Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.21 vom 12.10.2000, Seite 11

IWF & Weltbank in Prag

Etappensieg der ‘Neo-Marxisten‘

Die Äußerungen des Direktors des Internationalen Währungsfonds (IWF), Horst Köhler, und denen seines Kollegen von der Weltbank, James Wolfensohn, erwecken den Eindruck, als hätte sich in Prag eine Einheitsfront gegen die globale Armut gebildet. Kaum ein Redner auf der Jahrestagung von IWF und Weltbank ließ die Gelegenheit aus, verstärkte Anstrengungen gegen die Armut in der Welt zu beschwören. Nahezu ungetrübt hätten die Medien dieses Bild übernommen, wären nicht die Demonstrationen und einige aufrechte Kritiker gewesen, die den beiden Matadoren in "Dialogveranstaltungen" die Meinung gesagt hätten.
Angesichts der wütenden Proteste auf der Straße und der fundierten Kritik, die einige Kritiker der kapitalistischen Globalisierung vorbringen, liegt nicht nur der Verdacht nahe, dass Köhler und Wolfensohn darum bemüht sind, die Öffentlichkeit zu besänftigen und die "Reformfähigkeit" ihrer Institutionen mit Absichtserklärungen unter Beweis zu stellen. Auch die Faktenlage verdeutlicht, dass mehr als ein Widerspruch zwischen Theorie und Praxis besteht.
Die Analysen und Handlungsvorschläge, die Köhler vorbringt, sind selektiv und dienen keinesfalls der Armutsbekämpfung. Die wirtschaftlichen Probleme der Länder in der Dritten Welt seien "hausgemacht", behauptet der IWF-Direktor. Eine falsche und zynische Analyse, denn der IWF bestimmt seit der Wirtschaftskrise in den 70ern weitgehend die mikro- und makroökonomische Politik dieser Staaten: In den 70er Jahren mittels sog. Sparprogramme, die der IWF in den 80er Jahren in Strukturanpassungsprogramme umtaufte. Heute heißen sie Programme zur "Armutsreduzierung und für Wirtschaftswachstum" (PRGF).
Doch um die Bekämpfung der Armut geht es dabei nicht. Die neuen Programme schreiben den einzelnen Staaten zwar vor, die Armutsentwicklung statistisch zu erfassen, folgen aber ansonsten dem neoliberalen Credo: Öffnung der Märkte, kombiniert mit niedriger Inflationsrate und vergleichsweise stabiler Haushaltslage lockt ausländische Investoren, die dann den Wohlstand ins Land bringen, von dem alle profitieren.
Doch dieser Effekt, in Fachkreisen als "trickle down" (durchsickern) bezeichnet, hat sich bisher als falsche Annahme erwiesen. Von den Privatisierungen ehemals staatseigener Betriebe und den kurzfristigen Anlagegeschäften hat die einfache Bevölkerung bisher keine Vorteile gehabt.
Im Gegenteil: Sie muss nun auch für Bildung, Gesundheits- und Wasserversorgung bezahlen, die zuvor meist kostenlos zur Verfügung standen. Auch bei der neuen Wortschöpfung der "Armutsreduzierungsprogramme" handelt es sich also um nichts mehr als Etikettenschwindel.
Seit den Sparprogrammen hat der IWF permanent die soziale Situation in diesen Ländern verschärft. Doch Vorschriften mit Auswirkungen auf die nationale Verteidigung — sprich die Rüstungshaushalte — betrachtete der IWF schon immer als unantastbare Souveränitätsrechte. Ein teuflischer Kreislauf: der IWF zerschneidet nicht nur die sozialen Netze, sondern schafft auch die Grundlagen für die militärische Lösung der daraus entstehenden Konflikte.
Es gibt einen Punkt, an dem IWF und Weltbank mit zahlreichen Kritikern aus dem Lager der Nichtregierungsorganisationen konform gehen: die wirtschaftliche Exportorientierung. Sie wird von beiden als Allheilmittel angepriesen und soll die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt stärken. Eine Milchmädchenrechnung: Exporte von in den Metropolen nachgefragten Rohstoffen und Agrarprodukten sind oft die einzige Quelle, mit der Länder der Dritten Welt Devisen zur Begleichung des Schuldendienstes einnehmen und mit den entstehenden Monokulturen keineswegs die Ernährungssicherheit ihrer Bevölkerung garantieren können.
Gerade um die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit geht es dem IWF und der Weltbank, denn trotz partieller Schuldenstreichungen und der Vergabe von neuen Krediten fließt ein Vielfaches zurück in die Taschen der Finanzminister aus den sog. "Geberstaaten". Ihr Interesse ist überaus groß, diesen Zustand weiter beizubehalten.
Die internationale Verschuldung ist eines der Standbeine der Weltwirtschaftsordnung. Die Schulden komplett zu streichen würde bedeuten, der Dominanz der kapitalistischen Globalisierung einen entscheidenden Schlag zu versetzen.
Der IWF und die Weltbank sind nicht reformierbar, auch wenn sich das einige gut dotierte Vertreterinnen und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, von denen viele z.B. die Projekte der Weltbank aktiv mitgestalten, noch so sehr wünschen. Es geht jetzt um eine Stärkung derjenigen, die von den IWF- und Weltbank-Matadoren als "Anarchisten" und "Neo-Marxisten" diffamiert werden. Ihre grundsätzliche Kritik an der kapitalistischen Globalisierung ist die richtige Stoßrichtung.
Doch allein die Parole von der "Abschaffung des IWF und der Weltbank" wird nicht ausreichen. Auf der Tagesordnung stehen die Produktionsverhältnisse, die eine politische Offensive in einer breiteren Öffentlichkeit zur Sprache bringen könnte.

Gerhard Klas

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