Sozialistische Zeitung |
Für eine 100000-Personen-Armee" heißt das Konzept, mit dem sich die PDS in die aktuelle
Debatte über die Zukunft von Bundeswehr und Wehrpflicht einmischen will. Den Umbau der Bundeswehr zu einer "hochmobilen,
weltweit einsetzbaren Interventionsarmee" lehnt die PDS eindeutig ab. Außerdem fordert sie, "die Wehrpflicht
unverzüglich auszusetzen". Innerhalb von "fünf, allerhöchstens aber acht" Jahren solle die Bundeswehr
sozialverträglich auf 100000 Soldaten reduziert werden und dann je zur Hälfte aus Berufs- und Zeitsoldaten bestehen.
Mit ihrem Konzept möchte die PDS einen Beitrag zu einer ihrer
Ansicht nach überfälligen Diskussion über die "deutsche Außen- und Sicherheitspolitik" leisten. Den
Eintrittspreis, den die GenossInnen zahlen müssen, um in der aktuellen Diskussion im Bundestag mitmischen zu dürfen, ist die
Akzeptanz der Bundeswehr wenigstens zur Landesverteidigung. Dafür lehnen sie eine Interventionsarmee um so deutlicher ab.
Nach Ansicht der PDS haben die beiden derzeit diskutierten Modelle zur
Zukunft der Bundeswehr - Wehrpflichtarmee zur Landesverteidigung plus Krisenintervention auf der einen Seite und Abschaffung der
Wehrpflicht und Krisenintervention auf der anderen Seite - gemeinsame Grundlagen: Bei beiden Modellen werde die neue Strategie der NATO
akzeptiert; beide Modelle bejahten eine europäische Militärunion, und schließlich unterstützten beide "den
Anspruch, deutsche Außenpolitik auch mit militärischer Macht gestalten zu wollen". Diese Grundlagen lehnt die PDS
ausdrücklich ab.
Die PDS fordert stattdessen, den Aufbau der Krisenreaktionskräfte
der Bundeswehr rückgängig zu machen und das Kommando Spezialkräfte aufzulösen. Detailliert geht das von Heidi
Lippmann und Gregor Gysi am 17.Mai in Berlin vorgestellte Papier auf die militärische Stärke der NATO ein: Die NATO und ihre
Partner tätigen nach Angaben des Bonn International Conversion Center 1997 49,4% der weltweiten Rüstungsausgaben, besitzen
43,2% der schweren Waffensysteme und unterhalten 30,2% aller Soldaten.
Die Konsequenz daraus lautet für die PDS: Ein Angreifer
benötigt wegen der natürlichen Überlegenheit des Verteidigers im eigenen Land etwa das dreifache Kräftepotenzial
des Verteidigers. Somit könne die NATO 65% ihrer schweren Waffen und Soldaten ohne einen Verlust an Sicherheit abbauen. Noch
größeres Einsparpotenzial gebe es bei den Militärausgaben. Bei einer Reduzierung der Ausgaben um 65% habe die NATO
noch immer eine Überlegenheit von 7,8:1.
Kein Zweifel: Mit der klaren Positionierung gegen Krisenintervention
befindet sich die PDS außerhalb des Berliner Parteienmainstreams. Doch mehr als Verzicht auf Krisenintervention und der Forderung
nach mehr Einsparungen im Bereich Landesverteidigung leistet das Konzept der PDS nicht. Im Gegenteil: einige Themenfelder, die für
die Positionierung der PDS in der aktuellen Politik von Bedeutung wären, finden sich in dem Papier gerade nicht wieder.
So wurden UNO-Einsätze, zu denen es in der PDS
gegensätzliche Positionen gibt, im PDS-Konzept ausgespart bzw. nur in Kurzbekenntnissen zu "Gemeinsamer Sicherheit" und
"Stärkung von UNO und OSZE" angerissen. Nicht fehlen durften dagegen die obligatorischen, nichtssagenden Bekenntnisse zu
"Ziviler Krisenprävention". Mit neu einzurichtenden "Green Corps" will die PDS bei Katastrophen und Konflikte
aktiv werden.
Recht dünn sind auch die hard facts besetzt. Die Auflösung der
Militärbündnisse NATO und WEU wird zwar angestrebt. Als Sofortmaßnahme sollen sie auf reine Verteidigungsfunktion
beschränkt werden. Ausgespart bleibt aber die EU, in der die WEU in den nächsten Jahren aufgehen soll. So gesehen ist es
einigermaßen befremdlich, wenn die PDS die Auflösung der WEU fordert, ohne zu bemerken, dass das im Fahrplan zur
"Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität" längst vorgesehen ist. Zu mehr als einer kurzen Ablehnung
einer "europäischen Militärunion" konnte sich die PDS nicht durchringen. Das lässt sich wohl nur funktional
erklären: das Bundeswehrkonzept der PDS hätte mit näheren Aussagen zur EU und ihrer Militärpolitik in die
europapolitischen Vorstellungen der Partei eingegriffen.
Das PDS-Konzept ist ein Konzept, das die Bundeswehr auf strikte
Landesverteidigung einschwören will. Dabei werden leider auch historische Mythen verbreitet: "Mit dem Bundeswehreinsatz im
Kosovo-Krieg wurde der Bruch mit einem wichtigen Konsens deutscher Politik nach 1945 besiegelt. Dieser besagte, dass Krieg kein Mittel der
Politik sein darf und sich folglich Deutschland militärpolitische Selbstbeschränkungen auferlegen will."
Historisch dürfte dieser behauptete Konsens schwer nachzuweisen
sein. Völlig außer Acht gelassen wird dabei die Kontinuität bundesdeutscher Wiederbewaffnungspolitik nach 1945 bis eben
zum Jugoslawienkrieg. Erst durch diese Politik wurde aber die Neuorientierung in der bundesdeutschen Außen- und Sicherheitspolitik
nach 1989 möglich bzw. realisierbar.
Die Abschaffung der Bundeswehr selbst kommt im PDS-Papier zwar noch
vor, ist aber nur lästige Pflichtbemerkung. Deutlich wurde nach Berichten der jungen Welt Gregor Gysi bei der Vorstellung des Papiers:
"Wir träumen natürlich davon, dass Pakistan, Indien, China, die afrikanischen Staaten und alle anderen beschließen,
künftig ohne Militär auszukommen. In diesem Fall würden wir unsere 100000-Personen-Truppe ebenfalls
auflösen."
Dirk Eckert