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Wer wie die CDU jetzt auf den Zug der Proteste gegen hohe Diesel- und Benzinpreise springt und die Abschaffung der
Ökosteuer fordert, macht dies aus parteipolitisch leicht durchschaubaren Motiven. Schließlich ist die Garde der CDU von Schäuble bis
Merkel vor Kurzem noch dafür eingetreten. Und die Anhebungen der Mineralölsteuer unter Helmut Kohl sollen wohl auch vergessen gemacht
werden?
In den hohen Benzinpreisen sind 12 Pfennig Ökosteuer und zusätzlich die darauf
entfallende Mehrwertsteuer von rund zwei Pfennig enthalten – die CDU müsste erläutern, wieso man sich über 2,10 Mark pro Liter Super
aufregen sollte, bei 1,95 Mark aber ruhig sein kann?
Ihr Ansatz, die angeblich zu hohen Benzin- und Heizölpreisen aufs Korn zu nehmen, ist sehr
populistisch – die Frankfurter Rundschau hat ausgerechnet, dass die Literpreise bei 4,60 DM lägen, wenn sie für Benzin im gleichen Maß
gestiegen wären wie die Preise der Bundesbahn in den letzten 30 Jahren!
Trotzdem gibt es überhaupt keinen Grund, die Regierung Schröder und ihre Art der
Ökosteuer zu verteidigen.
Zwei Arten Ökosteuer
Solange systemimmanent argumentiert wird – also unter stillschweigender Duldung oder Anerkennung der Tatsache, dass der Staat Steuern erheben
sollte, um Gemeinschaftsaufgaben zu erfüllen – geht es mehr darum, worauf Steuern und von wem bezahlt werden, und wie sie verwendet werden.
Soll die Ökosteuer – wie der Name eigentlich angibt – eine Lenkungsmaßnahme zur
Vermeidung von Autoverkehr sein, so ist sie nach Meinung der meisten Umweltverbände viel zu niedrig. Insbesondere der Lkw-Verkehr in Europa hat
in einem erschreckenden Ausmaß zugenommen, Autobahnbau und Reparaturen finden fast nur noch aufgrund der riesigen Schäden durch
Schwerlastverkehr statt. Eine "richtige" Besteuerung des Treibstoffverbrauchs (und natürlich auch des Flugverkehrs) hätte eine
deutliche Verringerung des Mineralölverbrauchs zur Folge; es käme dann darauf an, dass das Steueraufkommen für weniger
umweltschädliche Transportsysteme, etwa die Verlagerung auf die Schiene, eingesetzt wird. Erst dann hätte die Ökosteuer den Namen, den
sie verdient.
Die "rot-grüne" Regierung hat von der Ökosteuer nur die Bezeichnung
übrig gelassen – sie bemäntelt damit den Unterschied zwischen Versprechen und praktischer Politik. Die Erhebung der Steuer auf den
Energieverbrauch ist so berechnet, dass nur die Endverbraucher belastet werden. Die industrielle Umweltbelastung wird erheblich niedriger besteuert und
zusätzlich über die Preise abgewälzt. Dies trifft für die Stromerzeugung genau so zu wie für die chemische Produktion.
Das Steueraufkommen wird aber nicht für energiesparende, klimaverträglichere Verfahren
verwendet, sondern zur Senkung der Rentenversicherungsbeiträge – mit anderen Worten: zur Senkung der Lohnnebenkosten der Unternehmen.
Die Steuer auf den Energieverbrauch hat im Jahre 1999 zur Senkung der Rentenbeiträge von
20,3% auf 19,5% geführt, je zur Hälfte zugunsten der Unternehmen und der Beschäftigten. Zusätzlich wird denjenigen Unternehmen,
die durch die Ökosteuer stärker belastet, als sie durch die sinkenden Rentenbeiträge entlastet werden (insbesondere kapitalintensive
Betriebe mit wenigen Beschäftigten aber hohem Energieeinsatz), die Ökosteuer zurückerstattet.
Das führt dazu, dass die Ökosteuer ausschließlich zur Belastung der Verbraucher
führt; dabei haben alle Nicht-Beschäftigten – RentnerInnen, Sozial- und Arbeitslosenhilfebeziehende – keinen Vorteil von sinkenden
Rentenversicherungsbeiträgen.
Auf diese Art ist die bundesrepublikanische Ökosteuer zu einem Mittel der Umverteilung
zugunsten der Unternehmen geworden.
Belastung der Rentner und Rentnerinnen
Mit der Ökosteuer und der damit finanzierten Senkung der Rentenbeitragssätze wird der Staatsanteil an den Einzahlungen in die
Rentenkassen erneut höher und undurchschaubarer. Es gibt: den allgemeinen Bundeszuschuss, den zusätzlichen Bundeszuschuss, den
Erhöhungsbetrag zum zusätzlichen Bundeszuschuss, die Beiträge für Kindererziehungszeiten und die Erstattung
einigungsbedingter Leistungen. Damit steigen die Staatszuschüsse zur Rentenversicherung von rund 80 Milliarden in 1998 auf über 107
Milliarden in 2000. Da diese Staatszuschüsse zunehmend aus indirekten Steuern (Mehrwertsteuer, Ökosteuer) finanziert werden, erfolgt so ein
weiteres Mal ein Umverteilungseffekt zu Lasten der Masse der Bevölkerung und zu Gunsten der Unternehmen und Reichen.
Wenn jetzt wegen der gestiegenen Treibstoffpreise an eine Kompensation durch einmalige
Erhöhung von Wohngeld und Sozialhilfe gedacht wird, so erfolgt dies zu Lasten der kommunalen Haushalte, der Bundeshaushalt wird davon nicht
betroffen!
Die gegenwärtigen Proteste gegen die Ölpreiserhöhungen sind das Werk von
Transportunternehmen und Taxiverbänden mit Schützenhilfe des ADAC. Die abhängig Beschäftigten in diesen Branchen sind dabei
noch gar nicht zu Wort gekommen. Einige Regierungen in Europa konnten durch die Proteste zu steuerlichen Anreizen gezwungen werden. Wenn angesichts
des geplanten Systembruchs bei der Rentenversicherung die Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände zu ähnlich machtvollen Maßnahmen
gegriffen hätten, wie sähe heute die Diskussion darüber aus?
Es stimmt: an jeder Tankstelle sieht man groß und deutlich die Preise. Die Gewinne der
Ölmultis sieht man nicht. Die Folgen der Rentenreform für die Betroffenen dagegen werden sich über Jahre hinziehen und erheblich
schwerwiegendere Auswirkungen haben. Verlierer und Gewinner sind in beiden Fällen dieselben Menschen!
Adam Reuleaux
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