Sozialistische Zeitung |
Mit dem Einknicken der Gewerkschaftsspitzen bei der Rentenreform hat die Regierung Schröder eines
ihrer wichtigsten Teilziele erreicht. Nachdem die Steuerreform im Sommer weitgehend abgeschlossen wurde, zeigt sich erneut: das
"Bündnis für Arbeit" funktioniert - wenn auch nur in eine Richtung. Anders als angekündigt entstehen keine
Arbeitsplätze, sondern die Gewerkschaften verzichten weitgehend auf eigenständige Interessenvertretung und segnen stattdessen die
Kostenentlastung von Unternehmen und Kapitalisten ab.
Dieter Schulte und Ursula Engelen-Kefer, beide im DGB-Vorstand, akzeptierten die
Teilprivatisierung der Rentenversicherung. Ausschließlich die Beschäftigten sollen für die Zusatzversicherung zahlen und
mittelfristig zudem noch eine weitgehende Senkung des Rentenniveaus hinnehmen. Damit willigte die DGB-Spitze in die zuvor massiv
kritisierte Systemänderung ein.
Die dafür "eingehandelten" Zugeständnisse sind nicht mehr
als vage Absichtserklärungen: die Zusatzversicherung soll tariflich eingebaut und steuerlich besser gefördert werden. Handfest ist
lediglich die kommende Rentenanhebung, die sich nicht mehr wie in den vergangenen Jahren an der Inflationsrate, sondern an der
Nettolohnerhöhung orientieren soll.
Das Verhalten der Gewerkschaftsspitzen in Berlin ist ein Hohn auf die dringend
nötige Reform der Sozialversicherung, die bestehende Ungerechtigkeiten abbauen und nicht vergrößern sollte.
Vorschläge dazu gibt es einige: von fortschrittlichen Gewerkschaftern, Wissenschaftlern und Rentenexperten, von Frauenorganisationen
und nicht zuletzt der IG BAU, die mit anderen Vorschlägen als den nun forcierten an Arbeitsminister Walter Riester herangetreten war.
Die Haltung der DGB-Spitze reiht sich ein in die Tradition der "Burgfriedens-
" und "Arbeitsgemeinschaftspolitik", die seit dem Ersten Weltkrieg von Gewerkschaftsführern betrieben wird. Diese
Politik zieht eine Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Regierung einer Vertretung der im DGB organisierten Frauen und Männer vor,
deren Interessen gegen die Folgen der kapitalistischen Globalisierung - dazu gehört auch die Liberalisierung der Rentenmärkte -
gerichtet sind.
"Es gibt keine Alternative!" - dieser vom Kapital gern gehörte Satz
des Bundeskanzlers wird von den Gewerkschaftsspitzen sanktioniert, wohl wissend, dass es genug Alternativen gibt, die für die
Betroffenen Rentnerinnen und Beschäftigten Verbesserungen brächten. Allein die unter anderem von der IG BAU geforderte
Einbeziehung aller Einkommen in die Versicherungspflicht und ein Ausbau der Kompensation von Kindererziehung könnte einen
erheblichen Teil der Probleme lösen, die gesellschaftlich bedingt sind, aber zunehmend nur von den Betroffenen finanziert werden sollen.
Schon die Weigerung der Schröder-Regierung, die Vermögenssteuer
wieder einzuführen, zeigte die Richtung des "rot-grünen" Projekts. Die Steuerreform begünstigt
Großverdiener, Kapitaleinkommen und Unternehmen. Die Senkung des Spitzensteuersatzes von jetzt 51%, die anfangs auf 45%
vorgesehen war, wurde von Schröder und Eichel nun auf 42% für 2005 festgelegt. "Leistung muss sich wieder lohnen!"
war die Parole der Besserverdienenden unter Kohls Regierungszeit - nun haben sie es mit Hilfe von Rot-Grün geschafft. Wer viel
verdient, soll auch weniger Steuern zahlen - die Umstellung auf indirekte Steuern belastet vor allem die Masseneinkommen.
Das betrifft auch die Ökosteuer, eins der großen "Reform"-
Projekte von Rot-Grün. Öl, Benzin und Strom werden teurer, dafür werden die Rentenbeiträge ermäßigt.
Auch das ist eine weitere Maßnahme der Verteilung von unten nach oben: sie entlastet die Unternehmen ebenfalls und belastet alle
Haushalte, dabei insbesondere die nicht mehr Beschäftigten, da die ja keine Beiträge zur Sozialversicherung mehr bezahlen.
Die Körperschaftsteuer soll von 30% bzw. 40% auf 25% sinken, Dividenden
werden nur zur Hälfte besteuert, Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften bleiben ganz steuerfrei. Dies alles in einer
Zeit, in der die Haushalte aller öffentlichen Körperschaften unter einem riesigen Schuldenberg leiden und hohe Zinszahlungen auf
Kredite erbringen müssen. Hierfür ist ja der Steuerzahler zuständig. Eichel und Schröder werden nicht müde, die
Verschuldung als das eigentliche Problem des Bundeshaushalts hinzustellen. Angeblich muss deshalb der Erlös aus dem UMTS-Lizenzen
in Höhe von fast 100 Milliarden Mark zum Abbau der Verschuldung eingesetzt werden.
Gleichzeitig senkt die Regierung die Steuern für Großverdiener und
Unternehmen, erhöht aber die Verbrauchssteuern für die Masse der Bevölkerung. Geringverdiener, Arbeitslose, Rentner
haben keinerlei Vergünstigungen von der Steuerreform, nur höhere Belastungen.
Nachdem sich Schulte und Engelen-Kefer offensichtlich mit Riester geeinigt haben,
blieben vorerst nur die IG BAU und die IG Metall bei ihrer Kritik. Angeblich soll noch darüber entscheiden werden, ob weitere Proteste
erfolgen. Darauf sollten die Betroffenen nicht warten. Aus dem im Sommer angekündigten "heißen Herbst" ist ein laues
Lüftchen geworden, das eine Änderung des "rot-grünen" Reformbetrugs weder erreichen kann noch soll.
Massiver Widerstand gegen die unsozialen Regierungsvorhaben sähe anders aus.
Die Halbzeit der Schröder-Fischer-Regierung gibt den Linken genug Anlass
darüber nachzudenken, wo nun wirklich die außerparlamentarische Opposition bleibt. Und welche grundsätzliche Alternative
eine soziale Sicherung verlangen würde.
Adam Releux