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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.12 vom 08.06.2000, Seite 14

SoZ-Konferenz

Parteiform und Selbstorganisation

Die SoZ-Konferenz, die jährlich in der Mitte des Jahres stattfinden soll, dient einem doppelten Zweck: Sie soll zum einen ein Thema aufgreifen und zur Diskussion stellen, das einen breiteren Kreis von Linken interessiert und für ihre strategische Entwicklung von Bedeutung ist. Zum zweiten sollen dort praktische Fragen im Umgang mit der SoZ diskutiert werden, die der Verbesserung und stärkeren Verbreitung des Produkts dienen.
Die SoZ-Konferenz Anfang Juni hatte inhaltlich das Thema "Parteienkrise". Ausgehend vom Korruptionsskandal, der die CDU erschüttert hat, der zunehmenden Abwendung von WählerInnen und dem wachsenden Desengagement vor allem junger Leute gegenüber politischen Parteien bestand das Bedürfnis, die Struktur der Parteiendemokratie aufzuarbeiten und ihre Krise in einen Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Veränderungen seit dem Krieg und nochmals seit den 60er Jahren zu stellen. Dabei ging es vor allem um die beiden großen "Volksparteien" CDU und SPD, wobei die Krise der Union im Mittelpunkt stand.
Das Referat, das der Debatte zugrunde lag, wird nach der Sommerpause als SoZ-Thema veröffentlicht.
Daran schlossen sich erste Thesen über die Frage an, ob die Parteiform noch eine aktuelle Form der Organisation von gesellschaftlichen Interessen sei. Die Antwort darauf ist nicht einfach, weil die aktuelle Krise der Parteiform nichts darüber aussagt, dass dieses Instrument der Einflussnahme auf die Gesellschaft und ihre Willensbildung umstandslos durch andere ersetzt werden könnte. Möglicherweise macht man es sich zu einfach, wenn man aus der abnehmenden Glaubwürdigkeit und Attraktivität der bestehenden Parteien die Ablehnung einer solchen Organisationsform tout court folgert. Es besteht auch die Gefahr, populistischen und rechten Reaktionen auf den Leim zu gehen, die schon von ihrem Grundverständnis her die Parteien als die Gesellschaft spaltendes Moment ablehnen und stattdessen die Einheit des "Volkskörpers" beschwören.
Die aktuelle Krise der Parteiform und der Unwillen vieler politisch interessierter Menschen, sich in Parteien zu engagieren, muss demzufolge genauer auf das Verhältnis zwischen Partei und Gesellschaft untersucht werden. Hier gibt es erheblichen Aufarbeitungsbedarf, sowohl was die sozialdemokratische als auch was die kommunistische Tradition betrifft.
In der Diskussion stellte sich ein recht breiter Konsens heraus, dass ein emanzipatorisches Parteiverständnis von dem Moment der Selbstorganisation ausgehen und jedes Element von Instrumentalisierung anderer gesellschaftlicher oder politischer Kräfte für die eigenen Ziele ablehnen muss. Bezogen auf die Diskussion darüber, was ein Ansatz für eine (letztlich auch parteipolitische) Neuformierung sozialistischer Kräfte sein kann, war sich die Runde darin einig, dass es derzeit keine Partei gibt, die für sich beanspruchen kann, einen solchen Ansatz darzustellen. Ausdrücklich ist dies auch die PDS nicht; dieser Partei geht sogar mehr und mehr die Fähigkeit ab, überhaupt das Problem einer sozialistischen Neugründung zu stellen, bei der das Verhältnis zwischen Partei und Gesellschaft grundlegend neu reflektiert würde. Das bedeutet aber auch, dass es für parteipolitische Neuformierungen gesellschaftliche Voraussetzungen in Form sozialer Bewegungen geben muss, die nach einer solchen Organisationsform drängen. Davon ist heute nichts zu spüren. Im Gegenteil, es bedarf eines großen Aufwands, selbst die elementaren Formen von Widerstand und Selbstorganisation in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen aufrechtzuerhalten und zu entwickeln. Die Thesen haben deshalb vor allem die Bedeutung der Entfaltung sozialer Bewegungen und internationaler Entwicklungen für parteipolitische Neubildung hervorgehoben.
Eine gesonderte Debatte über die Situation in der PDS nach dem Parteitag verdeutlichte noch einmal die Schwierigkeiten, über grundlegende Orientierungen der Partei überhaupt eine Diskussion zu organisieren.
Die Thesen waren ein erster Anfang für die Debatte; sie werden überarbeitet und dann als Diskussionsbeitrag zur Verfügung gestellt.
Ein konkretes Resultat der Debatte war das Ziel, auf dem kommenden Kleinen Ratschlag der VSP im September mit einer Selbstverständnisdiskussion zu beginnen, die formuliert, was sich die aktiven Mitglieder mittelfristig an gemeinsamen Aufgaben vornehmen. Ziel ist, einen entsprechenden Entwurf dem Großen Ratschlag der VSP im Dezember vorzulegen.
Der praktische Teil der Diskussion konzentrierte sich auf die Finanzlage und die Zusammenarbeit mit dem Verein Memento. Dank der Anstrengungen der Leserinnen und Leser der SoZ und der VSP-Mitglieder ermöglicht die Haushaltslage das - mit wenigen Einschränkungen unverändete - Erscheinen der SoZ. In der Auseinandersetzung um die Frage, ob die SoZ nicht besser monatlich erscheinen soll, wurde die Notwendigkeit unterstrichen, dass die SoZ in konkreten Bewegungen eine nützliche und aktive Rolle spielt. Nur so wird sie auch eine neue Leserschaft binden können. Dafür scheint derzeit der 14-tägige Erscheinungsrhythmus als unverzichtbar. Abschließend wollen wir diese Frage, die natürlich auch mit unterschiedlichen Organisationsverständnissen zu tun hat, auf dem Großen Ratschlag der VSP im Dezember beraten.
Eine engere Zusammenarbeit mit dem Verein Memento ergibt sich aus dem Wunsch, für solche Leserinnen und Leser der SoZ, die keinen organisierten Zusammenhang wünschen, ein Forum des Austauschs bereitzustellen. Wie das Verhältnis im Einzelnen auszusehen hat, darüber soll der VSP-Ratschlag im Dezember befinden. Unterdessen ermuntern wir unsere LeserInnen dazu, dem Verein Memento beizutreten.
Die Konferenz schloss mit einem Überblick über eine Reihe von praktischen Initiativen, in denen Mitglieder der VSP heute tätig sind.

Der Kleine Ratschlag der VSP findet am 17.September in Köln statt.
Der Große Ratschlag der VSP findet am 16. und 17.Dezember in Köln statt.

Angela Klein


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