Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.18 vom 31.08.2000, Seite 12

Fatale Transaktionen

Handel mit Diamanten und Öl finanziert Krieg in Angola

Es ist besser, einen Krieg auszubeuten, als ihn zu gewinnen. Dieses nüchterne Fazit kann aus der Betrachtung der nicht enden wollenden Kriege im südlichen Afrika gezogen werden. Das Beispiel der angeblich undurchschaubaren afrikanischen Massaker belegt das Vorhandensein einer kalkulierten politischen Ökonomie des Krieges. Ethnische Konflikte oder Machtfragen spielen eine untergeordnete Rolle, auch wenn die Medien dies gerne verbreiten. Die Spuren der Kriegsprofiteure können hervorragend identifiziert werden: Transnationale Konzerne, Regierungen, private Söldnerfirmen und deren Verbindungen. Die global players sind dabei ebenso austauschbar wie die Handelsware oder das Land.
Zum Beispiel Angola. Dort finanziert der Handel mit Diamanten und Öl einen seit drei Jahrzehnten andauernden Krieg. Zwischen 1992 und 1998 erzielte die von Jonas Savimbi geführte antikommunistische Rebellenbewegung UNITA im Krieg gegen die Regierung Gewinne von mindestens 3,7 Milliarden US-Dollar aus Diamantenverkäufen.
Die Märkte in Europa bilden das Rückgrat der Kriegsfinanzierung der UNITA. Derzeit ist Angola weltweit nach Botswana, Russland und Südafrika der viertgrößte Diamantenproduzent mit einem Produktionsvolumen von ca. 600 Millionen US-Dollar jährlich.
Wichtiger Abnehmer der UNITA-Diamanten war jahrelang der Großkonzern De Beers. Seit 60 Jahren dominiert das britisch-südafrikanische Unternehmen und seine Central Selling Organization (CSO) die internationale Diamantenindustrie, indem sie über 65% der weltweiten Diamantenproduktion klassifizieren, bewerten und verkaufen. 1998 machte De Beers einen Umsatz von rund 3,3 Milliarden US-Dollar. Im Zuge der gigantischen Werbekampagne zum Millenniumswechsel stieg das Verkaufsvolumen der CSO um 57%, auf 5,2 Milliarden US-Dollar.
Zur Unterbindung dieser Geschäfte verabschiedete der UN-Sicherheitsrat 1998 eine Resolution, die den direkten oder indirekten Export von nicht-offiziellen angolanischen Diamanten verbietet. Dies betrifft Diamanten, die kein Herkunftszeugnis (Certificate of Origin) besitzen und schließt daher die von der Regierung gehandelten Diamanten nicht mit ein.
De Beers bekundete im Herbst 1999, sich vollständig vom angolanischen Markt zurückziehen zu wollen und damit über die Vorgaben des UN-Embargos hinaus zu gehen. Inzwischen wirbt der Großkonzern mit einer neuen Geschäftsidee, den conflictfree diamonds: "Mit der Entscheidung, diesen Schritt zu machen, versucht De Beers, die internationalen Bemühungen für einen Frieden in mehreren afrikanischen Staaten zu unterstützen und sicherzustellen, dass der legale Diamantenhandel kein negatives Image bekommt durch die wenigen Diamanten, die von Rebellen zur Finanzierung von Kriegen eingesetzt werden."

Ethische Bergbaupolitik

Die »ethische Bergbaupolitik« von De Beers bedeutet einen Strategiewandel: Der illegale Markt schwer kontrollierbarer Diamantenschmuggler und Kleinförderer gewinnt im afrikanischen Diamantenhandel zunehmend an Einfluss. De Beers drohte die Kontrolle über den Markt zu verlieren.
Die veränderte Haltung des Konzerns entpuppt sich als geschickter Schachzug, den Markt wieder in den Griff zu bekommen. Ohne Söldner zu bezahlen, sorgt die UN dafür, die Marktstellung des Großkonzerns zu sichern. Ed Epstein, Autor des Buches The Rise and Fall of Diamonds wirft De Beers vor, die UN und deren Sanktionspolitik gegen conflict diamonds zu funktionalisieren. Kein Wunder, so Epstein, dass De Beers die Verbannung "inoffizieller" Diamanten befürwortete; genau diese Steine, die für den Schmugglermarkt aus den Flussbetten Angolas geholt werden, machen De Beers Konkurrenz.
Die Angst vor einer groß angelegten Kampagne gegen conflict diamonds wird in der Diamantenbranche thematisiert. US-amerikanische Analysten raten dem Handelsblatt vom 12.April 2000 zufolge wegen der "drohenden Kampagne von Dritte-Welt-Gruppen" sogar zum Verkauf von De Beers-Aktien. Diese Furcht, begründet oder nicht, hat der 1999 von medico international und europäischen Partnerorganisationen gestarteten Kampagne Fatal Transactions genutzt: Ende Juli 2000 fand in Antwerpen der World Congress of Diamonds statt, der eine Resolution, unterzeichnet vom Internationalen Diamantenherstellerverband und dem Weltbund der Diamantenbörsen, beschloss, in Zukunft keine Schlupflöcher für Kriegsdiamanten zu lassen. Nie zuvor hatte ein Diamantenkongress in so hohem Maße das Interesse der Weltöffentlichkeit auf sich gezogen.

Öl für den Krieg

Während die Rebellenbewegung UNITA ihre Waffenkäufe weitgehend aus den Einnahmen der Diamantenausfuhr finanziert, ist die MPLA-Regierung Angolas unter Staatspräsident José Eduardo dos Santos hauptsächlich auf den Ölexport angewiesen. Nach neuen Funden wird Angola bald zum größten Erdölexporteur Afrikas südlich der Sahara aufsteigen. Öl im Wert von 11 Millionen US-Dollar wird jetzt schon täglich gefördert.
Durch die kriegsbedingte Zerstörung fast aller anderen Wirtschaftszweige ist Angolas Regierung heute mehr denn je auf die Einnahmen aus dem Ölgeschäft angewiesen. Angola gilt inzwischen weltweit als eines der lukrativsten Explorationsgebiete. Die guten Rahmenbedingungen - die Ölfelder liegen offshore, d.h. vor der Küste und damit außerhalb der Reichweite der UNITA - lockt immer mehr Investoren ins Land. Die Namen der bedeutendsten Ölkonzerne: Chevron, Elf Aquitaine, BP-Amoco und Exxon/Mobil.
Die Global-witness-Studie A Crude Awaking hat aufgedeckt, dass einige Ölfirmen (Elf, Chevron, Agip) doppelt profitieren, indem sie auf der einen Seite Öl exportieren und andererseits Waffen (zumeist über Zwischenhändler) importieren.
Die korrupte angolanische Regierung vergibt Ölförderlizenzen an Firmen wie Prodev, Napha und Falcon, die zwar über keine Erfahrung im Ölgeschäft, dafür aber über Verbindungen zu Waffenhändlern verfügen.
Die US-amerikanische Regierung hat, nachdem sie politisch 20 Jahre lang die rechtsgerichtete UNITA im Kampf gegen die damals sozialistische Regierungspartei MPLA unterstützte, die Seiten gewechselt. Sie steht nun der angolanischen Regierung zur Seite. "Zu der veränderten amerikanischen Haltung kam es nach neuen Ölfunden vor der Küste Angolas, die die strategische Bedeutung des Landes erhöhten", so der nüchterne Kommentar der FAZ vom 20.12.1999. Wobei die UNITA-Unterstützung die USA auch schon damals nicht davon abhielt, von der Regierung Öl zu kaufen.

Multinationaler Neokolonialismus

Was die Kontrolle über Bodenschätze betrifft, so stehen private Söldner an der Seite der Großkonzerne und der afrikanischen warlords. Sie assistieren seit vielen Jahren den kriegsführenden Parteien und den transnationalen Konzernen in Angola und anderswo in Afrika. Sie bewegen sich außerhalb der Kontrolle von Regierungen und der UN-Gemeinschaft.
Die südafrikanische Sicherheitsagentur Executive Outcomes (EO) war lange Zeit marktführend in der privaten Sicherheit. Sie rekrutierte ihre Söldner größtenteils aus der berüchtigten Koevot-Spezialeinheit der ehemaligen südafrikanischen Armee. Die Angebotspalette umfasst sämtliche militärische Dienstleistungen, die für einen Bodenkrieg notwendig sind. 1992 hat EO für die in Angola operierenden Ölgesellschaften Gulf Chevron und Petrangol Ölfelder an der Küste von Soyo geschützt.
Zwei Jahre später eroberten die Söldner die Diamantenzentren Saurimo und Cafunfo in der Provinz Lunda Norte zurück. Hauptgewinner dieser Operation war der Diamantenkonzern De Beers, der mit wachsendem Unmut die Kontrolle der UNITA über die Diamantengebiete beobachtete, sowie der mit EO assoziierte Konzern Diamond Works.
Oft werden die afrikanischen Regierungen durch die Interessenallianz von privaten Sicherheitsagenturen und ausländischen Konzernen in eine Geiselrolle gebracht: eine Art»Multinationaler Neokolonialismus« am Ende des 20. Jahrhunderts. Im US-Pentagon sind Söldnervertreter inzwischen hoffähig geworden und dürfen bei einschlägigen Planungssitzungen präsent sein.
Es hat sich ein Markt herausgebildet, in dem militärische Offensiven, wirtschaftliche Ambitionen und humanitäre Erwägungen ineinandergreifen und mit dem redundanten Verweis auf Sicherheitsinteressen gerechtfertigt und gemeinsam durchgesetzt werden. Die Fortsetzung neoliberaler Wirtschaftspolitik wird die weitere Privatisierung von Sicherheit vorantreiben und Sicherheit als öffentliches Gut wird verschwinden.

Ökonomie des Krieges

Die Ursachen des langen Krieges in Angola eindeutig zu benennen, fällt schwer.
Nach dem Ende der Blockkonfrontation - in dieser Phase war Angola Schauplatz eines klassischen Stellvertreterkriegs - die MPLA wurde von der UdSSR und Kuba unterstützt, die UNITA von Apartheid- Südafrika und den USA - brach die Finanzierung des Krieges für beide Kriegsparteien zusammen. Eine neue Kriegsökonomie musste etabliert werden, die die Kontrolle der lokalen Ressourcen und die Beherrschung des Marktes weiterhin sicherstellen konnte. Insbesondere für die Rebellenbewegung UNITA war dieser Schritt unumgänglich, um eine Marginalisierung zu vermeiden.
Ideologische Gegensätze haben im angolanischen Krieg keine Bedeutung mehr. Heute ist die afrikanische Wirtschaft über die Bodenschätze mit dem Weltmarkt verbunden: Diamanten, Öl oder Gold werden von transnationalen Konzernen in Afrika abgebaut. Die angolanischen Handelsgüter Öl und Diamanten sind zwischen den Kriegsparteien in etwa gleich verteilt und auch im Kriegszustand leicht zu exportieren. Der Reichtum des Landes ist sicher nicht die Ursache des Krieges, aber er erlaubt seit Jahrzehnten dessen Fortführung.
Die landwirtschaftliche Produktion Angolas ging im Verlauf des Krieges immer mehr zurück. Zum einen ist sie wenig profitabel, zum anderen ist das Land zu vermint, um flächendeckend Landwirtschaft zu betreiben. Heute ist Angola nicht mehr in der Lage, sich selbst zu ernähren.
Angola hat etwa 11,5 Milliarden US-Dollar Auslandsschulden und gilt als nicht mehr kreditwürdig. Daher werden die Einnahmen aus dem Ölgeschäft häufig am Staatshaushalt vorbei direkt in sog. Öl-Trusts im Ausland transferiert, aus denen dann Verbindlichkeiten bedient werden. Diese Form der Kriegsfinanzierung öffnet der Korruption Tür und Tor.
Die Globalisierung wird durch eine Allianz zwischen transnationalen Konzernen und dominierenden Staaten umgesetzt. Beide haben auf die Kriege im afrikanischen Kontinent einen maßgeblichen Einfluss. Die Globalisierung des Welthandels zieht einen Elendsschub nach sich: Nie tobten mehr bewaffnete Auseinandersetzungen als im Zeitalter dieser kapitalistischen Universalisierung.
Die Transnationalen haben genauso wenig Interesse an der Beendigung des Konflikts wie die angolanischen warlords. Angolas Präsident dos Santos und UNITA-Führer Savimbi zählen zu den reichsten Männern der Welt. Die Eliten des Landes wollen daher keinen dauerhaften Frieden. Krieg als Fortführung von Business mit anderen Mitteln. Dies wurde durch den Handel mit dem Norden ermöglicht. Ohne diese finanzielle Zufuhr wäre der Krieg längst am Ende.
Sollten die transnationalen Konzerne bereit sein, die materielle Unterstützung der Konflikte einzustellen und die Wirtschaftsbeziehungen der Kriegsherren zu blockieren, dann wäre das Geschäft mit der Gewalt unrentabel und endlich wieder die Stunde der zum Schweigen gebrachten Mehrheit Afrikas gekommen.

Anne Jung

Literatur


Global witness, A Crude Awaking, London 1999.
Global witness, A Rough Trade, London 1998.
ICRC, War, Money and Survival, London 2000.
Peter Lock, "Privatisierung der Sicherheit oder private Militarisierung? Aktuelle Entwicklungen in Afrika", in: Afrika- Jahrbuch, 1997.
Wolf Christian Paes, Reiches Land, armes Land. Ölproduktion und der Krieg in Angola, Bonn 2000.


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