Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.21 vom 12.10.2000, Seite 2

Das dänische Nein

Ein Pyrrhussieg?

von ANGELA KLEIN

Unter Gegnerinnen und Gegnern der EU und deren Politik, die auf dem europäischen Festland leben, ruft das dänische Nein zum Euro Skepsis hervor. Um es vorweg klarzustellen: als Ausdruck der Ablehnung der unsozialen und undemokratischen Politik der EU — und das war es im Kern — ist dieses Nein völlig gerechtfertigt. Die dänische Bevölkerung will nicht, dass ihr Sozialversicherungssystem, das einen höheren Schutz als andere in der EU bietet, durch die Politik der EU demontiert wird. So weit, so richtig.
Die Sache hat nur einen Haken: Nicht die Übernahme des Euro würde das dänische Sozialversicherungssystem gefährden. Es ist bereits gefährdet durch die Tatsache, dass Dänemark ebenso wie Deutschland, Frankreich und die sog. "Euroländer" Teil der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion ist. Dänemark fällt unter den Vertrag von Maastricht — d.h. es muss dessen berühmte vier Kriterien erfüllen, die der dänischen Regierung eine strikte Sparpolitik und eine Wirtschaftspolitik auferlegen, die in erster Linie die Inflationsbekämpfung zum Ziel hat. Dänemark unterliegt dem Stabilitätspakt. Es fällt unter den Vertrag von Amsterdam — d.h. es unterliegt den großen wirtschaftspolitischen Leitlinien, die alle Sozialpolitik und Beschäftigungspolitik strikt wirtschaftspolitischen Anforderungen unterordnen; es unterliegt den beschäftigungspolitischen Leitlinien, die das Recht auf sozialen Schutz zugunsten der Herstellung einer "Beschäftigungsfähigkeit" der Erwerbslosen und Sozialhilfebeziehenden untergraben. Es wird unter den Vertrag von Nizza fallen und somit die Konsequenzen von dessen Art.137 zu tragen haben, in dem festgehalten ist, dass die Bedingungen für den Bezug von Arbeitslosengeld künftig durch eine EU-Direktive geregelt werden. Das heißt, ausgerechnet die Bestimmungen der EU, die das dänische Sozialversicherungssystem aushöhlen wie sie die Sozialversicherungssysteme der anderen EU- Mitgliedstaaten aushöhlen, werden durch das Nein zum Euro nicht außer Kraft gesetzt.
Das dänische Votum macht nur dann einen Sinn, wenn die Kampagne beim Nein zum Euro nicht stehen bleibt, sondern in eine Kampagne für den Ausstieg aus der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion mündet. Dafür müsste ein neues Referendum angesetzt werden, das erst dann eine Chance hätte, wenn die schwedische und die britische Bevölkerung sich dem Nein zum Euro anschließen. Angenommen, ein solches Referendum fände statt und wäre ebenfalls erfolgreich. Dann stellt sich die Frage, welche wirtschaftspolitische Orientierung die Linke für Dänemark vorschlägt, anders gesagt: Wie will sich die dänische Bevölkerung dagegen wehren, alle Auswirkungen der kapitalistischen Globalisierung zu erfahren — und die wird es auch ohne formelle EU-Mitgliedschaft geben —, ohne ihren Einfluss in der EU geltend machen zu können? Wie will sie sich dagegen wehren, wenn sie nur auf sich allein gestellt ist und nicht im solidarischen Verbund mit den Leidtragenden der anderen EU-Länder agiert? Die prioritäre Orientierung auf den Ausstieg statt auf den gemeinsamen Kampf gegen einen Feind, der in Kopenhagen wie in Brüssel gleichermaßen sitzt, schwächt heute schon den Kampf der sozialen Bewegungen in Europa.X2

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