Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.19 vom 14.09.2000, Seite 1

Steuern für Reiche statt auf Renten

Mit dem Einknicken der Gewerkschaftsspitzen bei der Rentenreform hat die Regierung Schröder eines ihrer wichtigsten Teilziele erreicht. Nachdem die Steuerreform im Sommer weitgehend abgeschlossen wurde, zeigt sich erneut: das "Bündnis für Arbeit" funktioniert - wenn auch nur in eine Richtung. Anders als angekündigt entstehen keine Arbeitsplätze, sondern die Gewerkschaften verzichten weitgehend auf eigenständige Interessenvertretung und segnen stattdessen die Kostenentlastung von Unternehmen und Kapitalisten ab.
Dieter Schulte und Ursula Engelen-Kefer, beide im DGB-Vorstand, akzeptierten die Teilprivatisierung der Rentenversicherung. Ausschließlich die Beschäftigten sollen für die Zusatzversicherung zahlen und mittelfristig zudem noch eine weitgehende Senkung des Rentenniveaus hinnehmen. Damit willigte die DGB-Spitze in die zuvor massiv kritisierte Systemänderung ein.
Die dafür "eingehandelten" Zugeständnisse sind nicht mehr als vage Absichtserklärungen: die Zusatzversicherung soll tariflich eingebaut und steuerlich besser gefördert werden. Handfest ist lediglich die kommende Rentenanhebung, die sich nicht mehr wie in den vergangenen Jahren an der Inflationsrate, sondern an der Nettolohnerhöhung orientieren soll.
Das Verhalten der Gewerkschaftsspitzen in Berlin ist ein Hohn auf die dringend nötige Reform der Sozialversicherung, die bestehende Ungerechtigkeiten abbauen und nicht vergrößern sollte. Vorschläge dazu gibt es einige: von fortschrittlichen Gewerkschaftern, Wissenschaftlern und Rentenexperten, von Frauenorganisationen und nicht zuletzt der IG BAU, die mit anderen Vorschlägen als den nun forcierten an Arbeitsminister Walter Riester herangetreten war.
Die Haltung der DGB-Spitze reiht sich ein in die Tradition der "Burgfriedens- " und "Arbeitsgemeinschaftspolitik", die seit dem Ersten Weltkrieg von Gewerkschaftsführern betrieben wird. Diese Politik zieht eine Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Regierung einer Vertretung der im DGB organisierten Frauen und Männer vor, deren Interessen gegen die Folgen der kapitalistischen Globalisierung - dazu gehört auch die Liberalisierung der Rentenmärkte - gerichtet sind.
"Es gibt keine Alternative!" - dieser vom Kapital gern gehörte Satz des Bundeskanzlers wird von den Gewerkschaftsspitzen sanktioniert, wohl wissend, dass es genug Alternativen gibt, die für die Betroffenen Rentnerinnen und Beschäftigten Verbesserungen brächten. Allein die unter anderem von der IG BAU geforderte Einbeziehung aller Einkommen in die Versicherungspflicht und ein Ausbau der Kompensation von Kindererziehung könnte einen erheblichen Teil der Probleme lösen, die gesellschaftlich bedingt sind, aber zunehmend nur von den Betroffenen finanziert werden sollen.
Schon die Weigerung der Schröder-Regierung, die Vermögenssteuer wieder einzuführen, zeigte die Richtung des "rot-grünen" Projekts. Die Steuerreform begünstigt Großverdiener, Kapitaleinkommen und Unternehmen. Die Senkung des Spitzensteuersatzes von jetzt 51%, die anfangs auf 45% vorgesehen war, wurde von Schröder und Eichel nun auf 42% für 2005 festgelegt. "Leistung muss sich wieder lohnen!" war die Parole der Besserverdienenden unter Kohls Regierungszeit - nun haben sie es mit Hilfe von Rot-Grün geschafft. Wer viel verdient, soll auch weniger Steuern zahlen - die Umstellung auf indirekte Steuern belastet vor allem die Masseneinkommen.
Das betrifft auch die Ökosteuer, eins der großen "Reform"- Projekte von Rot-Grün. Öl, Benzin und Strom werden teurer, dafür werden die Rentenbeiträge ermäßigt. Auch das ist eine weitere Maßnahme der Verteilung von unten nach oben: sie entlastet die Unternehmen ebenfalls und belastet alle Haushalte, dabei insbesondere die nicht mehr Beschäftigten, da die ja keine Beiträge zur Sozialversicherung mehr bezahlen.
Die Körperschaftsteuer soll von 30% bzw. 40% auf 25% sinken, Dividenden werden nur zur Hälfte besteuert, Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften bleiben ganz steuerfrei. Dies alles in einer Zeit, in der die Haushalte aller öffentlichen Körperschaften unter einem riesigen Schuldenberg leiden und hohe Zinszahlungen auf Kredite erbringen müssen. Hierfür ist ja der Steuerzahler zuständig. Eichel und Schröder werden nicht müde, die Verschuldung als das eigentliche Problem des Bundeshaushalts hinzustellen. Angeblich muss deshalb der Erlös aus dem UMTS-Lizenzen in Höhe von fast 100 Milliarden Mark zum Abbau der Verschuldung eingesetzt werden.
Gleichzeitig senkt die Regierung die Steuern für Großverdiener und Unternehmen, erhöht aber die Verbrauchssteuern für die Masse der Bevölkerung. Geringverdiener, Arbeitslose, Rentner haben keinerlei Vergünstigungen von der Steuerreform, nur höhere Belastungen.
Nachdem sich Schulte und Engelen-Kefer offensichtlich mit Riester geeinigt haben, blieben vorerst nur die IG BAU und die IG Metall bei ihrer Kritik. Angeblich soll noch darüber entscheiden werden, ob weitere Proteste erfolgen. Darauf sollten die Betroffenen nicht warten. Aus dem im Sommer angekündigten "heißen Herbst" ist ein laues Lüftchen geworden, das eine Änderung des "rot-grünen" Reformbetrugs weder erreichen kann noch soll. Massiver Widerstand gegen die unsozialen Regierungsvorhaben sähe anders aus.
Die Halbzeit der Schröder-Fischer-Regierung gibt den Linken genug Anlass darüber nachzudenken, wo nun wirklich die außerparlamentarische Opposition bleibt. Und welche grundsätzliche Alternative eine soziale Sicherung verlangen würde.

Adam Releux


zum Anfang