Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-
Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.11 vom 25.05.2000, Seite 7

Weltausstellung Expo in Hannover

Schaufenster der Profitgier

Am 1.Juni geht es los: Die erste Weltausstellung auf deutschem Boden. Hannover soll nicht mehr die langweiligste Landeshauptstadt der Bundesrepublik sein. Vielmehr sollen dort Zukunftsentwürfe im Maßstab 1:1 präsentiert werden. Doch auch bürgerliche Zeitungen kratzen bereits an der schimmernden Fassade einer Weltausstellung, die für alle Probleme dieser Welt eine technische Lösung parat hat. So beschrieb die Zeit eine Familie - Mutter, Vater und zwei Kinder - die einen Tag die Expo besucht und dabei darauf achtet, dass sie nur die preisgünstigsten Angebote wahrnimmt und in einem Low-Budget-Hotel übernachtet. Am Ende ist sie allerdings einen guten Tausender los. Die Preispolitik der Expo und der Bahn, die Wochenendticket und Guten-Abend-Ticket für den Großraum Hannover während der Expo außer Kraft setzt, sind allerdings nur die Oberfläche eines Eisbergs, der die Ausmaße seiner wirklichen Gefährlichkeit geschickt unter der Oberfläche verbirgt.
Seit Wochen sind die Propagandisten der Expo GmbH in die Offensive gegangen: Die Zeit der Pannen sei nun vorbei, jetzt beginne die Zeit der Events. Wibke Bruhns, Pressesprecherin der Weltausstellung, verkündete über den WDR: "Die Deutschen haben gar nicht die Fähigkeit, sich einmal vorbehaltlos zu freuen." Dabei soll doch von der ersten Weltausstellung auf deutschem Boden nur Festivalstimmung und Freude am Leben ausgehen. Der Reporter braucht nicht einmal weit zu bohren und schon gibt Bruhns zu: "Es gibt bei der Expo Sachen, um die ich am liebsten auch einen großen Bogen mache."
Genau so präsentiert sich die Expo. Ohne zu sagen, worin der Spaß denn besteht und worum die Besucher und Besucherinnen besser einen großen Bogen machen, wird eine Werbetrommel gerührt, die ihresgleichen sucht. Bertelsmann, Anfang Mai als sog. Weltpartner aufgesprungen, ist zentral für die Medienarbeit zuständig. Diese umfasst Radio, Fernsehen und Buchproduktionen. Zu diesen Buchproduktionen gehören unter anderem Expo- Schulbuchmaterialien. Lediglich die Internetpräsenz wird von der Telekom übernommen.
Die Bahn AG trägt die Expo in alle Bahnhöfe bis hin zu "Expo-Shops" und in die Zugabteile. Andere Firmen, wie Sparkassen und McDonald‘s sorgen dafür, dass auch bestimmt keine Zielgruppe an der Expo vorbeikommt. Doch alle Informationen haben eins gleich: Was dort genau wann passiert, bleibt unklar.
Die Geschichte der Expo 2000 sagt bereits eine Menge aus über die Macher, ihren Methoden und ihrem Interesse an einer Weltausstellung in Deutschland. Mit der Expo einher ging eine Umstrukturierung des Großraums Hannover, wie er sonst nur bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften üblich ist.
Am Ende einer 4 Millionen Mark teuren Werbekampagne wurden am 12.Juni 1992 die Stimmen ausgezählt. Bei einer Wahlbeteiligung von 61,7% stimmten 51,5% für eine Durchführung der Expo und 48,5% dagegen. Inhalt der Werbekampagne war: nicht mehr als 300000 Besucher und Besucherinnen an einem Tag, keine neuen Straßen, ökologische und soziale Stadterneuerung.
Heute geht die Expo GmbH von bis zu 450000 Besucherinnen und Besuchern aus. Statt "kein Straßenbau" wurde eine vierspurige Ringstraße sowie 25000 neue Parkplätze gebaut, die Autobahnen A2 und A7 ausgebaut. Die Stadt Hannover präsentiert sich mit einem der rigidesten Polizeigesetze zur Vertreibung armer Menschen aus der Innenstadt. Die Liste könnte endlos fortgesetzt werden. Wäre 1992 nur halbwegs die Wahrheit gesagt worden, hätte das Ergebnis der Abstimmung völlig anders ausgesehen.
Die Kritik an der Weltausstellung findet auf vielen Ebenen und an den verschiedensten Einzelprojekten statt. Sie umfasst den gesamten Spielraum von kritischer Mitarbeit bis zu radikaler Ablehnung. So wird AutorInnen wie Vandana Shiva und Jose Lutzenberger vom radikalen Flügel vorgeworfen, sie würden mit ihrer kritischen Begleitung nur das Feigenblatt für die Expo liefern.
Bei vielen, die kritisch begleiten wollten, ist daraus in der Tat reine Anbiederung geworden. Da wäre z.B. der Deutsche Bundesjugendring (DBJR), als Zusammenschluss der bundesdeutschen Jugendverbände. Die vom DBJR herausgegebene Kinder- und Jugendplattform Exponiert ist eine reine Werbezeitschrift für die Expo. Dort wird mit Schlagzeilen wie: "Zukunft mit allen Sinnen", "Das größte Tipi der Welt steht" oder "Aus einer Vision wird Wirklichkeit" für die Expo Werbung gemacht. Von der anfangs angekündigten kritischen Begleitung blieb nur noch Hofberichterstattung übrig.
Die Expo GmbH hat es so geschafft, viele eher kritische Organisationen in ihr Konzept einzubinden. Umwelt- und Jugendverbände hat sie mit dem Versprechen gelockt, dass die Expo 2000 die erste Mehrweg- Expo werden würde. Erst nachdem einige der Expo GmbH auf den Leim gegangen waren, bekam Coca Cola den Zuschlag als Getränkelieferant der Weltausstellung: Prompt stellte der Getränkehersteller unzählige Dosenautomaten aufgestellt. McDonald‘s erhielt im Übrigen den Zuschlag für die Imbissversorgung.
Bei diesen Entscheidungen war aber die Einbettung in das Projekt Expo bei den betreffenden Organisationen bereits dermaßen fortgeschritten, dass sie kritiklos jede Kröte schluckten, der sie sich vor Jahren noch nicht einmal auf ein paar Meter genähert hätten. Bei anderen Projekten zeigten die Expo und ihre Befürworter in staatlichen Stellen offen ihre Haltung zu Demokratie. Wenn die Basis sich nicht kaufen lies, trafen sie die Entscheidungen über deren Köpfe hinweg. So beim Jugendzentrum Planet X in Marbach bei Stuttgart. Obwohl sich die große Mehrheit der Jugendlichen dagegen aussprach, wurde es eines der weltweit über 800 Expo-Projekte. In der Projektbeschreibung hieß es dann, dass die Beteiligung von Jugendlichen wesentliches Ziel des Jugendzentrums ist.
Das ein Projekt wie die Expo 2000 nicht ohne Widerstand über die Bühne geht, ist naheliegend. Während einige Aktive hoffen, dass der Widerstand nach den Aktionen in Seattle zur Eröffnung in Hannover ein neuer Höhepunkt gegen Neoliberalismus und die Herrschaft des Kapitals wird, geben sich viele andere skeptisch. Wird es gelingen, die Weltausstellung als Schaufenster einer Welt, in dem sich vom Elektron bis zum Weltall alles der Profitgier unterordnen soll, zu demaskieren? Wenn es schon nicht gelingen sollte, das Fenster einzuwerfen, so wird es doch die vielfältigsten Möglichkeiten geben, es bunter zu gestalten als es der Expo GmbH lieb ist.

Tommy Schroedter


zum Anfang