Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.20 vom 28.09.2000, Seite 8

Düsseldorf:

Nazis greifen Bürgerforum an

Am Samstag, den 16.September sollte Düsseldorfer BürgerInnen und Bürgern ein Form unter dem Motto " Mut gegen Rechts" geboten werden, um gegen rassistische Ideologie und Nazianschläge Stellung zu beziehen.
700 Menschen waren dem Aufruf des "Düsseldorfer Appells", unterstützt von SPD, Grünen, PDS, Gewerkschaften, Jüdischer Gemeinde und den beiden Kirchen gefolgt — beachtlich weniger als zu der Demonstration gegen den Anschlag auf Kontingentflüchtlinge jüdischen Glaubens im August gekommen waren. CDU-Oberbürgermeister Erwin, seit seiner Wahl in der Rolle des innerparteilichen Diktators gewachsen, hatte seine Partei dazu vergattert, erst gar nicht auf dem Rathausplatz aufzutauchen.
Nach zwei Stunden Reden, Talkrunden, Kabarett und Musik marschierte ein Trupp stadtbekannter Nazis auf den Platz und besprühte Teilnehmer mit Tränengas, ohne Reaktion der Polizei. Erst als Mitglieder der örtlichen Antifa den Angriff abwehrten und die Nazis zur Übergabe an die Polizei festhielten, griff diese ein: Die kurzgeschorenen Kameradschaftsbrüder wurden befreit und bis auf einen laufen gelassen, mehrere Antifaleute zur Personalienfeststellung festgenommen und etliche darüber empörte KundgebungsteilnehmerInnen ruppig angepöbelt.
Auch wenn später noch zwei Nazis von Beamten auf einer naheliegenden Kneipentoilette aufgegabelt wurden, stellte sich für viele Menschen, die diese Geschehnisse verfolgten, die Frage, ob die Einsatzleitung das Plakatmotiv der Kundgebung (Männergesicht mit montiertem Blindenzeichen auf dem rechten Auge) nicht gründlich falsch verstanden hätten.
Oder war die Polizeibehörde beleidigt, weil das Auftauchen der Nazibande auf der Kundgebung und ihre unverholene Gewaltbereitschaft die kontinuierliche Leugnung von rechtsextremen Strukturen in Düsseldorf durch die Polizei ad absurdum führte? Oder geht die Macht eines abwesenden OB Erwin soweit, dass die Einsatzleitung der Gleichsetzung von linker und rechter Gewalt durch die CDU schnell noch ein Argument an die Hand geben wollte?
Dieser Zwischerfall war ein Lehrbeispiel für praktische Staatsbürgerkunde, auch wenn die Veranstalter der Kundgebung es nicht direkt begriffen hatten. Sie ließen das Programm weiter abrollen und bequemten sich nur zu einer hilflosen Stellungnahme.
Für die Zukunft wird das nicht ausreichen: Torsten Lemmer, Bindeglied zwischen militanten Jungnazis und der im Stadtrat vertretenen Republikanerszene kündigte in der folgenden Woche an, am 4.November vor dem Rathaus eine eigene Kundgebung stattfinden zu lassen. 2000 Teilnehmer sollen, von Naziskinbands angeheizt, den Einigungsprozess des bislang zerstrittenen rechtsextremen Spektrums demonstrieren.
Ob das gelingen wird ist allerdings fraglich: Zwischen vollmundiger Ankündigung und Mobilisierungsfähigkeit liegen auch in Düsseldorf Welten. Der Angriff auf die Kundgebung, ob aus gestiegenem Selbstbewusstsein oder aus Trotteligkeit, zeigt allerdings: An jedem Punkt ihres Auftretens muss den Nazis entgegengetreten werden.

Korr.Düsseldorf

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