Sozialistische Zeitung |
In einem vor kurzem erschienenen Buch mit dem Titel "Die Welt ist keine Ware" (französisch bei La
Découverte) haben du und dein Mitautor François Dufour die Komplizenschaft des traditionellen Verbands der
französischen Landwirte, FNSEA, mit dem Staat bei der Durchsetzung einer "produktivistischen" Landwirtschaft
enthüllt und kritisiert. Wie hat es eure Organisation geschafft, sich dieser Logik zu widersetzen, sich Gehör zu verschaffen und unter
den Bauern Glaubwürdigkeit zu gewinnen?
José Bové: Wie jede andere Gewerkschaft auch: Wenn die Leute sich betrogen fühlen, verstehen sie die Logik eines
Apparats, der sie eigentlich vertreten soll, in Wirklichkeit aber verrät und gegen ihre Interessen arbeitet. Den Leuten wird etwas bewusst,
sie entscheiden sich und beziehen Stellung. In der bäuerlichen Welt ist ein Bewusstwerdungsprozess über die Art zu arbeiten und
die Art, sie auszubeuten, im Gang, gleichzeitig lernen die Leute, sich kollektiv gegen multinationale Konzerne, die Banken und den Staat zu
wehren.
Welchen Zusammenhang siehst du zwischen dem Kampf der französischen Gewerkschafter und den internationalen Kämpfen,
z.B. der Bauern im Süden oder der Gewerkschafter in Nordamerika?
Heute kann der Kampf gegen die Globalisierung nicht mehr korporatistisch geführt werden. Er muss gemeinsam von all den
Sektoren der Gesellschaft geführt werden, die Opfer dieser Form der Globalisierung sind. Es ist unerlässlich, die Spielregeln zu
ändern.
Unter den Bauern z.B. haben wir eine internationale Struktur geschaffen, sie
heißt "Via campesina" und versammelt Bauern aus allen Kontinenten, die gemeinsam für dieselben Ziele kämpfen.
In Europa bedeutet das den Kampf gegen die Gemeinsame Agrarpolitik der EU, die Ungleichgewichte und Ungerechtigkeiten, die sie hervorruft.
In Südamerika führt derselbe Ansatz zum Kampf für eine
Agrarreform und gegen die Multis, die Hunderttausende von Bauern von ihrem angestammten Land vertreiben, um die landwirtschafliche
Produktion zu monopolisieren.
Das ist ein globaler Kampf, der nicht nur die bäuerliche
Bevölkerung betrifft; auf der Demonstration in Seattle hat der US-amerikanische Dachverband der Gewerkschaften, AFL-CIO, akzeptiert,
dass an der Spitze des Demozugs ein Bauer pro Kontinent lief.
Immer häufiger ist von einem "neuen Internationalismus" die Rede. Teilst du diese Formel und worauf kann er sich
stützen?
Ich teile sie in dem Maße wie das, was wir aufgebaut haben, bereits die Form einer neuen bäuerlichen Internationale hat.
Das ist das erste Mal, das es so etwas gibt. Noch heute leben über 50% der Weltbevölkerung von der Landwirtschaft.
Wenn man die Bauern aus der ganzen Welt gegen die Multis und um ein
globales Projekt landwirtschaftlicher Produktion sammelt, das den Menschen erlaubt, von ihrer Hände Arbeit zu leben und die
örtlichen Bevölkerungen zu ernähren, dann ist das eine Art und Weise, die Forderung nach einer anderen Wirtschaftsordnung
auf die Tagesordnung zu setzen, die neue Formen des Austauschs zwischen den Produzenten ermöglicht.
Das ist dieselbe Form des Internationalismus, wie er zwischen
Gewerkschaften und vermittelt über die Netzwerke der sozialen Bewegungen entsteht, die gegen die Globalisierung kämpfen.
Je nachdem, wer seine Träger sind und von welchen besonderen
Bedingungen diese ausgehen müssen, bekommt er andere Konturen, aber er ist in der Lage, kurzfristig und langfristig gemeinsame Ziele zu
formulieren, um die Welt zu verändern.
In Kürze wird es in Frankreich Wahlen zu den Landwirtschaftskammern der Départements geben. Wie werdet ihr
auftreten?
Die Confédération Paysanne erhält vor allem Zulauf in den Regionen des Großen Westens, gerade dort,
wo das produktivistische Modell in der Krise ist, und wo dessen Urheber, vor allem die Viehzüchter, heute zu Opfern eben jenes
Modells werden, weil die Preise fallen und die Schulden steigen.
In der Bretagne reicht die Stärke der Confédération
Paysanne dicht an die des FNSEA heran. Im Département Loire-Atlantique liegen wir vorn, im Département Manche halten wir
35%...
Mit unserem Erfolg ist der Druck der sehr mächtigen
produktivistischen Lobby, die auch Banken wie den Crédit Agricole oder die Versicherungsgruppe Groupama umfasst, auf die Bauern
stark gestiegen. In vielen Fällen führt das dazu, dass die Leute für uns stimmen, es aber öffentlich nicht zugeben.
Wir müssen sehen, dass die Verantwortlichen des FNSEA vielfach
regelrechte "Lokalfürsten" sind, die über mächtige Erpressungsinstrumente gegenüber den Bauern
verfügen (vor allem Kredite…). Unter diesen Bedingungen müssen wir mit dem vorherrschenden bäuerlichen
Verbandswesen brechen, das erfordert Kämpfe. Unsere Wahlerfolge verdanken wir den Bauernkämpfen in diesen
Regionen.
Das Interview führte die französische Wochenzeitung "Rouge".