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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.13 vom 22.06.2000, Seite 12

Nach dem Referendum in Italien

Linkswende bei der PRC

Die Volksabstimmungen vom 21.Mai haben der Partei der kommunistischen Neugründung (PRC - Partito della Rifondazione Comunista) einen politischen Erfolg beschert. Dennoch muss sie ihr Verhältnis zu den Gewerkschaften und den sozialen Bewegungen überdenken. Angela Klein sprach für die SoZ mit Gigi Malabarba.

Gigi Malabarba arbeitet bei Alfa Romeo (Mailand) und ist Sekretär der unabhängigen Gewerkschaft SIN Cobas.

Welche Abstimmungsempfehlung hat die PRC bei den Referenden am 21.Mai gegeben?

Gigi Malabarba: Die PRC hat eine taktische Position eingenommen, die nicht besonders gut mit den Gewerkschaften und ihren verschiedenen linken Strömungen abgestimmt war. Die Hauptsorge der Partei galt der Abwendung des reinen Mehrheitswahlrechts, weil dies die Existenz der Partei in Frage stellen würde. Sie hat sich ganz darauf konzentriert, diese eine Vorlage zu Fall zu bringen und deshalb pauschal zur Nichtteilnahme an der Abstimmung aufgerufen. Sie ist dabei nicht darauf eingegangen, dass die Wählerinnen und Wähler bei einer Vorlage, nämlich der zum Kündigungsschutz, sehr wohl an die Urnen zu gehen hatten - um mit Nein zu stimmen!
Mit dieser pauschalen Empfehlung hat sich die Parteiführung über den Gewerkschaftsflügel hinweggesetzt. Dessen Mitglieder hatten seit Monaten Komitees mit der Forderung "Nein zur Abschaffung des Kündigungsschutzes!" aufgebaut. Die Empfehlung der Parteiführung, sich der Stimme zu enthalten, stand der Aufforderung ihrer Gewerkschafter, bei der einen Vorlage mit Nein zu stimmen, entgegen.
Damit stellte sich die PRC auch gegen andere Teile der Arbeiterklasse, die die Vorlage ablehnen wollten und denen das wichtiger war als die Frage des Wahlrechts. Zum Glück sind die WählerInnen der Empfehlung der Partei nicht gefolgt. Weil alle Vorlagen abgelehnt wurden, sieht es im Nachhinein natürlich so aus, dass alle gewonnen haben.
In den Wochen vor der Abstimmung gab es zwischen der Parteiführung und dem Gewerkschaftsflügel aber schwere Auseinandersetzungen über die Abstimmungsempfehlung. 90% der GewerkschafterInnen haben sich gegen die Parteiführung gestellt, darunter viele historische Vertreter der italienischen Gewerkschaftsbewegung.

Wird sich diese Auseinandersetzung in unterschiedliche politische Orientierungen niederschlagen?

Sie wird sicher die alte Diskussion über das Verhältnis zwischen Partei und Gewerkschaft, Partei und Bewegungen erneut ins Rollen bringen. Die Autonomie der Bewegungen gehört nicht zum Selbstverständnis der PRC. Hier ist sie noch ganz von der Tradition der früheren PCI (Italienische Kommunistische Partei) geprägt. Die PCI hatte sich zwar von anderen KPs unterschieden, aber in diesem Punkt, der Hegemonie der Partei über die sozialen Bewegungen, nicht.
Das Abstimmungsergebnis über die Vorlage zum Kündigungsschutz ist ein nochmaliger Beweis dafür, dass diese Position nicht haltbar ist. Sie drückt ein autoritäres Verhältnis der Partei gegenüber Bewegungen und Gewerkschaften aus, das die Partei in den letzten Jahren übrigens auch nicht wenige Parteiaustritte gekostet hat.
Als sich die Strömung um Cossutta abspaltete und die "Partei der italienischen Kommunisten" (PdCI) gründete, hat ein Flügel, der die Gewerkschaftsströmung Alternativa sindacale anführt, beschlossen, weder mit der PdCI noch mit der PRC zusammenzugehen; die Mitglieder sind einfach ausgetreten. Das jetzige Abstimmungsergebnis ist deshalb eine Ermutigung für all die Strömungen in der Partei, die für ein korrektes Verhältnis der Partei zu den Massenbewegungen kämpfen.

Hat sich die politische Position der PRC jetzt verbessert?

Ja. Seit ihrer Entscheidung vor eineinhalb Jahren, den Haushalt nicht mitzutragen, wird sie nicht mit der Regierungslinken in einen Topf geworfen, sondern als Partei der Opposition betrachtet.
Die Partei hat eine Weile gebraucht, ihre Position zu vermitteln. Im vergangenen Jahr wurde ihr noch vorgeworfen, sie hätte mit dem Ausstieg aus der Parlamentsmehrheit einer rechteren Regierung den Weg geebnet. Heute fällt es ihr leicht zu erklären, warum sie in Opposition zur Mitte-Links-Regierung steht - weil diese ganz offen eine liberale Politik unter anderem Mäntelchen betreibt. Das hat ihren Wähleranteil um einen Prozentpunkt gesteigert, sie steht heute bei über 5%, damit scheint ihre parlamentarische Präsenz gesichert.
Die Niederlage und Krise der Mitte-Links-Regierung - das heißt vor allem der DS (Linksdemokraten, Nachfolgepartei der PCI) als der Hauptkraft in ihr - befördert in der PRC die Neigung zu sagen: Unser zentrales Ziel ist nicht das Bündnis mit der Mitte-Links-Regierung, sondern der Bruch der Mitte-Links-Koalition.
Die zentrale politische Achse der PRC verschiebt sich damit nach links. Die DS sollen genötigt werden, mit den Zentrumsparteien zu brechen.
Was dann folgen soll, ist unklar. Einige beziehen sich positiv auf das französische Modell und die "plurale Linke" (in Frankreich regiert eine Koalition aus PS, PCF und Grünen). Sie halten ein Bündnis der gemäßigten mit der entschiedeneren Linken für einen Fortschritt gegenüber der jetzigen Situation.
Nach den Regionalwahlen hatte der Parteivorstand diesen Kurs ausgegeben. Nach den Volksabstimmungen wächst in der Partei nun daneben eine zweite Orientierung: Sie soll Dreh- und Angelpunkt einer antagonistischen sozialen und politischen Linken sein. Die PRC reiche von sich aus nicht hin, um die Massenpartei aufzubauen, die eine wirkliche Alternative darstellen kann, dazu müsse sie sich mit anderen politischen und sozialen Kräften verbünden, vor allem auch mit den neuen sozialen Bewegungen.
Sehr ausgefeilt ist die Debatte noch nicht, viele Aspekte der beiden Konzepte, die ich jetzt in Reinform einander gegenübergestellt habe, gehen ineinander über. Allerdings besteht kaum eine Gefahr, dass die Anhänger des französischen Modells ihre Vorstellungen realisieren können, weil es dazu auf Seiten der DS keine Bereitschaft gibt.
Auf den Seiten der Zeitung Il Manifesto gibt es jetzt eine offene und sehr interessante Debatte über diese Fragen. Luigi Pintor, ein historischer Vertreter der politischen Strömung, für die diese Zeitung steht, hat in der politischen Auswertung der Volksabstimmungen einen Vorschlag aus dem vergangenen Jahr neu in die Debatte geworfen. Pintor sagt: Es ist nicht mehr möglich, die gesamte Linke umzugruppieren, ein Teil davon (die Regierungslinke) will von seiner linken Vergangenheit nichts mehr wissen. Man muss die Linke neu aufbauen, mit allen antikapitalistischen Kräften, die sich auf die sozialen Bewegungen stützen.
Das ist sehr gut formuliert, und weil es nicht nur von den radikalen Kräften in der PRC kommt, wird darüber in der Partei breit diskutiert. Wir sind jetzt nicht mehr die einzigen, die das sagen. Das kann die Kräfteverhältnisse in der PRC ändern. Wichtig ist, dass Pintor sagt: Die PRC allein reicht nicht, man braucht einen neuen, breiteren Ansatz, da muss sich auch die PRC in Frage stellen lassen.
Der Vorsitzende der PRC, Fausto Bertinotti, greift diesen Diskurs teilweise auf, sagt aber natürlich: Die PRC ist unverzichtbar. Damit wird das Projekt der "pluralen Linken" in die zweite Reihe verwiesen. Nach den Volksabstimmungen hat die Parteiführung nun folgende Orientierung in drei Punkten beschlossen:
- eine Parteireform, die Partei muss sich öffnen; vor den Toren stehen schon die linken Grünen, die eintreten wollen; das sind nicht viele, aber bekannte Leute - zumeist aus Democrazia Proletaria, der ehemaligen Organisation der radikalen Linken;
- Aufbau einer alternativen politischen und sozialen Linken;
- eine plurale Linke, um die Mitte-Links-Koalition zu brechen.
Das sind drei Achsen. Da die dritte von ihnen kaum Realisierungschancen hat, bleibt als realistischer Weg praktisch nur der Aufbau einer antagonistischen Linken. Damit ist der Kurs von Rifondazione Comunista heute ein linker.


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