Sozialistische Zeitung |
In drei Städten - Berlin, Köln und Stuttgart - gingen am 7.Juni mehrere tausend StudentInnen auf die
Straße, um gegen Studiengebühren zu protestieren. Obwohl schon seit längerem organisiert, hatten die Proteste einen
aktuellen Anlass bekommen: Wenige Tage vorher hatte die Kultusministerkonferenz beschlossen, dass das Erststudium in der Regelstudienzeit
kostenlos bleiben solle. Im Umkehrschluss: Der Erhebung von Studiengebühren wie in Baden-Württemberg bei vier Semestern
über der Regelstudienzeit steht von Seite der Kultusministerien nichts mehr im Wege.
Doch der Beschluss der Kultusministerkonferenz war am Tag der
Demonstration gegen Studiengebühren nur wenige Tage alt, hatte sich noch nicht sonderlich herumgesprochen und wurde in der Presse
teilweise so dargestellt, wie ihn auch die SPD darstellte - als Verhinderung von Studiengebühren. Was mit Blick auf Baden-
Württemberg, dessen Regelung jetzt bundesweit anerkannt ist, und mit Blick auf die Wahlversprechen der Bundesregierung eine glatte
Lüge ist.
So nahmen auch nicht so viele StudentInnen an den Demonstrationen teil,
wie die OrganisatorInnen erwartet hatten. Die OrganisatorInnen waren diverse im Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS)
zusammengeschlossene ASten, Hochschulgruppen, Jugendverbände und Gewerkschaften. 1999 gründeten sie mit dem Krefelder
Aufruf das ABS mit einem Büro in Bonn. Die Aufgabe, "gegen Studiengebühren in ihren unterschiedlichsten
Ausführungen vorzugehen", will das Aktionsbündnis hauptsächlich durch Lobbyarbeit verwirklichen. Außerdem
sollte der starken Position, die Verfechter von Studiengebühren in der veröffentlichten Meinung einnehmen, "kraftvoll
entgegengetreten" werden.
"Studiengebühren sind aus gesellschafts-, sozial- und
bildungspolitischen Gründen abzulehnen", formulierten die Mitglieder des ABS im Krefelder Aufruf. Bildung solle kein
"öffentliches Gut" mehr sein, sondern eine "zu erwerbende und zu bezahlende Dienstleistung", so die
Befürchtung. Kritisiert wird die soziale Wirkung von Studiengebühren: Die strukturell ungleiche private Einkommens- und
Vermögensverteilung in der Gesellschaft reproduziere eine entsprechende "Ungleichheit in der Bildung". Durch
Studiengebühren werde das noch verschärft.
Auch die Mitbestimmungsrechte würden sich verschlechtern, wenn
StudentInnen KundInnen würden. Als Konsequenz fordern die UnterzeichnerInnen des Krefelder Aufrufs ein gebührenfreies
Studium, und zwar ohne Ausnahmeregelungen wie Zweitstudiumsgebühren oder "versteckte" Gebühren, wie
Verwaltungs-, Rückmelde- oder Prüfungsgebühren.
Was im Gründungsaufruf außen vor bleibt, ist ein
gesamtgesellschaftlicher Bezug in jeder Hinsicht. Andererseits werden auch vermeintlich linke Akteure, namentlich SPD, Grüne und
Gewerkschaften dahingehend kritisiert, dass auch bei ihnen "der Grundgedanke einer privaten, individuellen Beteiligung an
institutionellen Kosten des öffentlichen Bildungssystems auf zunehmende Akzeptanz" stoße. Die Kritik an traditionellen
Akteuren hat Folgen für die Praxis: "In keinem Fall reicht es aus, allein auf verhandlungstechnische und taktische Manöver in
Bezug auf Regierungen und Parlamente zu setzen."
Zu diesem Zweck führte das Aktionsbündniss im letzten
Wintersemester eine bundesweite Unterschriftenaktion durch, an der an über 100 Hochschulen insgesamt 120000 Unterschriften, davon
110000 von StudentInnen gesammelt und an Bundesministerin Edelgard Bulmahn übergeben wurden. Neben dieser Unterschriftenaktion
gab das ABS eine Zeitung gegen Studiengebühren heraus und erstellte Broschüren zum Themenkomplex. Die Bonner
Geschäftsstelle informiert laufend über aktuelle Entwicklungen und versucht, mit ihrer Arbeit zu einer besseren Vernetzung der
GegnerInnen von Studiengebühren beizutragen.
Angelegt war das ABS ursprünglich auf zwei Jahre. Was dann
passiert, ist bisher alles andere als klar. Bisher war das ABS eine Ein-Thema-Kampagne, auch wenn die Beteiligten nicht müde wurden,
den Bezug zwischen Bildung und Gesellschaft zu betonen. Versuche, diesen Bezug herzustellen, scheiterten bisher allerdings eher
kläglich. So hieß es in dem Aufruf zu Demonstration: "Der Kampf gegen Studiengebühren betrifft deswegen nicht nur
die Studierenden. Er steht gleichzeitig für vieles andere. Stets ging und geht es auch darum, gemeinsam solidarische Lösungen
für alle in Bildung und Ausbildung Stehenden zu erreichen."
Für was der Kampf nun genau steht, wird nicht gesagt. Und der Blick
über den Tellerrand endet bereits bei den Azubis.
Es bleibt aber festzuhalten, dass die Unterschriftensammlung und die
Demonstration im Juni ohne das Aktionsbündnis mit seiner Organisation und dem Büro nicht möglich gewesen wären.
Dass so viele Menschen zum Ende des Sommersemesters auf die Straße gegangen wären, hätten diverse ASten im Alleingang
Demonstrationen organisiert, ist eher unwahrscheinlich.
Dirk Eckert/Patrick Hagen