Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.20 vom 28.09.2000, Seite 15

Jimi Hendrix

Nachrichten brauchten vor dreißig Jahren kaum länger als heute: so hat mir am 20.9.1970 die Nachricht vom Tod Jimi Hendrix den 15.Geburtstag ganz schön versaut. "Wer nach ‘nem Saufgelage Schlaftabletten einwirft und sich dann hinlegt, braucht sich nicht zu wundern, wenn er an der eigenen Kotze erstickt."
Der Mann war lebensmüde gewesen, ‘live fast, die young‘. Es war gerade zwei Wochen her, dass ich zum ersten Mal auf einem Festival gewesen war. Der völlige Reinfall: Es regnete fast ununterbrochen, in der einzigen Sonnenphase spielte ein Duo, das sich Witthüser und Westrupp nannte irgendwelche Kifferlieder, die Hell‘s Angels, die als Ordnertruppe engagiert waren und vor denen ich mächtig schiss hatte, fackelten die Baracke ab, die als Organisationsbüro diente und an mehr kann ich mich kaum erinnern, wenn nicht…
Es dauerte zwei Stücke, bis ich mich, so schmächtig ich damals war, nach vorne gekämpft hatte. Dann folgte "All along the watchtower". Hendrix stand dort genauso nass wie das Publikum und schien durch das allgemeine Chaos, das herrschte, noch angestachelt zu sein. In einer Pfütze stehend spielte er mit den Zähnen, schlug alles in Bann. Es war die Musik zum Wetter. Untergangsstimmung und so blieb er mir in Erinnerung. Als später Ton Steine Scherben "Macht kaputt, was euch kaputt macht" spielten, war das "deutsche Woodstock" längst im Desaster untergegangen. Und dass zum Schluss die Bühne in Flammen aufging, habe ich wirklich nicht mehr mitbekommen.
Es sollte das letzte Konzert eines Gitarristen gewesen sein, der die elektrische Gitarre wie kein anderer als Ausdrucksmöglichkeit nutzte, um die Stimmung derer, die Hippies genannt wurden, wiederzugeben.
In der Schülerzeitung, die wir damals machten, druckten wir ein Interview aus der anarchistischen Zeitung Agit 883 nach, in der Jimi Hendrix erklärte, dass er die Black Panthers unterstützen würde. Über die Presse in Europa und den USA sagte er: "Unten von der Bühne fotografieren sie dir mit Tele die letzten Haare in den Nasenlöchern und machen den ganzen Rummel mit, und in ihren Redaktionen machen sie ihre Witzchen über die Nigger und Mischlinge."
Heute wird Jimi Hendrix verklärt, und im Dezember 1999 wurde er laut einer Umfrage der britischen Zeitschrift Guitar Magazine zum besten Gitarristen des Jahrhunderts gekürt. Im Woodstockfilm steht er am Ende als der Held, der die US- amerikanische Nationalhymne zerpflückt. Doch dermaßen glanzvoll war sein Leben gewiss nicht:
Im November 1942 in Seattle geboren wuchs er in den 50ern bei seinem Vater auf und ging im Alter von 17 Jahren 1959 zur Luftwaffe. Nach vierzehn Monaten wurde er nach einem verunglückten Fallschirmsprung entlassen. Eine Karriere, die für viele Afroamerikaner ganz unten endet.
Jimmy Hendrix versuchte mit dem Gitarrenspielen sein Glück. Nun begann der Aufstieg als Backgroundgitarrist: B.B. King und Little Richard waren wohl die bekanntesten Rock‘n-Roll-Musiker, die er begleiten durfte. Ermutigt durch solche Engagements ging er nach New York, um seine eigene Band zu gründen. Dort hörte ihn der Bassist der Animals, Chas Chandler, war begeistert, und überredete Jimmy Hendrix mit nach London zu kommen, wo er ihn ab 1966 managte.
Zusammen mit Mitch Mitchell am Schlagzeug und Noel Redding am Bass nannten sie sich Jimi Hendrix Experience. Chas Chandler hatte ihm geraten, Jimmy in Jimi zu ändern, weil das besser ankäme in Europa. Ihre erste Single Hey Joe kam 1967 auf Anhieb auf Platz 4 der britischen Charts. Auch die anderen Auskopplungen aus der ersten LP Are you Experienced, "Purple Haze" und "The Wind Cries Mary" wurden in Europa Hits und gelten zu recht noch heute als Meilensteine der Rockmusik.
In den USA wurde allerdings noch keine große Notiz von Hendrix genommen. Erst als er auf dem legendären Pop-Festival in Monterey spielte und seine Gitarre auf der Bühne abfackelte, wurde er zur Skandalfigur, und die Verkaufszahlen seines Albums schnellten in die Höhe.
Von 1966 bis 1970 machte die Jimi Hendrix Experience drei Alben. Doch schon 1969 gründete er die Band of Gypsies. Von dieser Band gibt es ein Live-Album, das auf dem Festival Filmore East aufgenommen wurde und zeigt, dass die Live-Auftritte dieses Gitarristen grandios waren. In Woodstock 1969 spielte er mit einer zusammengewürfelten Band, zum ersten Mal mit Keyboards und einer zweiten Gitarre. Doch diese Formation hielt nicht lange. Die Band, mit der er 1970 auf Fehmarn auftrat, hieß The Cry of Love Band, mit der er ein gleichnamiges Album aufnahm.
Ganze fünf Alben wurden zu Lebzeiten Hendrix‘ veröffentlicht, denen folgten eine ganze Reihe von Best-of-Alben, und Aufnahmen von Konzerten machten — in fürchterlicher Tonqualität auf Bändern, zum x-ten Mal kopiert — die Runde.
In Seattle wurde der berühmte Sohn der Stadt bis vor kurzem lediglich durch eine Tafel im Zoo geehrt! Dies änderte sich erst, als Paul Allen, Mitbegründer von Microsoft und mittlerweile einer der Superreichen, beschloss, seinem Idol in ihrer gemeinsamen Heimatstadt ein Museum zu bauen. Daher gibt es dort nun in Form einer explodierenden Gitarre vom Stararchitekten Frank Gehry entworfen das EMP. EMP steht für Experience Music Project. Laut Gehry soll die Architektur wie ein Hendrix-Solo wirken. Spötter berichten allerdings, dass man bei dem bunten Durcheinander von lauter Glanz und Glimmer erschlagen wird. Dort wird die Geschichte der Popmusik erzählt, und neben vielen Tondokumenten und interaktiven PC-Spielereien gibt es eben auch eine von Jimi Hendrix zerschlagene Gitarre und eine Mundharmonika von Bob Dylan zu sehen.
Jimi Hendrix können wir für solchen Bombast und Kitsch allerdings nicht mehr verantwortlich machen. Von ihm bleibt sein Testament: "Wenn ich sterbe, dann soll man nicht um mich trauern. Man soll meine Musik spielen, dazu toben und soll die Dinge tun, die Spaß machen."

Tommy Schroedter

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