Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.22 vom 26.10.2000, Seite 14

6./7. und 8.Dezember

Aktionsplan für Nizza

Nachstehend die Vorschläge der Europäischen Koordination des Netzwerks Europäische Märsche gegen Erwerbslosigkeit, prekäre Beschäftigung und Ausgrenzung.
Friedliche Besetzung der Stadt Nizza und gewaltfreie Blockade der Aktivitäten des Ratsgipfels der EU (7. und 8.12.)
Ohne uns darf es keine Entscheidung mehr geben!

Das Netzwerk der Europäischen Märsche ruft dazu auf, die Arbeiten der Regierungskonferenz von Nizza am 7. und 8.12. zu blockieren.

Warum?

Weil dieser Gipfel sich anschickt, Beschlüsse in Sachen Grundrechte zu fassen, die den Aufbau Europas nach liberalem Muster bestätigen. Diese Orientierung der Europäischen Union unterbewertet die sozialen Rechte und verschlechtert die Lage der Erwerbslosen, der prekär Beschäftigten und der Lohnabhängigen im allgemeinen, vor allem durch einen ständig wachsenden Druck zum Arbeitszwang, "workfare".
Es gibt eine konzertierte europäische Politik: Man will den Erwerbslosen in Europa immer schlechtere Beschäftigungsverhältnisse aufzwingen, die weder ihren beruflichen Bestrebungen noch ihren Fähigkeiten entsprechen; widrigenfalls droht man ihnen mit dem Entzug der Stütze.
Die EU-Grundrechtecharta, die die Regierungschefs in Nizza proklamieren wollen, ist eindeutig unzureichend, vor allem hinsichtlich der sozialen Rechte. Wir sind weit von den Forderungen der Bewegungen der Erwerbslosen und prekär Beschäftigten entfernt: "Eine Arbeit ist ein Recht, ein Einkommen eine Pflicht!"
Die Charta birgt in unseren Augen aber auch Gefahren. Zum Teil ist sie zweideutig formuliert, zum Teiil fällt sie hinter bereits bestehende Dokumente zurück.
Gegenüber dieser Charta tragen die sozialen Bewegungen eigene Forderungen vor. Das Netzwerk der Europäischen Märsche schlägt eine "Europäische Charta der Forderungen" vor, die helfen kann, die sozialen Kämpfe zu koordinieren und international zusammenzuführen.

Wie?

Wir schlagen vor, die Arbeiten des Gipfels durch eine massive, aktive und gewaltfreie Präsenz zu blockieren — so wie die Aktionen und Besetzungen der Erwerbslosenbewegungen seit Jahren ablaufen.
Wir schlagen allen sozialen Bewegungen, die in Nizza anwesend sind, in Übereinstimmung mit der Methode und dem Ziel, die genannt wurden, die gemeinsame Koordinierung und Solidarität in der Aktion vor, sowie die Achtung dieses gemeinsamen Rahmens, innerhalb dessen jede Bezugsgruppe eine weitgehende Autonomie der Initiative und der Bewegungsfreiheit in der Stadt Nizza haben soll.

Wann?

Mittwoch abend, 6.12. Nach der europäischen Demonstration des EGB ab 14 Uhr — in der die Europäischen Märsche mit einem eigenen Block präsent sein werden — soll die Besetzung der Stadt Nizza — die in unseren Augen nur eine friedliche sein kann, die Bewohner der Stadt respektiert, usw. — ab Mittwochabend, den 6.12., am Vorabend des Gipfels beginnen.
Das erste Stelldichein ist deshalb der 6.12., um 17.30—18 Uhr, mit der Durchführung eines Straßenforums. Von hier aus beginnt die friedliche Besetzung der Stadt, in einem Klima der Debatte und des Feierns.

Donnerstag, 7.12., früh am Morgen

Das ist der zentrale Zeitpunkt, den das Netzwerk der Europäischen Märsche für eine Sammlung der Demonstrationszüge und eine Versammlung so nah wie möglich am Tagungsort des Gipfels der Regierungschefs vorschlägt — noch bevor sie versuchen, ihre Arbeit aufzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt ist die breiteste Beteiligung nötig.

Donnerstag, 7.12. und Freitag, 8.12.

In diesen beiden Tagen wird es eine vielfältige Präsenz in den Straßen von Nizza und am Rande der Regierungskonferenz geben.
Gegengipfel; zahlreiche Aktionen und Feste.
Für die verschiedenen Netzwerke, die den Europäischen Märschen angehören, bedeutet das "zwei Intensitätsgrade" der Mobilisierung:
1. diejenigen, die können, werden vom 6. bis 8.12. anwesend sein (und am 8. tagsüber zurückfahren);
2. die meisten werden sich an den Hauptaktivitäten am Morgen des 7. beteiligen (was aller Voraussicht nach eine Anwesenheit in der Stadt ab dem 6.abends voraussetzt).

Vor Ort:

In der Stadt Nizza hat sich ein gemeinsames Aktionsbündnis gebildet, das die verschiedenen Bestandteile der sozialen Bewegung und der politischen Bewegungen der Linken, der extremen Linken, der Umweltschützer, Libertären und Alternativen zusammenfasst. Das Kollektiv hat sich die Aufgabe gestellt, die Initiativen, die für ein wirklich soziales Europa kämpfen, zu empfangen und zu unterstützen. Das Netzwerk der Märsche und das örtliche Aktionsbündnis koordinieren ihre Aktivitäten.
Das Netzwerk der Märsche wird in den Initiativen des 6., 7. und 8. 12. präsent sein. Es organisiert im eigenen Namen mit allen, die sich daran beteiligen wollen, die friedliche Besetzung der Stadt Nizza" und die "Blockade des Gipfels durch Aktionen der aktiven Gewaltfreiheit".
Es wird sich aber auch an verschiedenen anderen Initiativen beteiligen:
es nimmt an den Beratungen des Gegengipfels teil;
es unterstützt die Initiativen des Aktionsbündnisses von Nizza, das eine Aktion gegen das vom Bürgermeister der Stadt verhängte Bettelverbot sowie eine Aktion gegen die extreme Rechte durchführen will (die extreme Rechte ist Teil der Regierungskoalition in Österreich, die auch auf dem Ratsgipfel in Nizza dabei sein wird).
am 6.12. nachmittags, ab 14 Uhr, beteiligt sich das Netzwerk der Märsche mit einem eigenen Block an der Demonstration des Europäischen Gewerkschaftsbunds. Den am Netzwerk der Märsche beteiligten Gruppen steht die Teilnahme daran selbstverständlich frei. Der Block der Märsche ist autonom und trägt die eigenen Forderungen vor. Die Märsche können auf diese Weise die Demonstrierenden (voraussichtlich mehrere zehntausend) über ihre Forderungen und Vorschläge für eine Blockade des Gipfels informieren.
Im Anschluss an die Demonstration von Mittwoch nachmittag werden die Märsche eine Kundgebung durchführen und sich zu dem Stelldichein begeben, das für den frühen Abend auserkoren wurde.

Auf nach Nizza!

Das Netzwerk der Märsche schlägt vor, sich soweit wie möglich auf spektakuläre Weise nach Nizza zu begeben, damit unsere Forderungen vor Beginn des Gipfels der Öffentlichkeit bekannt werden:
mit Aktionen "Gratiszug" für Erwerbslose;
mit Karawanen, d.h. "Märschen auf Rädern": Autos, Bussen, mit Lautsprechern, Fahnen, Transparenten... Es soll eine "Operation Schnecke" werden. Zwei Karawanen sind bereits angekündigt: eine vom MNCP, die im Norden Frankreichs startet. Eine, die sich im Anschluss an die Europäische Versammlung der Erwerbslosen am 4.12. nachmittags sammelt. Sie wird am 4.12. abends Lyon erreichen, am 5. 12. Marseille, am 6.12. Nizza;
mit Märschen aus Spanien.

Auf die eigene Kraft vertrauen

Die Vorhaben von Nizza sind ehrgeizig. Sie werden den Kampf der Erwerbslosen und prekär Beschäftigten in Europa unterstützen. Sie können eine große Wirkung auf die internationale öffentliche Meinung entfalten und uns in unseren Forderungen weiterbringen.
Aber wir sind nicht reich, und das Aktionsbündnis in Nizza hat auf das örtliche Hotelgewerbe keinen großen Einfluss. Wir raten deshalb jeder örtlichen Initiative und jedem Netzwerk, so früh wie möglich mit der Mobilisierung für Nizza zu beginnen, und in Sachen Transport, Verpflegung vor Ort und selbst Übernachtung maximal auf die eigene Kraft zu vertrauen. Je mehr die Bezugsgruppen sich autonom zu bewegen wissen, sowohl was ihre Infrastruktur als auch was ihre Initiativen anbelangt, desto stärker sind sie.

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