Sozialistische Zeitung |
Die Äußerungen des Direktors des Internationalen Währungsfonds (IWF), Horst Köhler, und denen
seines Kollegen von der Weltbank, James Wolfensohn, erwecken den Eindruck, als hätte sich in Prag eine Einheitsfront gegen die globale Armut
gebildet. Kaum ein Redner auf der Jahrestagung von IWF und Weltbank ließ die Gelegenheit aus, verstärkte Anstrengungen gegen die Armut in
der Welt zu beschwören. Nahezu ungetrübt hätten die Medien dieses Bild übernommen, wären nicht die Demonstrationen
und einige aufrechte Kritiker gewesen, die den beiden Matadoren in "Dialogveranstaltungen" die Meinung gesagt hätten.
Angesichts der wütenden Proteste auf der Straße und der fundierten Kritik, die einige
Kritiker der kapitalistischen Globalisierung vorbringen, liegt nicht nur der Verdacht nahe, dass Köhler und Wolfensohn darum bemüht sind, die
Öffentlichkeit zu besänftigen und die "Reformfähigkeit" ihrer Institutionen mit Absichtserklärungen unter Beweis zu
stellen. Auch die Faktenlage verdeutlicht, dass mehr als ein Widerspruch zwischen Theorie und Praxis besteht.
Die Analysen und Handlungsvorschläge, die Köhler vorbringt, sind selektiv und dienen
keinesfalls der Armutsbekämpfung. Die wirtschaftlichen Probleme der Länder in der Dritten Welt seien "hausgemacht", behauptet
der IWF-Direktor. Eine falsche und zynische Analyse, denn der IWF bestimmt seit der Wirtschaftskrise in den 70ern weitgehend die mikro- und
makroökonomische Politik dieser Staaten: In den 70er Jahren mittels sog. Sparprogramme, die der IWF in den 80er Jahren in
Strukturanpassungsprogramme umtaufte. Heute heißen sie Programme zur "Armutsreduzierung und für Wirtschaftswachstum"
(PRGF).
Doch um die Bekämpfung der Armut geht es dabei nicht. Die neuen Programme schreiben den
einzelnen Staaten zwar vor, die Armutsentwicklung statistisch zu erfassen, folgen aber ansonsten dem neoliberalen Credo: Öffnung der Märkte,
kombiniert mit niedriger Inflationsrate und vergleichsweise stabiler Haushaltslage lockt ausländische Investoren, die dann den Wohlstand ins Land
bringen, von dem alle profitieren.
Doch dieser Effekt, in Fachkreisen als "trickle down" (durchsickern) bezeichnet, hat sich
bisher als falsche Annahme erwiesen. Von den Privatisierungen ehemals staatseigener Betriebe und den kurzfristigen Anlagegeschäften hat die einfache
Bevölkerung bisher keine Vorteile gehabt.
Im Gegenteil: Sie muss nun auch für Bildung, Gesundheits- und Wasserversorgung bezahlen, die
zuvor meist kostenlos zur Verfügung standen. Auch bei der neuen Wortschöpfung der "Armutsreduzierungsprogramme" handelt es
sich also um nichts mehr als Etikettenschwindel.
Seit den Sparprogrammen hat der IWF permanent die soziale Situation in diesen Ländern
verschärft. Doch Vorschriften mit Auswirkungen auf die nationale Verteidigung sprich die Rüstungshaushalte betrachtete der
IWF schon immer als unantastbare Souveränitätsrechte. Ein teuflischer Kreislauf: der IWF zerschneidet nicht nur die sozialen Netze, sondern
schafft auch die Grundlagen für die militärische Lösung der daraus entstehenden Konflikte.
Es gibt einen Punkt, an dem IWF und Weltbank mit zahlreichen Kritikern aus dem Lager der
Nichtregierungsorganisationen konform gehen: die wirtschaftliche Exportorientierung. Sie wird von beiden als Allheilmittel angepriesen und soll die
Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt stärken. Eine Milchmädchenrechnung: Exporte von in den Metropolen nachgefragten Rohstoffen
und Agrarprodukten sind oft die einzige Quelle, mit der Länder der Dritten Welt Devisen zur Begleichung des Schuldendienstes einnehmen und mit
den entstehenden Monokulturen keineswegs die Ernährungssicherheit ihrer Bevölkerung garantieren können.
Gerade um die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit geht es dem IWF und der Weltbank,
denn trotz partieller Schuldenstreichungen und der Vergabe von neuen Krediten fließt ein Vielfaches zurück in die Taschen der Finanzminister
aus den sog. "Geberstaaten". Ihr Interesse ist überaus groß, diesen Zustand weiter beizubehalten.
Die internationale Verschuldung ist eines der Standbeine der Weltwirtschaftsordnung. Die Schulden
komplett zu streichen würde bedeuten, der Dominanz der kapitalistischen Globalisierung einen entscheidenden Schlag zu versetzen.
Der IWF und die Weltbank sind nicht reformierbar, auch wenn sich das einige gut dotierte
Vertreterinnen und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, von denen viele z.B. die Projekte der Weltbank aktiv mitgestalten, noch so sehr
wünschen. Es geht jetzt um eine Stärkung derjenigen, die von den IWF- und Weltbank-Matadoren als "Anarchisten" und
"Neo-Marxisten" diffamiert werden. Ihre grundsätzliche Kritik an der kapitalistischen Globalisierung ist die richtige Stoßrichtung.
Doch allein die Parole von der "Abschaffung des IWF und der Weltbank" wird nicht
ausreichen. Auf der Tagesordnung stehen die Produktionsverhältnisse, die eine politische Offensive in einer breiteren Öffentlichkeit zur Sprache
bringen könnte.
Gerhard Klas
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