Sozialistische Zeitung |
Mitten in die Selbstbeweihräucherung der Bundesregierung, platzte die herbe Kritik, die das Wirtschafts- und
Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung des DGB in einer Untersuchung an der Wirtschafts- und Finanzpolitik der "rot-
grünen" Koalition übte, nach der die falsche Wirtschaftspolitik der Kohl-Regierung nicht korrigiert worden sei. Denn nicht die Nachfrage
im Inland, sondern der Export sei Träger des Wirtschaftsaufschwungs. Das aber ist auf die niedrigen Tarifabschlüsse der letzten Jahre
zurückzuführen. Damit gerät aber nicht nur die Gewerkschaftspolitik, sondern auch das "Bündnis für Arbeit" ins
Schussfeld.
Der Anteil der Arbeitseinkommen nach Steuern und Abgaben blieb auch 1999 auf dem
historischen Tiefstand von 43% des verfügbaren Einkommens von knapp 2,5 Billionen Mark. Anfang der 90er Jahre machten die Nettolöhne
noch die Hälfte der privaten Kaufkraft aus.
Während seit 1991 die Gewinne aus Einkommen und Vermögen nach Abzug
von Steuern und Sozialversicherung um 281 Milliarden auf 1020 Milliarden stiegen, haben sich die Nettolöhne und Gehälter nur um 125
Milliarden auf 1082 Milliarden erhöht. Das war vor allem auf die gestiegene Abgabenlast für abhängig Beschäftigte
zurückzuführen. Sie sind aber auch unterdurchschnittlich an Vermögenseinkünften beteiligt. Dies wiederum rührt von der
ungleichen Besitzverteilung her. Während die "obersten 10%" über fast 45% der Vermögen verfügen, kann die
"untere Bevölkerungshälfte" über nur 8,5% der Vermögen verfügen.
Diese "Fehlentwicklung" kritisiert die Untersuchung, sei von SPD und
Grünen nicht korrigiert worden. Im Gegenteil: "Die verabschiedeten Steuerreformen werden Kapitalgesellschaften, Bezieher hoher Einkommen
sowie Besitzer großer Vermögen begünstigen."
IG-Metall-Chef Klaus Zwickel sieht ebenfalls die "verteilungspolitische Bilanz"
als negativ an. Denn ein verheirateter Schlosser mit zwei Kindern und 60000 Mark Jahreseinkommen werde zwar um 2000 Mark an Steuern entlastet, aber
ein Einkommensmillionär um 85000 Mark! Die IG Metall plane deshalb eine Kampagne mit dem Titel "Fairteilen".
Außerdem sei das Ziel, durch "moderate Tarifabschlüsse" die
"Belastungen der Unternehmen in Grenzen zu halten" und Arbeitsplätze zu schaffen, verfehlt worden.
In der Metallindustrie sei die Produktion um 10% gestiegen, die Produktivität um 8%,
die Lohnstückkosten sind um 6% gesunken, aber der "Beschäftigungsmotor läuft nur im Kriechgang". "Der Zuwachs in
unserer Branche beträgt 15000 Arbeitsplätze ein Plus von 0,5%."
In der Tat ist das auch von der Bundesregierung zugesagte Beschäftigungswunder
nicht eingetreten. Denn sogar die veröffentlichten Zahlen sind z.T. darauf zurückzuführen, dass die geringfügig Beschäftigten
statistisch intensiver erfasst wurden. Das erklärt auch, warum die Zahl der Erwerbslosen nur um 200000 gesunken ist, obwohl das
Bruttoinlandsprodukt zwischen Juli und September von 38,8 Millionen Erwerbstätigen erwirtschaftet wurde. Das sind 552000 oder 1,4% mehr als ein
Jahr zuvor.
In Frankreich, wo im Februar die Verkürzung der gesetzlichen Arbeitszeit für
4,2 Millionen Beschäftigte von 39 auf 35 Stunden in Kraft trat, ist dies nicht nur als "Mehr an Lebensqualität" empfunden worden,
sondern die Erwerbslosigkeit hat deutlich abgenommen. Die Wirtschaft ist trotz aller Warnschreie der Unternehmer nicht zusammengebrochen.
Könnte die IG Metall, die größte Gewerkschaft der westlichen Welt, den
so oft angesagten Kampf für die 30-Stunden-Woche nicht aufnehmen, um die Erwerbslosigkeit erheblich zu verringern?
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