Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.19 vom 14.09.2000, Seite 2

CDU

Herrschaft und Barschaft

von PAUL KLEISER

Längst steht fest, dass die CDU Hessen in punkto Einsammeln, Verschieben und Tarnen von Schwarzgeld alle anderen Landesverbände der Union um Längen geschlagen hat. Besonders die von Ex-Innenminister Kanther und Schatzmeister Prinz zu Sayn-Wittgenstein über Horst Weyrauch 1983 in die Schweiz verbrachten 20,8 Mio. DM, der "Honigtopf im Süden", sorgten dafür, dass die hessischen Hardliner ihre "Kampagnenfähigkeit" nie einbüßten. Zuletzt kam dieses Geld der ausländerfeindlichen und rassistischen Kampagne von Roland Koch und Konsorten gegen die doppelte Staatsbürgerschaft zugute, die ihm wahrscheinlich den Wahlsieg bescherte. Angesichts der immensen Kosten dieser Kampagne dürfte es sich bei Kochs Behauptung, er habe vom "Honigtopf" erst am 12.Januar 2000 erfahren, um eine eiskalte Lüge handeln.
Noch nicht wirklich geklärt ist allerdings die Rolle, die der Ministerpräsident Koch im gesamten hessischen Beziehungsnetz, oder richtiger: Sumpf gespielt hat. Man darf aber davon ausgehen, dass der frühere Wirtschaftsanwalt mit besten Beziehungen zu mächtigen Verbänden von den Geldverschiebungen in weit größerem Maße informiert war, als der "brutalstmögliche Aufklärer" zugeben kann und mag; schließlich schickt er sich an, das große Vorbild Kohl auch im Aussitzen von Skandalen kopieren zu können.
In seinen Aussagen hält sich Koch an Till Eulenspiegel, der auf die Vorhaltungen seines Nachbarn, er habe den ausgeliehenen Topf verbeult zurückgebracht, die überzeugende Antwort erteilte, er habe erstens keinen Topf ausgeliehen, er habe den Topf zweitens unbeschädigt zurückgegeben und drittens sei er bei der Ausleihe bereits verbeult gewesen. Bei Koch lautet die Eulenspiegelei wie folgt: Erstens gab es in der Amtszeit des Ministerpräsidenten Koch keine schwarzen Kassen, gefälschten Belege und erfundene Vermächtnisse "verstorbener jüdischer Spender" aus dem Ausland, sodann hatte er nicht den Hauch einer Ahnung von schwarzen Kassen, gefälschten Kassenbüchern, nicht angezeigten Unterschlagungen und nichtexistenten Geldgebern, und schließlich sind alle diese Aufdeckungen ein alter Hut, und er habe dafür gesorgt, dass die hessische CDU auf den Pfad der Tugend zurückgekehrt ist.
Fest steht aber, dass die CDU auch unter Koch schwarze Kassen (Ferrero- Küsschen) geführt und vor allem mindestens ein Kassenbuch manipuliert und ein anderes vernichtet hat. Fest steht, dass über die "Akademie für politische Bildung", die im gleichen Haus residiert wie der CDU-Landesverband, Millionenbeträge von Verbänden (Metall- und Elektroverband Hessen) und Firmen (Versicherung HDI) steuersparend geflossen sind, wobei in einigen Fällen der Zweck "zur Unterstützung von Roland Koch" offen angegeben wurde. Es drängt sich der Verdacht auf, dass es sich auch hier um eine Waschanlage handelte.
Wenn er dem politischen Druck bislang standhalten konnte, dann weil die FDP bei Neuwahlen fürchten muss, wieder unter fünf Prozent zu landen, vor allem aber, weil in der Union weit und breit niemand zu sehen ist, der Koch in Sachen zynische Steherqualitäten das Wasser reichen könnte.


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