Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.21 vom 12.10.2000, Seite 2

Anschlag auf Synagoge in Düsseldorf

Neonazis planen Demonstration

Die Brandsätze gegen die Synagoge in Düsseldorf in der Nacht zum 3.Oktober haben eine Symbolkraft, die weit über den materiellen Schaden hinausgeht, der der jüdischen Gemeinde zugefügt worden ist. "Müssen wir hier wieder weg?", fragte Paul Spiegel, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland. Seine Frage ist berechtigt. Sie gilt für alle Menschen, die potenzielle Opfer rassistischer Anschläge in Deutschland sind. Und sie muss auch dann gestellt werden können, wenn sie laut Andreas Nachama "als Steilpässe für weitere Anschläge" interpretiert werden könnte. Nicht die Frage ist falsch. Es kommt auf die Beantwortung der Frage an, wie antisemitische, rassistische Angriffe gesellschaftlich verhindert werden können.
Der Streit innerhalb der CDU um einen Auftritt von Kohl bei den Einheitsfeierlichkeiten in Dresden und die Vereinnahmungsversuche des Ex-Kanzlers gegenüber der SPD im Vorfeld der 10-Jahres-Feiern wirken nach der Nacht zum 3.Oktober jämmerlich. Dass Biedenkopf bei seiner Rede mit keinem Wort auf die Anschläge in Düsseldorf und Buchenwald eingegangen ist, ist erschreckend. Auch die fehlende Reaktion des Düsseldorfer Oberbürgermeisters Joachim Erwin (CDU) auf die Teilnahme von 20 schwarz uniformierten Rechtsextremisten unter Führung von Torsten Lemmer, ehemals Fraktionsgeschäftsführer der rechtsextremen Freien Wählergemeinschaft in Düsseldorf, an der Veranstaltung zum Vereinigungsjubiläum im Rathaus am Tag des Anschlags verdeutlicht, was man bereit ist als Provokation hinzunehmen, um die Erfolgsstory der letzten zehn Jahre feiern zu können.
"Wo sitzen Deutschlands größte Feinde? In der Zietenstraße!" Mit dieser Parole rief vor einigen Jahren das von der "Freien Kameradschaft Düsseldorf" betriebene "Nationale Infotelefon Rheinland" zu Gewalttaten gegenüber Jüdinnen und Juden auf. Die jüdische Gemeinde fühlte sich schon damals zu Recht bedroht. Neben der Synagoge gibt es in der Zietenstraße ein Altersheim und einen Kindergarten und schon seit längerer Zeit wird ein eigener Schutzdienst für die Gemeindemitglieder organisiert. Auf durchgehenden Polizeischutz konnte man sich nicht verlassen: Anforderungen durch die Gemeinde wurden mit Personalengpässen abgewiesen, die es allerdings bei der Bewachung des türkischen Konsulats, weniger als einen Kilometer entfernt, nicht zu geben scheint.
Bei der Suche nach den Tätern des Anschlags stochert die Polizei im Dunkeln, ähnlich wie nach dem Anschlag auf jüdische Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion im August. Ob die Düsseldorfer Polizei auf dem rechten Auge blind ist oder nur einfach unfähig, ist unklar. Aber die Tatsache, dass sie sich nach eigenen Angaben auf die Recherche des antifaschistischer Gruppen aus Düsseldorf stützen muss, um an zuverlässige Informationen über die örtliche Naziszene zu kommen, macht deutlicht, wie gering die Beachtung ist, die man den rechtsradikalen Aktivitäten schenkt.
Das offizielle Interpretationsmuster, wonach es sich bei Anschlägen um Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken handelt, genießt bei den Behörden und Amtsträgern nach wie vor Gültigkeit — zuletzt wiederholt in der polizeilichen Darstellung der Nazi-Angriffe auf die antifaschistische Kundgebung "Mut gegen Rechts" am 16.September.
Unter dem Motto "Meinungsfreiheit auch für Nationalisten — Argumente statt Verbote" mobilisiert nun die Neonazisszene bundesweit für den 28.Oktober nach Düsseldorf. Angemeldet hat die Demonstration der Dormagener NPD-Funktionär Reinhard Vielmal. Antifaschistische Kreise gehen davon aus, dass etwa 1000 Neonazis daran teilnehmen werden.

Korr. Düsseldorf

Weitere Informationen zur Mobilisierung gegen die Nazidemonstration am 28.Oktober: www.free.de/antifa/kok/,
E-Mail: kok@free.de.

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