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Rinder sind pflanzenfressende Nutztiere. Bis 1994 wurden sie in Deutschland mit Tiermehl gefüttert, das sich aus toten
Laborratten bis hin zu verendeten Artgenossen zusammensetzte und bis zum jüngsten Verbot noch an Schweine und Geflügel verfüttert
wurde. Diese Art der Mast ist ebenso widersinnig wie die Vorstellung, menschliche Verwandte nach chemischer Verarbeitung in Form von Eiweißpillen
zu sich zu nehmen.
Hemmungslos wurde die industrielle Produktion von Billigfleisch ausgeweitet, mit der nicht
nur für die einheimische Bevölkerung der kostengünstige Fleischkonsum ermöglicht, sondern auch die Weltmärkte erobert
werden sollten. Dadurch entstand ein erhöhter Bedarf an eiweißhaltigen Futtermitteln, der lange Zeit mit Tiermehl gestillt wurde. Nun fällt
den Landwirtschaftsministern und Bauernverbänden, die bisher jede Kritik an der intensiven Massentierhaltung zurückgewiesen haben, ihre
rücksichtslose Politik auf die Füße. Mit dem BSE-Erreger und der für den Menschen gefährlichen Creutzfeld-Jakob-
Krankheit, die durch BSE ausgelöst wird, hat diese Art der profitablen Fleischproduktion einen mehr als faden Beigeschmack bekommen.
BSE ist keine Naturkatastrophe, sondern menschengemacht. Obwohl auch nach 1994 in
Futtermischungen für Rinder bei Kontrollen regelmäßig bis zu einem Prozent Tiermehl entdeckt wurde, suggerierten europäische
Politiker, allen voran deutsche Landwirtschaftsminister, dass BSE ein rein britisches Problem sei, das durch nationalstaatliche Grenzen eingedämmt
werde.
Doch nun hat sich erwiesen, dass das Ausmaß der Epidemie und die Gefahr
für die Bevölkerung größer ist als bisher angenommen. Sogar Bundeskanzler Schröder kommt nicht umhin, einen
grundlegenden Kurswechsel in der Landwirtschaftspolitik anzumahnen. Er will jetzt weg von den "Agrarfabriken".
Wie weit sein Engagement gehen wird, bleibt abzuwarten. Bisher kam es dem
"Genossen der Bosse" auch nicht in den Sinn, mit kleinen und unaufwendigen Maßnahmen wie einem monatlichen autofreien Sonntag der
menschengemachten Klimakatastrophe vorzubeugen. Statt einer Abschaffung der Agrarfabriken kündigen sich Vorboten an, die aus den Unternehmen
des "Life-Science"-Sektors kommen.
In Frankreich soll künftig genmanipuliertes Soja das verseuchte Tiermehl ersetzten.
Ob in Deutschland aus den USA importiertes Soja, hergestellt mit den Mitteln der Risikotechnologie, künftig als Surrogat dient und damit neue, kaum
abwägbare Gefährdungen der Gesundheit Einzug halten, ist noch nicht ausgemacht. Aber auch Importe von Soja aus Brasilien hätten zur
Folge, dass dort noch mehr Regenwald abgeholzt wird, um in Europas Betrieben der Massentierhaltung die Produktion anzukurbeln.
Ein Schritt in die richtige Richtung könnte hingegen der Wechsel von der intensiven
Massentierhaltung zur extensiven Weidewirtschaft von der Massenproduktion zur Qualitätsproduktion bedeuten. Dafür
müsste allerdings nicht nur das Bollwerk des einflussreichen konservativen Bauernverbands in Deutschland eingerissen werden, sondern ein Wandel
stattfinden, der sich vom profitorientierten Exportkurs der Landwirtschaft entfernt.
Die Rahmenbedingungen für die Landwirtschaftspolitik setzt die Europäische
Union, die jährlich mit etwa 80 Milliarden Mark ihrem größten Haushaltsposten Agrarprodukte subventioniert. Neben
Milchprodukten und Getreide ist es vor allem Rindfleisch, das nur durch die großzügigen EU-Exportsubventionen auf dem Weltmarkt
konkurrenzfähig ist.
Diese Politik wird sich auch mit der im März 1999 verabschiedeten Agenda 2000
kaum ändern, die nun stückweise umgesetzt wird. Schon im Vorfeld hatte der immer noch amtierende EU-Agrarkommissar Fischler betont, dass
auf dem Binnenmarkt der EU abgesehen von der geplanten Osterweiterung nur begrenzte Zuwächse bei der Nachfrage zu erwarten
seien. Demgegenüber würde die Weltbevölkerung innerhalb der nächsten Jahre voraussichtlich um 8590 Millionen
Menschen wachsen. Nach Ansicht Fischlers alles potenzielle Konsumenten für europäische Produkte aus der Nahrungsmittelindustrie.
Entgegen der Forderungen alternativer Bauernverbände in Europa sieht die Agenda
2000 keine verbindlichen sozialen und ökologischen Kriterien für die künftige Mittelvergabe der EU vor. Lediglich 10% des EU-
Agrarbudgets sollen in den Fonds "ländliche Entwicklung" fließen, der neben den Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen auch
den ökologischen Landbau fördern soll.
Nach wie vor wird also die EU-Politik ganz im Sinne der Agrarlobby vor allem der
intensiven Massentierhaltung förderlich sein. Dort wird es ebenso wie beim Tiermehl, von dem heute ein Großteil nach Osteuropa und Asien
verkauft wird, nicht um Qualität gehen.
Gute Ernährung gilt aber überall auf der Welt als ein wesentlicher Bestandteil
von Lebensqualität. Die BSE-Seuche ist ein weiteres und überaus deutliches Beispiel dafür, dass die kapitalistische Mehrwertproduktion
mittel- und langfristig immer auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher und vieler Produzenten geht. Doch der Rindfleischmarkt ist nur ein kleines
Segment der gesamten Nahrungsmittelpalette. Kaum absehbar sind die Folgen, wenn im Zuge des weltweiten Privatisierungswahns auch die
Wasserversorgung vollständig betriebswirtschaftlichen Kriterien unterworfen wird.
Gerhard Klas
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