschenrechts- und
Entwicklungsorganisationen bleiben wie so oft auf halbem Wege stecken. Michael Baumann von der Nichtregierungsorganisation Germanwatch
ist der Ansicht, man hätte bspw. China in der Menschenrechtspolitik größere Zugeständnisse abringen können.
Dennoch ist er überzeugt von der Notwendigkeit jeder "Stärkung des multilateralen Welthandelssystems", auch durch
die Volksrepublik. Baumann verliert kein Wort darüber, dass vor allem die Integration und damit die Wettbewerbsfähigkeit auf
dem Weltmarkt zur Auflage von Austeritätsprogrammen führen müssen. Und die ökonomischen Daumenschrauben
werden der Milliardenbevölkerung Chinas nicht nur weitere Freiheitsrechte, sondern auch die materielle Grundlage ihrer
Ausübung entziehen.
Ein Weltmarkt mit WTO sei besser als einer ohne die Genfer
Behörde, da sie immerhin gewisse Spielregeln festlege, meint Baumann. Daß diese Spielregeln nicht die der weltweit
ständig wachsenden Masse der Lohnabhängigen sein werden, haben die WTO und die von ihr profitierenden Konzerne schon mehr
als einmal bewiesen. Warum sollte sich der lohnabhängige Teil der Weltbevölkerung also mit aussichtslosen Reformversuchen
dieser supranationalen Institution abmühen, anstatt an der Gewerkschaftsbasis, in Stadtteilen, Netzwerken und revolutionären
Organisationen seine eigenen Strukturen aufzubauen?