Sozialistische Zeitung |
Die Brandsätze gegen die Synagoge in Düsseldorf in der Nacht zum 3.Oktober haben eine Symbolkraft, die weit
über den materiellen Schaden hinausgeht, der der jüdischen Gemeinde zugefügt worden ist. "Müssen wir hier wieder
weg?", fragte Paul Spiegel, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland. Seine Frage ist berechtigt. Sie gilt für alle Menschen, die
potenzielle Opfer rassistischer Anschläge in Deutschland sind. Und sie muss auch dann gestellt werden können, wenn sie laut Andreas Nachama
"als Steilpässe für weitere Anschläge" interpretiert werden könnte. Nicht die Frage ist falsch. Es kommt auf die
Beantwortung der Frage an, wie antisemitische, rassistische Angriffe gesellschaftlich verhindert werden können.
Der Streit innerhalb der CDU um einen Auftritt von Kohl bei den Einheitsfeierlichkeiten in Dresden
und die Vereinnahmungsversuche des Ex-Kanzlers gegenüber der SPD im Vorfeld der 10-Jahres-Feiern wirken nach der Nacht zum 3.Oktober
jämmerlich. Dass Biedenkopf bei seiner Rede mit keinem Wort auf die Anschläge in Düsseldorf und Buchenwald eingegangen ist, ist
erschreckend. Auch die fehlende Reaktion des Düsseldorfer Oberbürgermeisters Joachim Erwin (CDU) auf die Teilnahme von 20 schwarz
uniformierten Rechtsextremisten unter Führung von Torsten Lemmer, ehemals Fraktionsgeschäftsführer der rechtsextremen Freien
Wählergemeinschaft in Düsseldorf, an der Veranstaltung zum Vereinigungsjubiläum im Rathaus am Tag des Anschlags verdeutlicht, was
man bereit ist als Provokation hinzunehmen, um die Erfolgsstory der letzten zehn Jahre feiern zu können.
"Wo sitzen Deutschlands größte Feinde? In der Zietenstraße!" Mit
dieser Parole rief vor einigen Jahren das von der "Freien Kameradschaft Düsseldorf" betriebene "Nationale Infotelefon
Rheinland" zu Gewalttaten gegenüber Jüdinnen und Juden auf. Die jüdische Gemeinde fühlte sich schon damals zu Recht
bedroht. Neben der Synagoge gibt es in der Zietenstraße ein Altersheim und einen Kindergarten und schon seit längerer Zeit wird ein eigener
Schutzdienst für die Gemeindemitglieder organisiert. Auf durchgehenden Polizeischutz konnte man sich nicht verlassen: Anforderungen durch die
Gemeinde wurden mit Personalengpässen abgewiesen, die es allerdings bei der Bewachung des türkischen Konsulats, weniger als einen
Kilometer entfernt, nicht zu geben scheint.
Bei der Suche nach den Tätern des Anschlags stochert die Polizei im Dunkeln, ähnlich
wie nach dem Anschlag auf jüdische Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion im August. Ob die Düsseldorfer Polizei auf
dem rechten Auge blind ist oder nur einfach unfähig, ist unklar. Aber die Tatsache, dass sie sich nach eigenen Angaben auf die Recherche des
antifaschistischer Gruppen aus Düsseldorf stützen muss, um an zuverlässige Informationen über die örtliche Naziszene zu
kommen, macht deutlicht, wie gering die Beachtung ist, die man den rechtsradikalen Aktivitäten schenkt.
Das offizielle Interpretationsmuster, wonach es sich bei Anschlägen um Auseinandersetzungen
zwischen Rechten und Linken handelt, genießt bei den Behörden und Amtsträgern nach wie vor Gültigkeit zuletzt
wiederholt in der polizeilichen Darstellung der Nazi-Angriffe auf die antifaschistische Kundgebung "Mut gegen Rechts" am 16.September.
Unter dem Motto "Meinungsfreiheit auch für Nationalisten Argumente statt
Verbote" mobilisiert nun die Neonazisszene bundesweit für den 28.Oktober nach Düsseldorf. Angemeldet hat die Demonstration der
Dormagener NPD-Funktionär Reinhard Vielmal. Antifaschistische Kreise gehen davon aus, dass etwa 1000 Neonazis daran teilnehmen werden.
Korr. Düsseldorf
Weitere Informationen zur Mobilisierung gegen die Nazidemonstration am 28.Oktober: www.free.de/antifa/kok/,
E-Mail: kok@free.de.
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