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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.12 vom 08.06.2000, Seite 7

Die Frauen der extremen Rechten

"Ich wasche und bügle selber, ich bin eine ausgezeichnete Köchin und habe Freude an der Gartenarbeit." Die Art, wie Susanne Riess-Passer, die neue "liberale" Vizekanzlerin der österreichischen Regierung, sich der Presse vorstellt, kommt an. Das Image der einfachen Frau, die eine herausragende Vertreterin der rassistischen Haider-Partei ist, ist erfolgreich.

In der Regierungsfraktion der FPÖ stellen Frauen drei von sieben Ministern; das wichtigste Amt, die Stellvertretung des katholischen Kanzlers Wolfgang Schüssel, hat ausgerechnet eine Frau inne.
Die französische Wochenzeitung Le Nouvel Observateur zitiert Meinungsumfragen, wonach 42% der Wählerstimmen für die FPÖ von Frauen kommen - der Anteil steigt massiv bei Wählerinnen unter 30 Jahren. Die Fähigkeit Haiders, zur ersten politischen Kraft im Land zu werden, hängt somit vor allem von seiner Fähigkeit ab, die Stimme der Frauen zu gewinnen.
Der Zustrom von Frauen zur neuen rassistischen und extremen Rechten ist nicht nur ein österreichisches Phänomen. Teilweise lässt er sich aus der zentralen Stellung erklären, die Frauen im sozialen Diskurs aller Kräfte der neuen Rechten einnehmen. Hinzu kommt das steigende politische Engagement von Frauen in diesen Bewegungen, manchmal sogar in offen neonazistischen Gruppen; das ist entschieden etwas Neues.
Begreift man die Politik der fremdenfeindlichen Rechten als eine Art kulturelle Interpretation des neuen ökonomischen und sozialen Zyklus, der auf den Trümmern des alten Wohlfahrtsstaats aufbaut, stellt man fest, dass gerade die Frau in den Mittelpunkt eines neuen sozialen Gefüges gerückt wird, das jeder staatlich garantierten kollektiven Sicherheit entbehrt. Wo die Kriterien der Verteilung des Reichtums und der sozialen Leistungen denen der ethnischen oder nationalen Zugehörigkeit folgen, sind die einzigen Einrichtungen mit Autorität diejenigen, die die jeweiligen Gemeinschaften stiften, mithin die Familie, die erneut in das Zentrum des gesellschaftlichen Lebens gerückt wird, und die deshalb unterstützt und vor Zerrüttung geschützt werden muss.
Innerhalb der Familie kommt die wichtigste Aufgabe den Frauen zu: sie sind der Dreh- und Angelpunkt, die treuen Hüterinnen und der Zusammenhalt der Gemeinschaft. Martine Lehideux, lange Zeit Europaabgeordnete für die Front National (FN), bezeichnet die Familie als "Schlussstein der natürlichen Ordnung, die Grundlage des Lebens der Nation, die lebensspendende Zelle unserer Gesellschaft".
Zu diesem alten und neuen Raster, auf das sich extreme Rechte wie katholische Zirkel gleichermaßen verständigen können, kommt der Mythos der Entvölkerung hinzu. Der Bevölkerungsrückgang auf dem alten Kontinent setze die "weiße" Welt der Gefahr aus, zu verschwinden oder von den fruchtbareren Völkern des Südens und Ostens "kolonisiert" zu werden. Der moderne Rassismus hebt deshalb gerade die Rolle und Verantwortung der Frauen hervor. In Österreich hat Haider eine wilde Kampagne zur Verteidigung der häuslichen Werte und der Steigerung der Geburten geführt; in Kärnten, wo die FPÖ die Regierung führt, werden Frauen, die mindestens drei Kinder haben, wirtschaftlich besonders gefördert.
In Italien spricht die Alleanza Nazionale (AN) davon, der "Mutterschaft ihren gesellschaftlichen Wert" zurückzugeben, um die italienische Identität zu wahren - es gilt, das Vaterland zu verteidigen, indem mehr Kinder in die Welt gesetzt werden!
Marie-France Stirbois, die erste Abgeordnete der FN im französischen Parlament, hat erklärt: "Es wird keine Zukunft für Frankreich wie für ganz Europa geben ohne eine großangelegte Bevölkerungspolitik mit dem doppelten Ziel, die Immigration zu stoppen und die französische und europäische Geburtenrate zu steigern. Ja, damit Frankreich auf eine hoffnungsvolle Zukunft blickt, geben wir die Losung aus: ,Machen wir französische Kinder mit Franzosen.‘ Nur unter dieser Bedingung kann unser Land seine Identität bewahren, wo jedes Jahr hunderttausend ausländische Kinder geboren werden."
Natürlich gilt Abtreibung in einem solchen Diskurs nicht nur als Verstoß gegen den päpstlichen Willen, sondern auch als "Verbrechen gegen die Nation und die Gemeinschaft".
Claudie Lesselier, eine aktive Feministin und Antifaschistin, die verschiedene Studien über die "Bevorzugung der Familie" durch die extreme Rechte veröffentlicht hat, schreibt: "Von der Familie zur Nation gibt es eine ausdrückliche Kontinuität: Die Nation wird vorgestellt als eine Gemeinschaft, die durch das Blut, die Nachkommen und die Vermittlung des Erbes zusammengehalten wird. Die Frauen sind Träger dieser Vermittlung, im biologischen wie im kulturellen Sinne. Diese Rollenzuteilung an die Frauen spielt in der Politik der extremen Rechten heute alles andere als eine marginale Rolle, im Gegenteil, sie enthüllt eine ganze Weltauffassung und das faschistische historische Erbe vieler dieser Bewegungen."
In den letzten Jahren haben Frauen in Bewegungen und Organisationen der extremen Rechten einen vorderen Platz eingenommen. Viele von ihnen sind Ehefrauen, Töchter oder sonstige Verwandte von Führern. So Marijke Dillen, Tochter von Karel Dillen, dem Gründer des Vlaams Blok; Isabella Rauti, Tochter von Pino Rauti, Gründer von Ordine Nuovo; Alessandra Mussolini, Nichte des Duce und bekannteste Vertreterin der AN.
Aber die Frauen der extremen Rechten entwickeln auch ein verändertes Selbstverständnis. Annalisa Terranove, Journalistin bei der Tageszeitung der AN, Il Secolo, schreibt, die Frauen der Rechten haben den Ausdruck "Politik in der weiblichen Form" geprägt, um zu erklären, dass sie sich nicht nur, wie in der Vergangenheit, den traditionellen Themen Familie, Abtreibung, Chancengleichheit usw., sondern auch den großen, die nationale Gemeinschaft betreffenden Fragen zuwenden und hier einen frauenspezifischen Beitrag leisten wollen.
Im Internet haben in den letzten Jahren die Webseiten zugenommen, die von neonazistischen Frauen oder Frauen der US-amerikanischen Bewegung White Supremacy (Weiße Vorherrschaft) gestaltet werden. Hier werden Frauen als Amazonen oder an automatischen Handfeuerwaffen dargestellt; die Bildersprache spricht von den künftigen Kämpferinnen im Krieg der Rassen. Neben solchen Bildern, die die rassistische Gewalt verherrlichen, taucht aber auch immer wieder die Figur der braven "weißen" Mutter auf, die gute Ratschläge für Schwangerschaft und Kindererziehung gibt.

Guido Caldiron

Guido Caldiron ist Sekretär des Journalistenverbands in Rifondazione Comunista, Italien. (Gekürzt aus: Bandiera Rossa, Nr.97, März 2000.)


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