Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-
Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.12 vom 08.06.2000, Seite 15

Die Rückkehr der alten Säcke

Walkabaouts: Train leaves at eight, Glitterhouse

Einziger wirklicher Renner auf der Expo-Eröffnung war wohl Chris de Burgh. Carlos Santana und Tom Jones dudeln einem aus sog. Jugendsendern entgegen. Bob Dylan tourt um seine "Frag-mich-nicht-wievielt-best-of-CD in die Charts zu bringen, und hat damit Erfolg. Die Kritiken sind voll des Lobes für die neuen Produktionen von Lou Reed, Patti Smith, Neil Young und Bad Religion.
Die Plattenindustrie reagiert so auf eine Reihe von eigenen Unsicherheiten. "Copy kills music" steht auf den meisten CD-Hüllen. Auf Schulhöfen werden gebrannte CDs für 5 DM gehandelt, während die Neuerscheinungen in den Läden weiterhin bei über 30 DM gehandelt werden. Im MP3-Format ist zudem das meiste via Internet zum Preis der Telefongebühren herunter zu laden.
Die Konzentration im Markt ist eine Antwort. So schluckte AOL- TimeWarner mit EMI einen der renommiertesten Anbieter auf dem Musikmarkt.
Aber die Verunsicherung, wie sich der Markt in Zukunft entwickeln wird, bleibt. Da schauen dann die Marketingabteilungen auf den gutverdienenden älteren Konsumenten, von dem vermutet wird, dass er sich die teure CD im Laden kauft. Die Verkaufszahlen und Liveerfolge scheinen diesem Marketing Recht zu geben. Beim leicht abzuschöpfenden aktuellen Pop-Markt werden junge Interpretinnen und Interpreten wie Britney Spears verheizt, ansonsten wird der Markt gerne den sog. Independent Labels überlassen.
Eines dieser Label, Glitterhouse, im kleinen Beverungen an der Weser hat gerade eine Rückkehr zu verzeichnen. Nach ihrem Ausflug zum Majorlabel Virgin sind die Walkabouts zurückgekehrt (im Sommer erscheint allerdings noch eine Live-CD bei Virgin). Obwohl Carla Togerson und Chris Eckmann selber hervorragende Songschreiber sind, greifen sie auf dieser Platte auf Songs - nicht nur - alter Säcke zurück. Es ist ihre zweite Cover-CD und die Lieder kommen alle aus Kontinentaleuropa.
Carla Togerson und Chris Eckmann singen und spielen die Gitarren ruhiger als bei den alten Produktionen Anfang der 90er Jahre. Brian Young am Schlagzeug kommt wie Joe Skyward am Bass von den Posies. Er ist längst nicht so rockig, wie es Terri Moeller damals war.
Aufgeteilt ist die CD in Süd- und Nordeuropa, die jeweils durch sieben Lieder präsentiert werden. Die ursprünglichen Texte wurden ins Englische übersetzt und die Musik wurde durch den typischen Walkabout-Folk und weniger ihren Folkrock angereichert.
Aufmacher ist der Titelsong "The train leaves at eight" von Mikis Theodorakis. Es folgt "Man from Reno" eine Filmusik des bosnischen Komponisten Goran Bregovic. So geht es über Slowenien, Italien Spanien bis Portugal. "Everyone kisses a stranger" der französischen Liedermacherin Françoise Breut, eines der dichtesten Lieder dieser Produktion verabschiedet den Süden, und der Norden beginnt mit "People such as these" von Jacques Brel (wobei wir auch wieder bei den alten Säcken angekommen sind). Chris Eckmann beweist, dass er auch auf dem Gebiet des Chansons durchaus mithalten kann.
Hervorzuheben ist noch "That‘s how I live" von Jochen Distelmeyer. Die Walkabouts setzen das vom dritten Blumfeld-Album spannungsgeladener um als Blumfeld selbst. Es wäre schön, wenn ihre Freundschaft zu Distelmeyer auch in Zukunft in solchen Adaptionen gipfeln würde.
Seit 16 Jahren gibt es die Walkabouts und wenn sie ihre Produktionen nicht mit breiten Streichersätzen überlasten (wie auf den Virgin-Produktionen geschehen), gehören sie zu den besten Folkgruppen, die es von der Westküste der USA bis in die Plattenläden Europas geschafft haben.
Da sie vor allem live ein klasse Erlebnis ist, hier ein paar Tourdaten:

2.7. Gera (Theaterhaus-Festival),

4.7. Erlangen (E-Werk),

5.7. Freiburg (ZMF-Festival),

9.7. Dresden (Star-Club),

10.7. Berlin (Kesselhaus),

11.7. Leipzig (Moritzbastei),

13.7. Bielefeld (Kamp),

14.7. Bochum (Bahnhof Langendreer),

17.7. Hamburg (Fabrik),

18.7. Köln (Kantine),

19.7. München (Muffathalle).

DJ Tommy


zum Anfang