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Sechsundsechzig Millionen Dollar erstatteten Genfer Justizbehörden Ende Juli der im vergangenen Jahr
demokratisch gewählten nigerianischen Regierung unter Olesegun Obasanjo. Bei der Summe handelte es sich um
unrechtmäßige Geldtransfers des ehemaligen Diktators Sani Abacha.
Bereits in ihren Ausgaben vom 1.Febraur dieses Jahres hatten sowohl der Berliner
Tagesspiegel als auch das Handelsblatt über vermutliche Finanztransfers des Diktators auch nach Deutschland berichtet. Insgesamt soll es
sich um eine Summe von 3 Milliarden US-Dollar handeln, die größtenteils auf europäischen Konten liegen. Das Geld stammt
von der nigerianischen Zentralbank oder wurde direkt als Schmiergeld für geplante Geschäfte in Nigeria an die europäischen
Banken überwiesen. Auch deutsche Firmen waren in die Korruptionsaffären mit dem Abacha-Regime verwickelt.
Obwohl es in Nigeria reiche Erdölvorkommen gibt, zählt das
bevölkerungsreichste Land Afrikas zu den weltweit 20 ärmsten Ländern - zwei Drittel der Bevölkerung leben
unterhalb der Armutsgrenze. Seine Auslandsschulden belaufen sich auf ca. 34,6 Milliarden Dollar, für das Haushaltsjahr 2000 muss die
Regierung allein 1,5 Milliarden Dollar Schuldentilgung zahlen. Gegenüber den öffentlichen Kreditgebern in Deutschland steht
Nigeria mit 6,4 Milliarden DM in der Kreide.
Ein großer Teil der Schulden seien Rückstände, so die
Bundesregierung in einem Bericht vom 13.April über den Besuch des Außenministers in Nigeria. Das Zahlungsverhalten bezeichnet
sie als "weiterhin unbefriedigend". Die Bundesregierung und die anderen Gläubiger im Pariser Club seien jedoch bereit, mit
Nigeria über eine Umschuldung zu verhandeln. Voraussetzung sei allerdings die "Verabschiedung eines wirtschaftlichen
Stabilisierungsprogramms mit dem IWF". Durch die "Umschuldungsregelung" solle sichergestellt werden, dass Nigeria
"unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dauerhaft seinen externen Zahlungsverpflichtungen
nachkommt".
Die Bundesregierung erwähnt in ihrem Bericht zwar die illegalen
Geldtransfers des 1998 verstorbenen Diktators in die Schweiz, geht aber mit keinem Wort auf die erhobenen Vorwürfe ein, dass auch
Schmiergelder nach Deutschland überwiesen worden seien. "Solange die Bundesregierung nicht mit Sicherheit ausschließen
kann, dass nigerianisches Geld in Deutschland liegt, sollte sie sich mit ihrer Afrika-Politik nicht rühmen", meint Carsten
Hübner, der entwicklungspolitische Sprecher der PDS.
Die Regierung Obasanjo hätte schon kurz nach dem Regierungsantritt im
vergangenen Jahr die meisten europäischen Regierungen, darunter auch die Bundesregierung, um Unterstützung in dieser Frage
gebeten, erklärt Hübner. In einer Kleinen Anfrage vom 26.April bestreitet dies jedoch die Bundesregierung. "Die
nigerianische Regierung ist bislang noch nicht mit einem Rechtshilfeersuchen an die Bundesregierung herangetreten", lautet ihre
Antwort.
Gerhard Klas