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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.11 vom 25.05.2000, Seite 8

Shows der großen weißen Jungs

Weltausstellungen sind Shows der großen weißen Jungs, die sich der Faszination von neuesten technischen Möglichkeiten ganz hingeben können. Auf der ersten, 1851, standen sie mit offenen Mündern vor den Lokomotiven und Mähmaschinen, die damals den Stand der industriellen Produktion repräsentierten. Ob es das erste Telefon (Philadelphia), der erste Plattenspieler (1893 in Chicago) oder die erste elektrisch angetriebene Lokomotive (1900 in Paris) war, immer wurde durch neue technische Errungenschaften zur Schau gestellt, was Antrieb der Geschichte ist. Vor allem im aufstrebenden Kapitalismus der Nationalstaaten boten diese Ausstellungen eine Gelegenheit, den anderen Industrienationen zu zeigen, was die eigene Fabrikgesellschaft produzieren konnte.
Bezeichnenderweise war es eine Kanone, nämlich die "dicke Berta" von Krupp, mit der das deutsche Reich 1867 in Paris begeistern wollte. Bekanntestes Bauwerk dieser Weltausstellung ist der Eiffelturm in Paris. Zusammengesetzt aus standardisierten Einzelteilen, durchsichtig und trotzdem fett, lockt er noch heute täglich hunderte von Besucherinnen und Besucher an. Die standardisierten Elemente stehen für den Beginn der Fließbandproduktion, die Transparenz für die Durchschaubarkeit der einzelnen Arbeitsschritte und der breitbeinige fette Stand für den französischen Imperialismus.
Das Atomium in Brüssel, geschaffen für die Weltausstellung in Brüssel 1958 unter dem Motto: "Bilanz der Welt, für eine menschlichere Welt", markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der Technik. Es sollte für eine neue, saubere und nie versiegende Energiequelle stehen, die eine glücklichere Geschichte der Menschheit einläute. Da die Erinnerung an Hiroshima und Nagasaki noch allgegenwärtig war, bestand das Ziel der Weltausstellung darin, eine Akzeptanz für die friedliche Nutzung der Kernspaltung herzustellen. Im Zeitalter des kalten Krieges war dieses überdimensionale Atommodel jedoch auch eine deutliche Warnung an die Sowjetunion.
Diese repräsentierte sich auf der Ausstellung mit einem Modell des ersten Satelliten, der die Erde umkreiste, und dessen Name, "Sputnik" vor allem US-Militärs einen herben Schrecken einjagte. Erst später gab es Forderungen, das Atomium abzureißen, um die Sackgasse, in die der ungebrochene Glaube an den technischen Fortschritt geführt hatte, offenkundig zu machen.
Die Weltausstellungen präsentierten oft auch den Blick auf andere Kulturen. So wurde 1896 in Antwerpen ein "Kongodorf" mitsamt seinen EinwohnerInnen zur Schau gestellt, quasi zum Anfassen. In Sevilla standen 1992 auf der Weltausstellung die Feiern zur 500-jährigen Geschichte der Kolonialisierung im Vordergrund. Motto der Veranstaltung: "Das Zeitalter der Entdeckungen". Die Unterdrückung der indigenen Bevölkerung kam dabei im offiziellen Teil der Veranstaltung nicht vor. Dies führte dazu, dass die Expo in Sevilla zur ersten Weltausstellung wurde, gegen die sich massiver Protest regte.
Im April 1987 entwickeln die damalige niedersächsische Finanzministerin Birgit Breuel und ein kleiner Kreis um den Vorstand der Deutschen Messe AG die Idee einer Weltausstellung in Hannover für das Jahr 1998. Ohne abzuwarten, wie der Rat der Stadt Hannover oder gar die Bevölkerung darauf reagiert, bewirbt sich die Bundesregierung im Herbst 1988 mit Hannover als Austragungsort beim internationalen Weltausstellungsbüro in Paris.
Im Jahre 1992 wird auf der Generalversammlung die Wahl zwischen Toronto und Hannover getroffen. Hannover gewinnt mit 21:20 Stimmen. Zünglein an der Waage war die DDR, die vier Monate vor dem Anschluss an die Bundesrepublik noch über eine eigene Stimme in diesem Gremium verfügte. Im November 1992 droht der damalige Ministerpräsident von Niedersachsen, Gerhard Schröder: "Wenn es von der Bundesregierung bis zum Ende des Jahres keine Entscheidung [zur Finanzierung] gibt, bedeutet es das Ende der Veranstaltung." Es gab keine und Schröder interessierte sich nicht mehr für das, was er im November gesagt hatte.
Die Chefs der Expo wechselten schnell, bis Birgit Breuel, die seit dem 1.April 1995 schon als Generalkommissarin mit Diplomatenrang versuchte, Staaten und Konzerne zum Mitmachen zu überreden, am 22.April 1997 die Leitung übernimmt. Im November 1996 beginnt die Expo GmbH mit dem Bau von Parkplätzen, für die nicht nur keine Baugenehmigung vorhanden ist, sondern auch giftige Industrieschlacke verwendet wurde.
Das zu erwartende Minus der Veranstaltung wird im Laufe der Zeit immer weiter "hochgerechnet". In Relation zum Haushalt ist die Kommune Hannover am stärksten belastet. Im Oktober 1998 stockten Bund und Land ihren Bürgschaftsrahmen auf rund 1,8 Milliarden DM auf. Gleichzeitig wollte die Expo GmbH wesentlich mehr undatierte Eintrittskarten herausgeben als vereinbart, um so auf die anvisierten 40 Millionen Menschen zu kommen, die den Eintritt von rund 50-80 Mark zahlen. Da das Eintrittsticket auch für den Nahverkehr in Hannover gilt, errechnet der Kommunalverband Hannover Kosten von 75 Millionen Mark. Die Expo GmbH will allerdings nur 15 Millionen rausrücken.
Entwicklungshilfegelder, die für wichtige Projekte fehlen, fließen in die Weltausstellung, damit arme Staaten des Südens sich ebenfalls darstellen können. Die Stiftung Jugendmarke finanziert das größte Tipi der Welt für deutsche Jugendverbände. Normalerweise werden mit diesen Geldern Projekte der Jugendarbeit gefördert.
Die 5000 indigenen Völker des Südens sollten auf der Expo 700 m2 zur Verfügung gestellt bekommen. Da sie die Kosten dafür nicht decken konnten, stellten sie einen Antrag auf Finanzhilfe bei der Expo GmbH. Diese wurde abgelehnt, woraufhin die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú ihr Ehrenamt niederlegte.
Dass (noch) nicht alles für Geld zu haben ist, merkte BMW. Der Autohersteller wollte den Pavillon der UNO mit 6,5 Millionen Mark sponsern. Nachdem die UNO auf ihrer Präsentation über Menschenrechte keine Werbung für Autos aus Bayern machen wollte, gibt es nun auch kein Geld aus München und somit auch keinen Pavillon der UNO.
Dennoch schreiben die Verantwortlichen der Expo 2000 nicht nur Gerechtigkeit, sondern auch Umweltschutz weiterhin groß auf ihre Fahnen. Dass die Dämmplatten, z.B. beim deutschen Pavillon, den Ozonkiller FCKW enthalten, wird dabei genauso übersehen wie die Müllberge, die durch den Produktpartner Coca Cola produziert werden. Ein halbes Jahr lang werden täglich ca. 13000 Liter Softdrinks in Dosen oder Polyethylen-Flaschen von den Getränkeautomaten ausgespuckt. Das bedeutet einen Berg von sechs Millionen Einwegverpackungen.
Zum Abschluss ein Beispiel, was auf der Expo 2000 in Hannover unter Respekt vor anderen Kulturen verstanden wird: Direkt neben dem Meditationspavillon aus Nepal soll ein Biergarten entstehen. Dies zeugt von einer Feinfühligkeit, die Birgit Breuel ja schon bei der Abwicklung von DDR-Betrieben berühmt gemacht hat.

Tommy Schroedter


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