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Es ist besser, einen Krieg auszubeuten, als ihn zu gewinnen. Dieses nüchterne Fazit kann aus der
Betrachtung der nicht enden wollenden Kriege im südlichen Afrika gezogen werden. Das Beispiel der angeblich undurchschaubaren
afrikanischen Massaker belegt das Vorhandensein einer kalkulierten politischen Ökonomie des Krieges. Ethnische Konflikte oder
Machtfragen spielen eine untergeordnete Rolle, auch wenn die Medien dies gerne verbreiten. Die Spuren der Kriegsprofiteure können
hervorragend identifiziert werden: Transnationale Konzerne, Regierungen, private Söldnerfirmen und deren Verbindungen. Die global
players sind dabei ebenso austauschbar wie die Handelsware oder das Land.
Zum Beispiel Angola. Dort finanziert der Handel mit Diamanten und Öl einen
seit drei Jahrzehnten andauernden Krieg. Zwischen 1992 und 1998 erzielte die von Jonas Savimbi geführte antikommunistische
Rebellenbewegung UNITA im Krieg gegen die Regierung Gewinne von mindestens 3,7 Milliarden US-Dollar aus Diamantenverkäufen.
Die Märkte in Europa bilden das Rückgrat der Kriegsfinanzierung der
UNITA. Derzeit ist Angola weltweit nach Botswana, Russland und Südafrika der viertgrößte Diamantenproduzent mit einem
Produktionsvolumen von ca. 600 Millionen US-Dollar jährlich.
Wichtiger Abnehmer der UNITA-Diamanten war jahrelang der Großkonzern
De Beers. Seit 60 Jahren dominiert das britisch-südafrikanische Unternehmen und seine Central Selling Organization (CSO) die
internationale Diamantenindustrie, indem sie über 65% der weltweiten Diamantenproduktion klassifizieren, bewerten und verkaufen.
1998 machte De Beers einen Umsatz von rund 3,3 Milliarden US-Dollar. Im Zuge der gigantischen Werbekampagne zum Millenniumswechsel
stieg das Verkaufsvolumen der CSO um 57%, auf 5,2 Milliarden US-Dollar.
Zur Unterbindung dieser Geschäfte verabschiedete der UN-Sicherheitsrat 1998
eine Resolution, die den direkten oder indirekten Export von nicht-offiziellen angolanischen Diamanten verbietet. Dies betrifft Diamanten, die
kein Herkunftszeugnis (Certificate of Origin) besitzen und schließt daher die von der Regierung gehandelten Diamanten nicht mit ein.
De Beers bekundete im Herbst 1999, sich vollständig vom angolanischen
Markt zurückziehen zu wollen und damit über die Vorgaben des UN-Embargos hinaus zu gehen. Inzwischen wirbt der
Großkonzern mit einer neuen Geschäftsidee, den conflictfree diamonds: "Mit der Entscheidung, diesen Schritt zu machen,
versucht De Beers, die internationalen Bemühungen für einen Frieden in mehreren afrikanischen Staaten zu unterstützen und
sicherzustellen, dass der legale Diamantenhandel kein negatives Image bekommt durch die wenigen Diamanten, die von Rebellen zur
Finanzierung von Kriegen eingesetzt werden."
Ethische Bergbaupolitik
Die »ethische Bergbaupolitik« von De Beers
bedeutet einen Strategiewandel: Der illegale Markt schwer kontrollierbarer Diamantenschmuggler und Kleinförderer gewinnt im
afrikanischen Diamantenhandel zunehmend an Einfluss. De Beers drohte die Kontrolle über den Markt zu verlieren.
Die veränderte Haltung des Konzerns entpuppt sich als geschickter Schachzug,
den Markt wieder in den Griff zu bekommen. Ohne Söldner zu bezahlen, sorgt die UN dafür, die Marktstellung des
Großkonzerns zu sichern. Ed Epstein, Autor des Buches The Rise and Fall of Diamonds wirft De Beers vor, die UN und deren
Sanktionspolitik gegen conflict diamonds zu funktionalisieren. Kein Wunder, so Epstein, dass De Beers die Verbannung
"inoffizieller" Diamanten befürwortete; genau diese Steine, die für den Schmugglermarkt aus den Flussbetten Angolas
geholt werden, machen De Beers Konkurrenz.
Die Angst vor einer groß angelegten Kampagne gegen conflict diamonds wird
in der Diamantenbranche thematisiert. US-amerikanische Analysten raten dem Handelsblatt vom 12.April 2000 zufolge wegen der
"drohenden Kampagne von Dritte-Welt-Gruppen" sogar zum Verkauf von De Beers-Aktien. Diese Furcht, begründet oder
nicht, hat der 1999 von medico international und europäischen Partnerorganisationen gestarteten Kampagne Fatal Transactions genutzt:
Ende Juli 2000 fand in Antwerpen der World Congress of Diamonds statt, der eine Resolution, unterzeichnet vom Internationalen
Diamantenherstellerverband und dem Weltbund der Diamantenbörsen, beschloss, in Zukunft keine Schlupflöcher für
Kriegsdiamanten zu lassen. Nie zuvor hatte ein Diamantenkongress in so hohem Maße das Interesse der Weltöffentlichkeit auf sich
gezogen.
Öl für den Krieg
Während die Rebellenbewegung UNITA ihre Waffenkäufe weitgehend
aus den Einnahmen der Diamantenausfuhr finanziert, ist die MPLA-Regierung Angolas unter Staatspräsident José Eduardo dos
Santos hauptsächlich auf den Ölexport angewiesen. Nach neuen Funden wird Angola bald zum größten
Erdölexporteur Afrikas südlich der Sahara aufsteigen. Öl im Wert von 11 Millionen US-Dollar wird jetzt schon täglich
gefördert.
Durch die kriegsbedingte Zerstörung fast aller anderen Wirtschaftszweige ist
Angolas Regierung heute mehr denn je auf die Einnahmen aus dem Ölgeschäft angewiesen. Angola gilt inzwischen weltweit als
eines der lukrativsten Explorationsgebiete. Die guten Rahmenbedingungen - die Ölfelder liegen offshore, d.h. vor der Küste und
damit außerhalb der Reichweite der UNITA - lockt immer mehr Investoren ins Land. Die Namen der bedeutendsten Ölkonzerne:
Chevron, Elf Aquitaine, BP-Amoco und Exxon/Mobil.
Die Global-witness-Studie A Crude Awaking hat aufgedeckt, dass einige
Ölfirmen (Elf, Chevron, Agip) doppelt profitieren, indem sie auf der einen Seite Öl exportieren und andererseits Waffen (zumeist
über Zwischenhändler) importieren.
Die korrupte angolanische Regierung vergibt Ölförderlizenzen an
Firmen wie Prodev, Napha und Falcon, die zwar über keine Erfahrung im Ölgeschäft, dafür aber über
Verbindungen zu Waffenhändlern verfügen.
Die US-amerikanische Regierung hat, nachdem sie politisch 20 Jahre lang die
rechtsgerichtete UNITA im Kampf gegen die damals sozialistische Regierungspartei MPLA unterstützte, die Seiten gewechselt. Sie steht
nun der angolanischen Regierung zur Seite. "Zu der veränderten amerikanischen Haltung kam es nach neuen Ölfunden vor der
Küste Angolas, die die strategische Bedeutung des Landes erhöhten", so der nüchterne Kommentar der FAZ vom
20.12.1999. Wobei die UNITA-Unterstützung die USA auch schon damals nicht davon abhielt, von der Regierung Öl zu
kaufen.
Multinationaler Neokolonialismus
Was die Kontrolle über Bodenschätze betrifft, so stehen private
Söldner an der Seite der Großkonzerne und der afrikanischen warlords. Sie assistieren seit vielen Jahren den
kriegsführenden Parteien und den transnationalen Konzernen in Angola und anderswo in Afrika. Sie bewegen sich außerhalb der
Kontrolle von Regierungen und der UN-Gemeinschaft.
Die südafrikanische Sicherheitsagentur Executive Outcomes (EO) war lange
Zeit marktführend in der privaten Sicherheit. Sie rekrutierte ihre Söldner größtenteils aus der berüchtigten
Koevot-Spezialeinheit der ehemaligen südafrikanischen Armee. Die Angebotspalette umfasst sämtliche militärische
Dienstleistungen, die für einen Bodenkrieg notwendig sind. 1992 hat EO für die in Angola operierenden Ölgesellschaften
Gulf Chevron und Petrangol Ölfelder an der Küste von Soyo geschützt.
Zwei Jahre später eroberten die Söldner die Diamantenzentren Saurimo
und Cafunfo in der Provinz Lunda Norte zurück. Hauptgewinner dieser Operation war der Diamantenkonzern De Beers, der mit
wachsendem Unmut die Kontrolle der UNITA über die Diamantengebiete beobachtete, sowie der mit EO assoziierte Konzern Diamond
Works.
Oft werden die afrikanischen Regierungen durch die Interessenallianz von privaten
Sicherheitsagenturen und ausländischen Konzernen in eine Geiselrolle gebracht: eine Art»Multinationaler Neokolonialismus« am Ende
des 20. Jahrhunderts. Im US-Pentagon sind Söldnervertreter inzwischen hoffähig geworden und dürfen bei
einschlägigen Planungssitzungen präsent sein.
Es hat sich ein Markt herausgebildet, in dem militärische Offensiven,
wirtschaftliche Ambitionen und humanitäre Erwägungen ineinandergreifen und mit dem redundanten Verweis auf
Sicherheitsinteressen gerechtfertigt und gemeinsam durchgesetzt werden. Die Fortsetzung neoliberaler Wirtschaftspolitik wird die weitere
Privatisierung von Sicherheit vorantreiben und Sicherheit als öffentliches Gut wird verschwinden.
Ökonomie des
Krieges
Die Ursachen des langen Krieges in Angola eindeutig zu benennen, fällt schwer.
Nach dem Ende der Blockkonfrontation - in dieser Phase war Angola Schauplatz
eines klassischen Stellvertreterkriegs - die MPLA wurde von der UdSSR und Kuba unterstützt, die UNITA von Apartheid-
Südafrika und den USA - brach die Finanzierung des Krieges für beide Kriegsparteien zusammen. Eine neue Kriegsökonomie
musste etabliert werden, die die Kontrolle der lokalen Ressourcen und die Beherrschung des Marktes weiterhin sicherstellen konnte.
Insbesondere für die Rebellenbewegung UNITA war dieser Schritt unumgänglich, um eine Marginalisierung zu vermeiden.
Ideologische Gegensätze haben im angolanischen Krieg keine Bedeutung mehr.
Heute ist die afrikanische Wirtschaft über die Bodenschätze mit dem Weltmarkt verbunden: Diamanten, Öl oder Gold
werden von transnationalen Konzernen in Afrika abgebaut. Die angolanischen Handelsgüter Öl und Diamanten sind zwischen den
Kriegsparteien in etwa gleich verteilt und auch im Kriegszustand leicht zu exportieren. Der Reichtum des Landes ist sicher nicht die Ursache
des Krieges, aber er erlaubt seit Jahrzehnten dessen Fortführung.
Die landwirtschaftliche Produktion Angolas ging im Verlauf des Krieges immer mehr
zurück. Zum einen ist sie wenig profitabel, zum anderen ist das Land zu vermint, um flächendeckend Landwirtschaft zu betreiben.
Heute ist Angola nicht mehr in der Lage, sich selbst zu ernähren.
Angola hat etwa 11,5 Milliarden US-Dollar Auslandsschulden und gilt als nicht mehr
kreditwürdig. Daher werden die Einnahmen aus dem Ölgeschäft häufig am Staatshaushalt vorbei direkt in sog.
Öl-Trusts im Ausland transferiert, aus denen dann Verbindlichkeiten bedient werden. Diese Form der Kriegsfinanzierung öffnet der
Korruption Tür und Tor.
Die Globalisierung wird durch eine Allianz zwischen transnationalen Konzernen und
dominierenden Staaten umgesetzt. Beide haben auf die Kriege im afrikanischen Kontinent einen maßgeblichen Einfluss. Die
Globalisierung des Welthandels zieht einen Elendsschub nach sich: Nie tobten mehr bewaffnete Auseinandersetzungen als im Zeitalter dieser
kapitalistischen Universalisierung.
Die Transnationalen haben genauso wenig Interesse an der Beendigung des Konflikts
wie die angolanischen warlords. Angolas Präsident dos Santos und UNITA-Führer Savimbi zählen zu den reichsten
Männern der Welt. Die Eliten des Landes wollen daher keinen dauerhaften Frieden. Krieg als Fortführung von Business mit
anderen Mitteln. Dies wurde durch den Handel mit dem Norden ermöglicht. Ohne diese finanzielle Zufuhr wäre der Krieg
längst am Ende.
Sollten die transnationalen Konzerne bereit sein, die materielle Unterstützung
der Konflikte einzustellen und die Wirtschaftsbeziehungen der Kriegsherren zu blockieren, dann wäre das Geschäft mit der Gewalt
unrentabel und endlich wieder die Stunde der zum Schweigen gebrachten Mehrheit Afrikas gekommen.
Anne Jung