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Welche Abstimmungsempfehlung hat die PRC bei den Referenden am 21.Mai gegeben?
Gigi Malabarba: Die PRC hat eine taktische Position eingenommen, die nicht besonders gut mit den Gewerkschaften und ihren verschiedenen
linken Strömungen abgestimmt war. Die Hauptsorge der Partei galt der Abwendung des reinen Mehrheitswahlrechts, weil dies die
Existenz der Partei in Frage stellen würde. Sie hat sich ganz darauf konzentriert, diese eine Vorlage zu Fall zu bringen und deshalb
pauschal zur Nichtteilnahme an der Abstimmung aufgerufen. Sie ist dabei nicht darauf eingegangen, dass die Wählerinnen und
Wähler bei einer Vorlage, nämlich der zum Kündigungsschutz, sehr wohl an die Urnen zu gehen hatten - um mit Nein zu
stimmen!
Mit dieser pauschalen Empfehlung hat sich die Parteiführung
über den Gewerkschaftsflügel hinweggesetzt. Dessen Mitglieder hatten seit Monaten Komitees mit der Forderung "Nein zur
Abschaffung des Kündigungsschutzes!" aufgebaut. Die Empfehlung der Parteiführung, sich der Stimme zu enthalten, stand der
Aufforderung ihrer Gewerkschafter, bei der einen Vorlage mit Nein zu stimmen, entgegen.
Damit stellte sich die PRC auch gegen andere Teile der Arbeiterklasse, die
die Vorlage ablehnen wollten und denen das wichtiger war als die Frage des Wahlrechts. Zum Glück sind die WählerInnen der
Empfehlung der Partei nicht gefolgt. Weil alle Vorlagen abgelehnt wurden, sieht es im Nachhinein natürlich so aus, dass alle gewonnen
haben.
In den Wochen vor der Abstimmung gab es zwischen der
Parteiführung und dem Gewerkschaftsflügel aber schwere Auseinandersetzungen über die Abstimmungsempfehlung. 90% der
GewerkschafterInnen haben sich gegen die Parteiführung gestellt, darunter viele historische Vertreter der italienischen
Gewerkschaftsbewegung.
Wird sich diese Auseinandersetzung in unterschiedliche politische Orientierungen niederschlagen?
Sie wird sicher die alte Diskussion über das Verhältnis zwischen Partei und Gewerkschaft, Partei und Bewegungen erneut ins
Rollen bringen. Die Autonomie der Bewegungen gehört nicht zum Selbstverständnis der PRC. Hier ist sie noch ganz von der
Tradition der früheren PCI (Italienische Kommunistische Partei) geprägt. Die PCI hatte sich zwar von anderen KPs unterschieden,
aber in diesem Punkt, der Hegemonie der Partei über die sozialen Bewegungen, nicht.
Das Abstimmungsergebnis über die Vorlage zum
Kündigungsschutz ist ein nochmaliger Beweis dafür, dass diese Position nicht haltbar ist. Sie drückt ein autoritäres
Verhältnis der Partei gegenüber Bewegungen und Gewerkschaften aus, das die Partei in den letzten Jahren übrigens auch
nicht wenige Parteiaustritte gekostet hat.
Als sich die Strömung um Cossutta abspaltete und die "Partei
der italienischen Kommunisten" (PdCI) gründete, hat ein Flügel, der die Gewerkschaftsströmung Alternativa sindacale
anführt, beschlossen, weder mit der PdCI noch mit der PRC zusammenzugehen; die Mitglieder sind einfach ausgetreten. Das jetzige
Abstimmungsergebnis ist deshalb eine Ermutigung für all die Strömungen in der Partei, die für ein korrektes Verhältnis
der Partei zu den Massenbewegungen kämpfen.
Hat sich die politische Position der PRC jetzt verbessert?
Ja. Seit ihrer Entscheidung vor eineinhalb Jahren, den Haushalt nicht mitzutragen, wird sie nicht mit der Regierungslinken in einen Topf
geworfen, sondern als Partei der Opposition betrachtet.
Die Partei hat eine Weile gebraucht, ihre Position zu vermitteln. Im
vergangenen Jahr wurde ihr noch vorgeworfen, sie hätte mit dem Ausstieg aus der Parlamentsmehrheit einer rechteren Regierung den
Weg geebnet. Heute fällt es ihr leicht zu erklären, warum sie in Opposition zur Mitte-Links-Regierung steht - weil diese ganz offen
eine liberale Politik unter anderem Mäntelchen betreibt. Das hat ihren Wähleranteil um einen Prozentpunkt gesteigert, sie steht
heute bei über 5%, damit scheint ihre parlamentarische Präsenz gesichert.
Die Niederlage und Krise der Mitte-Links-Regierung - das heißt vor
allem der DS (Linksdemokraten, Nachfolgepartei der PCI) als der Hauptkraft in ihr - befördert in der PRC die Neigung zu sagen: Unser
zentrales Ziel ist nicht das Bündnis mit der Mitte-Links-Regierung, sondern der Bruch der Mitte-Links-Koalition.
Die zentrale politische Achse der PRC verschiebt sich damit nach links.
Die DS sollen genötigt werden, mit den Zentrumsparteien zu brechen.
Was dann folgen soll, ist unklar. Einige beziehen sich positiv auf das
französische Modell und die "plurale Linke" (in Frankreich regiert eine Koalition aus PS, PCF und Grünen). Sie halten
ein Bündnis der gemäßigten mit der entschiedeneren Linken für einen Fortschritt gegenüber der jetzigen Situation.
Nach den Regionalwahlen hatte der Parteivorstand diesen Kurs
ausgegeben. Nach den Volksabstimmungen wächst in der Partei nun daneben eine zweite Orientierung: Sie soll Dreh- und Angelpunkt
einer antagonistischen sozialen und politischen Linken sein. Die PRC reiche von sich aus nicht hin, um die Massenpartei aufzubauen, die eine
wirkliche Alternative darstellen kann, dazu müsse sie sich mit anderen politischen und sozialen Kräften verbünden, vor allem
auch mit den neuen sozialen Bewegungen.
Sehr ausgefeilt ist die Debatte noch nicht, viele Aspekte der beiden
Konzepte, die ich jetzt in Reinform einander gegenübergestellt habe, gehen ineinander über. Allerdings besteht kaum eine Gefahr,
dass die Anhänger des französischen Modells ihre Vorstellungen realisieren können, weil es dazu auf Seiten der DS keine
Bereitschaft gibt.
Auf den Seiten der Zeitung Il Manifesto gibt es jetzt eine offene und sehr
interessante Debatte über diese Fragen. Luigi Pintor, ein historischer Vertreter der politischen Strömung, für die diese
Zeitung steht, hat in der politischen Auswertung der Volksabstimmungen einen Vorschlag aus dem vergangenen Jahr neu in die Debatte
geworfen. Pintor sagt: Es ist nicht mehr möglich, die gesamte Linke umzugruppieren, ein Teil davon (die Regierungslinke) will von
seiner linken Vergangenheit nichts mehr wissen. Man muss die Linke neu aufbauen, mit allen antikapitalistischen Kräften, die sich auf die
sozialen Bewegungen stützen.
Das ist sehr gut formuliert, und weil es nicht nur von den radikalen
Kräften in der PRC kommt, wird darüber in der Partei breit diskutiert. Wir sind jetzt nicht mehr die einzigen, die das sagen. Das
kann die Kräfteverhältnisse in der PRC ändern. Wichtig ist, dass Pintor sagt: Die PRC allein reicht nicht, man braucht einen
neuen, breiteren Ansatz, da muss sich auch die PRC in Frage stellen lassen.
Der Vorsitzende der PRC, Fausto Bertinotti, greift diesen Diskurs teilweise
auf, sagt aber natürlich: Die PRC ist unverzichtbar. Damit wird das Projekt der "pluralen Linken" in die zweite Reihe
verwiesen. Nach den Volksabstimmungen hat die Parteiführung nun folgende Orientierung in drei Punkten beschlossen:
- eine Parteireform, die Partei muss sich öffnen; vor den Toren stehen
schon die linken Grünen, die eintreten wollen; das sind nicht viele, aber bekannte Leute - zumeist aus Democrazia Proletaria, der
ehemaligen Organisation der radikalen Linken;
- Aufbau einer alternativen politischen und sozialen Linken;
- eine plurale Linke, um die Mitte-Links-Koalition zu brechen.
Das sind drei Achsen. Da die dritte von ihnen kaum Realisierungschancen
hat, bleibt als realistischer Weg praktisch nur der Aufbau einer antagonistischen Linken. Damit ist der Kurs von Rifondazione Comunista heute
ein linker.