Sozialistische Zeitung |
Ich greife ein Thema wieder auf, das ich schon mehrfach erfolglos behandelt habe - z.B. nach der
Wahlniederlage vor einem Jahr). Es ist das Thema einer neuen politischen Kraft, die wir hervorbringen sollten, die die ganze
Nichtregierungslinke, die Wurzeln in der Gesellschaft hat und auch in den Institutionen arbeitet, eint oder zusammenführt.
Ich behandele es schematisch, mit wenigen Argumenten und vagen Inhalten;
zum einen kann ich es nicht besser, zum andern will ich damit provozieren. Es ist eine fixe Idee von mir, gegen die es unzählige
grundsätzliche und praktische Einwände gibt (weil sie zu abstrakt, zu unreif, voluntaristisch oder anderes ist). Aber sie darzulegen
schadet niemandem.
In einem Jahr (mehr oder weniger) wird es Neuwahlen geben. Wir
brauchen deren Bedeutung nicht zu überschätzen, nachdem die angebotenen Alternativen sich alle sehr ähnlich sehen, aber
wir müssen damit umgehen. Es ist schwer, das vor den Volksabstimmungen und in Unkenntnis des Wahlrechts zu tun. Aber wir
können nicht warten.
Wenn die Rechte gewinnt, bildet sich vielleicht eine ernsthafte Opposition
heraus, aber das ist eine gewagte Hypothese und es wird nicht lustig werden. Wenn die Mitte-Links-Koalition gewinnt (was unwahrscheinlich
ist), bekommen wir kein kleineres Übel, sondern ein anderes Übel, die Politik von dAlema (Blair) im Quadrat, und es wird
nicht lustiger werden.
Bertinotti und seine Partei [Rifondazione Comunista] werden in der
Klemme stecken, ob sie in die Regierungskoalition eintreten sollen (dann verschwinden sie) oder ob sie die aufrechten Zeugen abgeben sollen
(dann verschwinden sie auch, aber mit dem Recht auf die Tribüne). Beim Verhältniswahlrecht stellt sich das Problem nicht so
krass, aber wir selbst haben diese demokratische (wenngleich deutsche) Möglichkeit Berlusconi überlassen.
Wir müssen aus diesem Käfig ausbrechen, müssen diesen
politischen Rahmen mit seinen tödlichen Zwängen destabilisieren, etwas qualitativ Neues einbringen. Ich sehe keine andere
Möglichkeit, keinen anderen Weg als den, eine politische Kraft auf den Weg zu bringen, die in der Lage ist, sich an die Millionen
Menschen zu wenden, die heute nicht wählen, Augen und Nase zuhalten, die keine Vetretung haben und aus guten Gründen mit der
Politik Schluss gemacht haben.
Ich will grob die Kräfte und Erfahrungen aufführen, die rein
theoretisch verfügbar sind, weil sie mindestens einen gemeinsamen antikapitalistischen Nenner haben. Ich bezeichne sie zusammen als
die "Antiregierungslinke", das sind: Rifondazione Comunista, die einzige bereits formierte Kraft, die Gewerkschaftslinke, die
sozialen Zentren, viele Basisinitiativen, die keinen politischen Bezug haben, der Teil der demokratischen Kultur, der nicht in das System
aufgegangen ist und ihm widersteht, die Minderheitsströmungen und unteren Bevölkerungsschichten, die zu den DS gehören
und darunter leiden, Frauen und Männer, die in den großen Bereichen des ehemaligen Sozialstaats arbeiten, der Bereich der
ungeschützten Beschäftigung und der Ausgegrenzten.
Warum berufen wir nicht bis nächsten Herbst einen
Gründungskongress ein, aus dem wir eine politische Formation hervorgehen lassen, die das genannte Potenzial und die Fragen, die es
aufwirft, verbindet und dabei auch ein paar Antworten anbietet? Ich spreche nicht von einem Bund oder einer Partei, sondern von einer
"politischen Formation", die Vereinigte Linke heißen könnte, mit neuartigen elastischen Organisationsformen, an die wir
unsere Fantasie verschwenden können.
Wenn ich sage "einberufen", weiß ich nicht, an wen ich
mich wende. Eine solche Initiative kann in Wirklichkeit aus naheliegenden Gründen nur oder hauptsächlich von Rifondazione und
ihrer Führung ausgehen: wegen dem, was sie darstellt, wegen ihrem Zugang zu den Informationsmitteln und weil sie schon tiefer im
Strudel steckt als unsere verschiedenen Zeitungen, Zeitschriften oder unsere individuellen Vorstellungen.
Wir haben da eine lange Geschichte zurückzuholen, das gute Erbe der
Arbeiterbewegung und des italienischen Kommunismus. Wenn ich das in dieser Zeitschrift schreibe, dann vielleicht deshalb, weil sie von
einem zusammengesetzten Kollektiv geführt wird, das einer solchen Vereinigten Linken und all dem ähnlich sieht, wofür Il
Manifesto immer gearbeitet hat.
Es ist nicht unmöglich, ein Programm mit kurz- und mittelfristiger
Zielsetzung zu schreiben, als kleinster gemeinsamer Nenner für eine solche Operation. Es ist auch nicht unmöglich, wenn auch
schon schwerer, ein solches Programm in einen allgemeineren Rahmen oder in eine Perspektive zu stellen, die unveräußerliche,
wenn auch inaktuelle Grundsätze und Ideale bekräftigt.
Was wir bekämpfen, ist nicht der Liberalismus oder der wilde
Kapitalismus - das sind leichte Ziele -, sondern der Kapitalismus ohne Zusätze: das ist unser Feind, Entwicklung und Wachstum ohne
Sinn und ohne Zweck für die Gemeinschaft, eine Art des Produzierens, Konsumierens und Lebens, die für einen großen Teil
der Welt eine Art nicht zu produzieren, konsumieren und zu leben bedeutet und die auch in der fortgeschrittenen Welt Unglück
hervorrufen. Ich betone auch die Notwendigkeit des Ideenstreits, jenseits der Wahlkämpfe, an die sich dieser Text auch richtet.
Ich verspüre die Notwendigkeit nach einer Erneuerung, auch in Bild
und Stil. Ich weiß, dass die eilige Katze blinde Kätzchen macht, aber das gab es schon und unser einziges Risiko ist, dass wir das
Augenlicht zurückerlangen.
Luigi Pintor