Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.25 vom 07.12.2000, Seite 2

DaimlerChrysler

Schrempps Millionen sind gesichert

"Fusion oder Übernahme?" fragen sich viele Beobachter angesichts der jüngsten Auseinandersetzungen in der Vorstandsetage des DaimlerChrysler-Konzerns. Thomas W. Klein sprach mit Jürgen Grässlin, dem Sprecher der "Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler", über die Hintergründe.



Der US-Milliardär Kirk Kerkorian hat DaimlerChrysler auf Schadenersatz verklagt — kommt da "Schadenfreude" bei den Kritischen AktionärInnen auf?

Jürgen Grässlin: Sicherlich sehen wir Kritische Aktionäre uns vollends in unseren schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Wir waren im September 1998 die einzige Aktionärsvereinigung, die bei der außerordentlichen Hauptversammlung gegen die sog. "Fusion" gestimmt hat. Ich selbst habe damals den Antrag gestellt, den Zusammenschluss der Daimler-Benz AG mit der Chrysler Corporation abzulehnen.
In meinem Antrag habe ich die Ablehnung damit begründet, dass der Daimler- Vorstand den Aktionären einseitig die Vorzüge der Fusion aufgezeigt, dagegen die Fragen bezüglich der immensen Gefahren unzureichend beantwortet hat.
Allerdings ist es schlichtweg Quatsch, wenn Großaktionär Kirk Kerkorian jetzt DaimlerChrysler-Vorstände verklagt: Die gesamte Negativentwicklung war vorhersehbar. Und wer in Aktien investiert, muss auch Verluste einkalkulieren.

Was sagen Sie zur Begründung Kirkorians, Daimler-Benz bzw. deren Vorsitzender Schrempp habe nicht eine Fusion mit Chrysler, sondern eine Übernahme angestrebt, ohne seine wahren Absichten bekannt zu machen?

Jürgen Grässlin: An einem Punkt stimmt Kerkorians Analyse: Jürgen Schrempp hatte von vornherein nichts anderes im Sinn, als Chrysler zu übernehmen. Es ist erstaunlich, wie naiv das US-Management in Auburn Hills und auch die Anleger in den USA ins Verderben gerannt sind und dem Gerede einer "Hochzeit im Himmel" geglaubt haben.
Hätten sich die Herren auch nur ansatzweise mit der Karriere Schrempps beschäftigt, dann wäre ihnen ein Licht aufgegangen: In seiner gesamten Laufbahn hat dieser Manager nie einen gleichberechtigten Partner neben sich geduldet. Wer sich Schrempps Willen widersetzte, der wurde gefeuert. Eine Übernahme liegt in Schrempps Natur, eine Fusion zweier gleichberechtigter Partner wird es mit einem Schrempp niemals geben.
Diese Erkenntnis habe ich bereits in den ersten Tagen des Zusammenschlusses offen formuliert — damals wurde ich dafür belächelt. Heute ist sie Realität.

Sind Schrempps Pläne — manche Kritiker warfen ihm zuletzt Größenwahn vor — damit erst einmal gestoppt?

Jürgen Grässlin: Misst man Jürgen Schrempp an seinen selbst gesetzten Maßstäben, dann ist dieser Mann gescheitert. Wie kein anderer hat er die Parole ausgegeben, dass bei DaimlerChrysler Shareholder Value in Reinkultur umgesetzt werden müsse. Im Gegenzug versprach er einen gesteigerten Börsenwert des Unternehmens, optimale Rendite und einen massiv steigenden Aktienkurs.
Nichts davon ist eingetreten. Der Wert der Aktie hat sich von April 1999 bis heute halbiert. Der Börsenwert des Automobil- und Rüstungskonzerns ist um rund 70 Milliarden Mark gefallen. DaimlerChrysler ist zum Übernahmekandidat degradiert und Herr Schrempp als der größte Kapitalvernichter Deutschlands entlarvt worden. Er muss zurücktreten.

Eine Prognose — wie geht es weiter bei DaimlerChrysler?

Jürgen Grässlin: Die Fusion ist gescheitert. Das Unternehmen wird nur dann wieder florieren, wenn die Übernahme rückgängig gemacht wird. Wer diesen Umstand kaschieren will, macht sich mitschuldig an Massenentlassungen. Denn eins darf nicht vergessen werden: DaimlerChrysler beschäftigt rund 450000 Menschen. Deren Arbeitsplätze zählen mittlerweile zu den gefährdeten.
Während Herr Schrempp im Falle seiner Freistellung mit Millionenbeträgen abgefunden werden wird, sind tausende von Beschäftigten und deren Familien existenziell bedroht.

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