Sozialistische Zeitung |
Wie können Menschen ihr Wirtschaftsleben selbst in die Hand nehmen? Welche strategischen
Eingangsschritte gibt es für Alternativen zur kapitalistischen Globalisierung und die Rolle von Galubensgemeinschaften?" Mehr als
150 auf sozialem Gebiet Aktive, Theologen, Seelsorger und Wirtschaftswissenschaftler aus allen Kontinenten versuchten hierauf in einem
Colloquium eine Antwort zu finden. Es fand vom 6. bis zum 16.Juni 2000 in der Evangelischen Akademie Hofgeismar statt, unter dem Titel:
"Glaubensgemeinschaften und Soziale Bewegungen bieten der Globalisierung die Stirn."
In einer ausführlichen Erklärung, die dort verabschiedet wurde,
heißt es unter anderem: "Wir wurden auch durch [anwesende] Vertreter anderer Glaubenstraditionen (Buddhisten, Hindus und
Moslems) herausgefordert, gemeinsam Werte und Visionen, die wir miteinander teilen, zu erforschen. Es ging weniger darum, eine umfassende
Definition von Globalisierung zu suchen, als darum das jetzige Weltwirtschaftssystem zu begreifen und Alternativen, Aktionsstrategien
herauszufinden."
Es wird festgestellt, dass der Begriff "Globalisierung"
einerseits für die Revolution im Informationswesen verwendet wird, das die Entfernungen zwischen den Ländern
überbrückt. Andererseits aber haben die neuen Technologien zur Herausbildung eines Wirtschaftsystems beigetragen, das durch die
Herrschaft des Finanzkapitals bestimmt wird und die Spekulation befördert. "Die Macht der Marktwirtschaft förderte den
Waffenexport und den Vorrag von Militärbudgets. Die Militarisierung der Ökonomie, die Entwicklung eines Wettbewerbs in der
Atomwirtschaft machten alle Länder verwundbar für den Zusammenbruch demokratischer Strukturen … Die Last internationaler
Verschuldung ist für viele Völker verheerend. Insbesondere im Süden wirkt sich das Finanzkapital zerstörerisch
für die Grundlage menschlichen Lebens."
"Kann dieses System, das von Regierungen in der Dritten Welt
verlangt, seinen hungernden Bürgern Brot wegzunehmen, um den Schuldendienst zu befriedigen ethisch gerechtfertigt werden? Dies wirft
fundamentale Fragen auf über die theologischen Voraussetzungen dieses Systems, das in der Dritten Welt, aber auch in den
Innenstädten und in Vorstadtnachbarschaften des Nordens solche Verwüstungen verursacht."
Das Colloquium war mit der Frage konfrontiert, welche strategischen
Optionen verfolgt werden sollten. Wir hörten starke Argumente", wurde festgestellt, für eine Herausforderung dieses
Wirtschaftssystems als Ganzes. Nach Jahrzehnten neoliberaler globalisierter Ökonomie sei es klar, dass die Hauptprobleme von Armut,
ökologischer Verwüstung, Ungleichheit, Arbeitslosigkeit, Mangel an demokratischer Teilhabe nicht gelöst worden sind,
sondern sich im Gegenteil sowohl im Süden als auch im Norden verschärft haben.
Wenn wir Alternativen wollen, müssen wir deshalb mit alternativen
lokalen Wirtschaftsmodellen beginnen. Es gibt sowohl im Süden als auch im Norden gute Beispiele für funktionierende Netzwerke
alternativer lokaler Wirtschaftsweisen, und zwar sowohl auf dem Land, als auch in der Stadt. Außerdem wird das Wissen der Frauen
über alternative Ökologie und Ökonomie betont, an dem mehr Teilhabe genommen werden solle.
Analysen über Afrika und andere Länder des Südens
beweisen aber auch die Notwendigkeit für nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum, um für alle minimale Lebensbedingungen zu
schaffen. Dies führt zu einem Widerspruch, der im Einzelnen nicht gelöst konnte werden. Zwei Beobachtungen deuten jedoch auf
eine Lösung hin. Der sehr hohe Lebensstandard und die Konzentration von Macht in Norden machen eine radikale Herangehensweise an
die Systemänderung erforderlich. Andererseits erfordert die verzweifelte Lage im Süden sofortige Veränderungen durch die
Ausnutzung der dem System innewohnenden Möglichkeiten, die davon abhängen könnten, ob es gelingt, den Staat im Interesse
der Wohlfahrt aller zu stärken. Beide Formen von Veränderung können nur durch konzertierte und langfristige Anstrengungen
auf nationaler und globaler Ebene erfolgen. Das zwingt uns eim Netzwerk aufzubauen und strategische Bündnisse im Rahmen der
Zivilgesellschaft zu schaffen." Viele der Besucher des Colloquiums zeigten sich auch zu einer Fortsetzung der Aktionen in Seattle,
Lissabon und Washington in Nizza und Prag bereit.
Jakob Moneta