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Nun sind Freundeskreis auch in der erweiterten Runde so rebellisch wie eine schnurrende Hauskatze vor dem
Kaminfeuer. Trotzdem haben sie mit "Leg dein Ohr auf die Schiene der Geschichte" das stärkste deutschsprachige
Agitproplied in der Ära nach Ton Steine Scherben gemacht. Im Juni legten sie unter dem Etikett FK Allstars ihre dritte Plattenproduktion
als Doppel-CD und Dreifach-Vinyl vor.
Die Präsentation der CD macht deutlich, wie dem Kopieren von CDs
wesentlich besser begegnet werden kann als durch die verlogene "Copy-kills-music"-Kampagne der großen Labels. In einem
32-seitigen Booklet im Format von zwei nebeneinander gelegten CD-Hüllen wird über die Interpreten, die Lieder und ihre
Geschichte informiert. Versehen mit einem Hardcover und illustriert mit Tourbildern haben die CDs so wesentlich mehr als eine der
üblichen Verpackungen bekommen.
Im Dezember letzten Jahres starteten Freundeskreis zusammen mit neun
Musikerinnen und Musikern in einer insgesamt 50-köpfigen Crew eine Tour durch zehn Städte in Deutschland und der Schweiz. Auf
40 Spuren wurden außerdem vier Konzerte von Professor Werner Roth und Studierenden der Robert-Schumann-Hochschule Stuttgart
aufgenommen.
Wahrscheinlich eine bisher einzigartige Kooperation, die wesentlichen
Einfluss auf die hervorragende Klangqualität der Doppel-CD hatte. Die Zusammenstellung der produzierten Stücke ist sowohl eine
Art "best of" Freundeskreis wie auch eine Auswahl von Titeln der Musikerinnen und Musiker, die nicht zum ursprünglichen
Trio gehören.
Weil ihre Texte komplexer als das "Beweg deinen Arsch zur Sonne
zur Freiheit” der Hamburger Schule und ihre Liebeslieder intelligenter sind als das, was in den Vororten von Frankfurt produziert wird, haben
Freundeskreis u.a. das Etikett "Die Verkopften aus Benztown” aufgedrückt bekommen. Gegen die Bezeichnung "Jesus von
Benztown” hat Max Herre bereits erfolgreich geklagt, weil er "damals nicht den Abstand hatte, das witzig zu finden".
Wenn Herre allerdings sagt, dass sie "nun mal HipHop, Reggae und
Soul" machen, vergisst er eine wesentliche Musikrichtung, aus denen sich Freundeskreis vor allem live speisen: den Jazz. Dabei ist diese
Quelle unbedingt heranzuziehen, wenn es um intelligente Lyrics geht, die aus dem Bauch kommen. Wie Frank Kuruc auf der akustischen Gitarre
das Chemnitzer Publikum begleitet, Tommy Wittinger auf den Becken den Takt dabei vorgibt, Max Herre als MC das Publikum dirigiert und DJ
Friction feinfühlig in den Chorus hineinscratcht, erinnert das mehr an einen Auftritt von Miles Davis als an HipHop, Reggae oder Soul.
Damit mögen die FK Allstars zwar etwas überbewertet sein,
aber wie sie sich in diesem Sommer auf dem Berner Gurtenfestival präsentierten, wo kein Mensch dem Regen wich, zeigte, dass sie das
Publikum in ihren Bann ziehen können. Das live mehr gesungen wird als auf den bisherigen Produktionen von Freundeskreis, ist neben
Gentleman vor allem den drei Frauen zu verdanken: Brooke Russel aus San Francisco, seit 1993 in Köln, sprang auf der 1999er Tour
für Deborah von Sens unik aus Lausanne ein, die nur auf "Petite File" zu hören ist, und Joy Denalane, die bereits auf der
Single "Mit dir" mitgewirkt hat. In Bern waren alle drei dabei, und viele im Publikum hätten sie gern häufiger im
Vordergrund gehört.
Da alle Musikerinnen und Musiker auch ihre eigenen Wege und
Produktionen verfolgen, wird es schwieriger, diese Session zusammen zu bekommen. Wer einen Live-Auftritt erleben kann, sollte das
wahrnehmen, dem Rest sei diese Platte empfohlen. Max Herre hofft im musikexpress sounds, dass "die Leute die Platte kaufen und uns
damit unterstützen in unserem Kampf gegen die großen Plattenfirmen". Die Platte wird übrigens von Sony vertrieben.
Soviel zum rebellischen Charakter des Freundeskreis-HipHops.
DJ Tommy