Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.20 vom 28.09.2000, Seite 2

Ökosteuer und Renten

Es zahlen die Einkommensschwachen

Wer wie die CDU jetzt auf den Zug der Proteste gegen hohe Diesel- und Benzinpreise springt und die Abschaffung der Ökosteuer fordert, macht dies aus parteipolitisch leicht durchschaubaren Motiven. Schließlich ist die Garde der CDU von Schäuble bis Merkel vor Kurzem noch dafür eingetreten. Und die Anhebungen der Mineralölsteuer unter Helmut Kohl sollen wohl auch vergessen gemacht werden?
In den hohen Benzinpreisen sind 12 Pfennig Ökosteuer und zusätzlich die darauf entfallende Mehrwertsteuer von rund zwei Pfennig enthalten – die CDU müsste erläutern, wieso man sich über 2,10 Mark pro Liter Super aufregen sollte, bei 1,95 Mark aber ruhig sein kann?
Ihr Ansatz, die angeblich zu hohen Benzin- und Heizölpreisen aufs Korn zu nehmen, ist sehr populistisch – die Frankfurter Rundschau hat ausgerechnet, dass die Literpreise bei 4,60 DM lägen, wenn sie für Benzin im gleichen Maß gestiegen wären wie die Preise der Bundesbahn in den letzten 30 Jahren!
Trotzdem gibt es überhaupt keinen Grund, die Regierung Schröder und ihre Art der Ökosteuer zu verteidigen.

Zwei Arten Ökosteuer

Solange systemimmanent argumentiert wird – also unter stillschweigender Duldung oder Anerkennung der Tatsache, dass der Staat Steuern erheben sollte, um Gemeinschaftsaufgaben zu erfüllen – geht es mehr darum, worauf Steuern und von wem bezahlt werden, und wie sie verwendet werden.
Soll die Ökosteuer – wie der Name eigentlich angibt – eine Lenkungsmaßnahme zur Vermeidung von Autoverkehr sein, so ist sie nach Meinung der meisten Umweltverbände viel zu niedrig. Insbesondere der Lkw-Verkehr in Europa hat in einem erschreckenden Ausmaß zugenommen, Autobahnbau und Reparaturen finden fast nur noch aufgrund der riesigen Schäden durch Schwerlastverkehr statt. Eine "richtige" Besteuerung des Treibstoffverbrauchs (und natürlich auch des Flugverkehrs) hätte eine deutliche Verringerung des Mineralölverbrauchs zur Folge; es käme dann darauf an, dass das Steueraufkommen für weniger umweltschädliche Transportsysteme, etwa die Verlagerung auf die Schiene, eingesetzt wird. Erst dann hätte die Ökosteuer den Namen, den sie verdient.
Die "rot-grüne" Regierung hat von der Ökosteuer nur die Bezeichnung übrig gelassen – sie bemäntelt damit den Unterschied zwischen Versprechen und praktischer Politik. Die Erhebung der Steuer auf den Energieverbrauch ist so berechnet, dass nur die Endverbraucher belastet werden. Die industrielle Umweltbelastung wird erheblich niedriger besteuert und zusätzlich über die Preise abgewälzt. Dies trifft für die Stromerzeugung genau so zu wie für die chemische Produktion.
Das Steueraufkommen wird aber nicht für energiesparende, klimaverträglichere Verfahren verwendet, sondern zur Senkung der Rentenversicherungsbeiträge – mit anderen Worten: zur Senkung der Lohnnebenkosten der Unternehmen.
Die Steuer auf den Energieverbrauch hat im Jahre 1999 zur Senkung der Rentenbeiträge von 20,3% auf 19,5% geführt, je zur Hälfte zugunsten der Unternehmen und der Beschäftigten. Zusätzlich wird denjenigen Unternehmen, die durch die Ökosteuer stärker belastet, als sie durch die sinkenden Rentenbeiträge entlastet werden (insbesondere kapitalintensive Betriebe mit wenigen Beschäftigten aber hohem Energieeinsatz), die Ökosteuer zurückerstattet.
Das führt dazu, dass die Ökosteuer ausschließlich zur Belastung der Verbraucher führt; dabei haben alle Nicht-Beschäftigten – RentnerInnen, Sozial- und Arbeitslosenhilfebeziehende – keinen Vorteil von sinkenden Rentenversicherungsbeiträgen.
Auf diese Art ist die bundesrepublikanische Ökosteuer zu einem Mittel der Umverteilung zugunsten der Unternehmen geworden.

Belastung der Rentner und Rentnerinnen

Mit der Ökosteuer und der damit finanzierten Senkung der Rentenbeitragssätze wird der Staatsanteil an den Einzahlungen in die Rentenkassen erneut höher und undurchschaubarer. Es gibt: den allgemeinen Bundeszuschuss, den zusätzlichen Bundeszuschuss, den Erhöhungsbetrag zum zusätzlichen Bundeszuschuss, die Beiträge für Kindererziehungszeiten und die Erstattung einigungsbedingter Leistungen. Damit steigen die Staatszuschüsse zur Rentenversicherung von rund 80 Milliarden in 1998 auf über 107 Milliarden in 2000. Da diese Staatszuschüsse zunehmend aus indirekten Steuern (Mehrwertsteuer, Ökosteuer) finanziert werden, erfolgt so ein weiteres Mal ein Umverteilungseffekt zu Lasten der Masse der Bevölkerung und zu Gunsten der Unternehmen und Reichen.
Wenn jetzt wegen der gestiegenen Treibstoffpreise an eine Kompensation durch einmalige Erhöhung von Wohngeld und Sozialhilfe gedacht wird, so erfolgt dies zu Lasten der kommunalen Haushalte, der Bundeshaushalt wird davon nicht betroffen!
Die gegenwärtigen Proteste gegen die Ölpreiserhöhungen sind das Werk von Transportunternehmen und Taxiverbänden mit Schützenhilfe des ADAC. Die abhängig Beschäftigten in diesen Branchen sind dabei noch gar nicht zu Wort gekommen. Einige Regierungen in Europa konnten durch die Proteste zu steuerlichen Anreizen gezwungen werden. Wenn angesichts des geplanten Systembruchs bei der Rentenversicherung die Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände zu ähnlich machtvollen Maßnahmen gegriffen hätten, wie sähe heute die Diskussion darüber aus?
Es stimmt: an jeder Tankstelle sieht man groß und deutlich die Preise. Die Gewinne der Ölmultis sieht man nicht. Die Folgen der Rentenreform für die Betroffenen dagegen werden sich über Jahre hinziehen und erheblich schwerwiegendere Auswirkungen haben. Verlierer und Gewinner sind in beiden Fällen dieselben Menschen!

Adam Reuleaux

Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50, Kontonummer 603 95 04


zum Anfang