Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.18 vom 31.08.2000, Seite 4

Dokumentation

Rentenversicherung gegen ‘Rot-Grün‘ verteidigen

Die Initiative für eine Vernetzung der Gewerkschaftslinken wendet sich gegen die von "Rot- Grün" geplante Rentenreform. Hauptkritikpunkte sind die geplante Entlastung der Arbeitgeber und die drastische Senkung des sozialen Sicherungsniveaus bei Erwerbsminderung, im Alter und Hinterbliebenenfall. Die SoZ dokumentiert einen gekürzten Aufruf der Initiative.
Nur die Beibehaltung der paritätischen Finanzierung, die sich nicht dem Dogma der Lohnnebenkostensenkung unterwirft, und die Aufrechterhaltung des sozialpolitischen Ziels der Lebensstandardsicherung können Grundlage für weitergehende Reformen sein. Die gesetzliche Rentenversicherung muss armutsfest gemacht werden. Die Benachteiligung von Frauen, NiedrigverdienerInnen und Erwerbstätigen außerhalb des Normalarbeitsverhältnisses durch das aktuelle Rentenrecht kann sozialpolitisch ausgeglichen werden.
Dafür würde es sich lohnen, den Kreis der Rentenversicherungspflichtigen auszuweiten, die Flucht aus der Rentenversicherung zu stoppen, auch höhere Einkommen zu erfassen und sofern erforderlich, auch höhere Beitragssätze durchzusetzen. Auch wenn wir aus guten Gründen die solidarische Rentenversicherung gegen eine große Koalition von SPD, Grünen, FDP und Union verteidigen, wissen wir um die Mängel des jetzigen Rentensystems. Diese Probleme können aber nicht durch Privatisierung und Einführung des Kapitaldeckungsverfahren, sondern nur durch mehr Solidarität und Umverteilung gelöst werden.
- Der Beitragssatzanstieg soll auf maximal 22% (bis 2030) gedeckelt werden. Die Arbeitgeber hätten dann nur noch 11% zu zahlen. Dies ist auch eine der Konsequenzen des Bündnisses für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit, das den Unternehmen Entlastung bei den Lohnnebenkosten garantierte.
- Die Sicherungslücken, die der geplante Sozialabbau aufreißt, sollen alleine die Arbeitnehmer im Wege der Privatvorsorge schließen. Nicht Entlastung, sondern zusätzliche Belastung gerade auch der jüngeren Arbeitnehmer lautet also die rot-grüne Devise.
Die Beschäftigten hätten künftig immer 4 Prozentpunkte mehr zu zahlen als die Arbeitgeber. Im Jahre 2030 betrüge der Arbeitnehmeranteil zur Altersvorsorge 15% - das sind 3 Prozentpunkte mehr, als bei Aufrechterhaltung der solidarischen Rentenversicherung Der Anteil der Arbeitgeber betrüge hingegen nur noch 11%. Das Rentenniveau soll weiter sinken - für die Älteren auf das von Schröder bislang als "unanständig" titulierte Blüm-Niveau und für die Jungen noch weit darunter. Ein Rechentrick - die private Vorsorge wird einfach vom durchschnittlichen Nettolohn abgezogen - sorgt nämlich dafür, dass die von der Bundesregierung gehandelten Zahlen zur künftigen Niveauentwicklung um rund 3,5 Prozentpunkten zu hoch ausgewiesen werden. Für viele ArbeitnehmerInnen, die nicht 45 Jahre ununterbrochen mindestens durchschnittlich verdient haben, bedeutet dies mit zunehmender Wahrscheinlichkeit: Armut im Alter.
- Die rot-grüne Privatvorsorge soll nur Einkommensrisiken im Alter sichern. Was aber ist bei Erwerbsunfähigkeit und im Hinterbliebenenfall? Warum sollen Frauen für die gleiche Prämie weniger Leistungen erhalten? Warum sollen Zeiten der Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Kindererziehung nicht abgesichert werden? Private Vorsorge kennt nicht nur keine Parität bei der Finanzierung, sondern auch keinen Solidarausgleich bei den Leistungen.
- Die Arbeitgeber dürfen nicht aus der paritätischen Finanzierung entlassen werden. Die Politik der Umverteilung in Form von Steuergeschenken und Senkung von Löhnen und Lohnnebenkosten ist trotz allem Gerede vom Politikwechsel von der Schröder-Regierung fortgesetzt worden
- Die Bekämpfung von Altersarmut muss innerhalb der solidarischen Rentenversicherung gelöst werden: kurzfristig durch eine soziale Grundsicherung und mittel- bis langfristig durch die Schließung von rentenrechtlichen Sicherungslücken infolge Erwerbslosigkeit, Niedriglohnarbeit und Erziehungszeiten.
- Die vorgesehene drastische Senkung des Rentenniveaus zerstört die Akzeptanz und Legitimation der solidarischen Rentenversicherung, weil selbst nach erwerbslebenslanger Beitragszahlung der Abstand zwischen Rente und Sozialhilfe immer geringer würde. Weitere Angriffe auf die Höhe der Sozialhilfe durch Regierung und Unternehmer erhielten dadurch zusätzliche Schubkraft.
Auch die Weiterentwicklung der betrieblichen Altersversorgung (von der bisher vor allem Männer und Beschäftigte in Großbetrieben etwas haben) kann niemals Ersatz sein für eine lebensstandardsichernde soziale Rentenversicherung für alle. Selbst eine für alle Arbeitgeber verpflichtende betriebliche Altersversorgung, die von Rot-Grün kategorisch ausgeschlossen wird, erreicht immer nur die, die in Beschäftigung stehen. Und es bleibt die Frage: Wenn schon obligatorisch und paritätisch finanziert - warum dann nicht innerhalb der solidarischen Rentenversicherung? Gleiches gilt im Übrigen auch für die Forderung nach einer paritätisch finanzierten Privatvorsorge. Die sozialpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten sind in der solidarischen Rentenversicherung größer als in jeder Form von betrieblichen Altersversorgung oder gar im Rahmen privater Vorsorgemodelle.
Die Leistungseinschränkungen der Vergangenheit berühren zwar nicht das rechnerische modellhafte Standardrentenniveau; sie hatten aber schlimme Auswirkungen auf das von vielen ArbeitnehmerInnen erreichbare Absicherungsniveau im Alter oder bei Invalidität. Umso wichtiger ist es heute, das verteilungspolitische Ziel der Lebensstandard- und Existenzsicherung im Alter und die paritätische Finanzierung der Alterssicherung ohne wenn und aber beizubehalten. Beides ist ohne Überforderung der Beitragszahler in den kommenden Jahrzehnten möglich.

Wer den Aufruf mitunterzeichnen möchte, wendet sich an: Initiative für Vernetzung der Gewerkschaftslinken, Kontakt: Heinz- Günter Lang, Postfach 1201, 64660 Alsbach-Hähnlein, Fon (06257) 1468. Informationen zur Sozial- und Rentenpolitik: AG Sozialpolitik c/o Andreas Bachmann, Fax (040) 42936914, E-Mail: bachmann. hamburg@t-online.de.



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