Sozialistische Zeitung |
In der Regierungsfraktion der FPÖ stellen Frauen drei von sieben Ministern; das wichtigste Amt, die
Stellvertretung des katholischen Kanzlers Wolfgang Schüssel, hat ausgerechnet eine Frau inne.
Die französische Wochenzeitung Le Nouvel Observateur zitiert
Meinungsumfragen, wonach 42% der Wählerstimmen für die FPÖ von Frauen kommen - der Anteil steigt massiv bei
Wählerinnen unter 30 Jahren. Die Fähigkeit Haiders, zur ersten politischen Kraft im Land zu werden, hängt somit vor allem
von seiner Fähigkeit ab, die Stimme der Frauen zu gewinnen.
Der Zustrom von Frauen zur neuen rassistischen und extremen Rechten ist
nicht nur ein österreichisches Phänomen. Teilweise lässt er sich aus der zentralen Stellung erklären, die Frauen im
sozialen Diskurs aller Kräfte der neuen Rechten einnehmen. Hinzu kommt das steigende politische Engagement von Frauen in diesen
Bewegungen, manchmal sogar in offen neonazistischen Gruppen; das ist entschieden etwas Neues.
Begreift man die Politik der fremdenfeindlichen Rechten als eine Art
kulturelle Interpretation des neuen ökonomischen und sozialen Zyklus, der auf den Trümmern des alten Wohlfahrtsstaats aufbaut,
stellt man fest, dass gerade die Frau in den Mittelpunkt eines neuen sozialen Gefüges gerückt wird, das jeder staatlich garantierten
kollektiven Sicherheit entbehrt. Wo die Kriterien der Verteilung des Reichtums und der sozialen Leistungen denen der ethnischen oder
nationalen Zugehörigkeit folgen, sind die einzigen Einrichtungen mit Autorität diejenigen, die die jeweiligen Gemeinschaften
stiften, mithin die Familie, die erneut in das Zentrum des gesellschaftlichen Lebens gerückt wird, und die deshalb unterstützt und
vor Zerrüttung geschützt werden muss.
Innerhalb der Familie kommt die wichtigste Aufgabe den Frauen zu: sie
sind der Dreh- und Angelpunkt, die treuen Hüterinnen und der Zusammenhalt der Gemeinschaft. Martine Lehideux, lange Zeit
Europaabgeordnete für die Front National (FN), bezeichnet die Familie als "Schlussstein der natürlichen Ordnung, die
Grundlage des Lebens der Nation, die lebensspendende Zelle unserer Gesellschaft".
Zu diesem alten und neuen Raster, auf das sich extreme Rechte wie
katholische Zirkel gleichermaßen verständigen können, kommt der Mythos der Entvölkerung hinzu. Der
Bevölkerungsrückgang auf dem alten Kontinent setze die "weiße" Welt der Gefahr aus, zu verschwinden oder von
den fruchtbareren Völkern des Südens und Ostens "kolonisiert" zu werden. Der moderne Rassismus hebt deshalb
gerade die Rolle und Verantwortung der Frauen hervor. In Österreich hat Haider eine wilde Kampagne zur Verteidigung der
häuslichen Werte und der Steigerung der Geburten geführt; in Kärnten, wo die FPÖ die Regierung führt, werden
Frauen, die mindestens drei Kinder haben, wirtschaftlich besonders gefördert.
In Italien spricht die Alleanza Nazionale (AN) davon, der
"Mutterschaft ihren gesellschaftlichen Wert" zurückzugeben, um die italienische Identität zu wahren - es gilt, das
Vaterland zu verteidigen, indem mehr Kinder in die Welt gesetzt werden!
Marie-France Stirbois, die erste Abgeordnete der FN im
französischen Parlament, hat erklärt: "Es wird keine Zukunft für Frankreich wie für ganz Europa geben ohne eine
großangelegte Bevölkerungspolitik mit dem doppelten Ziel, die Immigration zu stoppen und die französische und
europäische Geburtenrate zu steigern. Ja, damit Frankreich auf eine hoffnungsvolle Zukunft blickt, geben wir die Losung aus: ,Machen wir
französische Kinder mit Franzosen. Nur unter dieser Bedingung kann unser Land seine Identität bewahren, wo jedes Jahr
hunderttausend ausländische Kinder geboren werden."
Natürlich gilt Abtreibung in einem solchen Diskurs nicht nur als
Verstoß gegen den päpstlichen Willen, sondern auch als "Verbrechen gegen die Nation und die Gemeinschaft".
Claudie Lesselier, eine aktive Feministin und Antifaschistin, die
verschiedene Studien über die "Bevorzugung der Familie" durch die extreme Rechte veröffentlicht hat, schreibt:
"Von der Familie zur Nation gibt es eine ausdrückliche Kontinuität: Die Nation wird vorgestellt als eine Gemeinschaft, die
durch das Blut, die Nachkommen und die Vermittlung des Erbes zusammengehalten wird. Die Frauen sind Träger dieser Vermittlung, im
biologischen wie im kulturellen Sinne. Diese Rollenzuteilung an die Frauen spielt in der Politik der extremen Rechten heute alles andere als
eine marginale Rolle, im Gegenteil, sie enthüllt eine ganze Weltauffassung und das faschistische historische Erbe vieler dieser
Bewegungen."
In den letzten Jahren haben Frauen in Bewegungen und Organisationen der
extremen Rechten einen vorderen Platz eingenommen. Viele von ihnen sind Ehefrauen, Töchter oder sonstige Verwandte von
Führern. So Marijke Dillen, Tochter von Karel Dillen, dem Gründer des Vlaams Blok; Isabella Rauti, Tochter von Pino Rauti,
Gründer von Ordine Nuovo; Alessandra Mussolini, Nichte des Duce und bekannteste Vertreterin der AN.
Aber die Frauen der extremen Rechten entwickeln auch ein
verändertes Selbstverständnis. Annalisa Terranove, Journalistin bei der Tageszeitung der AN, Il Secolo, schreibt, die Frauen der
Rechten haben den Ausdruck "Politik in der weiblichen Form" geprägt, um zu erklären, dass sie sich nicht nur, wie in
der Vergangenheit, den traditionellen Themen Familie, Abtreibung, Chancengleichheit usw., sondern auch den großen, die nationale
Gemeinschaft betreffenden Fragen zuwenden und hier einen frauenspezifischen Beitrag leisten wollen.
Im Internet haben in den letzten Jahren die Webseiten zugenommen, die von
neonazistischen Frauen oder Frauen der US-amerikanischen Bewegung White Supremacy (Weiße Vorherrschaft) gestaltet werden. Hier
werden Frauen als Amazonen oder an automatischen Handfeuerwaffen dargestellt; die Bildersprache spricht von den künftigen
Kämpferinnen im Krieg der Rassen. Neben solchen Bildern, die die rassistische Gewalt verherrlichen, taucht aber auch immer wieder
die Figur der braven "weißen" Mutter auf, die gute Ratschläge für Schwangerschaft und Kindererziehung
gibt.
Guido Caldiron