Sozialistische Zeitung |
Die Stimmen zur US-Präsidentschaftswahl waren noch nicht ausgezählt, da hat der noch amtierende
Präsident William Clinton auf dem Jahrestreffen der APEC-Staaten (Asian-Pacific Economic Cooperation) schon angekündigt, dass die US-
Regierung eine neue Verhandlungsrunde der Welthandelsorganisation (WTO) anstrebe.
Während des Wahlkampfs in den USA kam der Welthandel kaum zur Sprache, denn
seit den Protesten in Seattle gegen die "Millenniumsrunde" der WTO im November 1999 ist ein nicht unerheblicher Teil der amerikanischen
Öffentlichkeit kritisch sensibilisiert.
Anders EU-Außenhandelskommissar Pascal Lamy: er verkündet schon seit
dem letzten Frühsommer, dass die EU-Kommission unverändert an einer umfassenden Tagesordnung für eine neue Verhandlungsrunde
festhalten will, die zusätzliche Kompetenzen für die WTO im Bereich geistiges Eigentum und Investitionen beinhalten würde.
Neben dem zur Zeit laufenden Handelsstreit zwischen der EU und den USA, bei dem die
WTO ein Sanktionsvolumen von 4 Milliarden Dollar wegen wettbewerbsverzerrender Steuergesetzgebung gegen die USA zugunsten der EU verhängt
hat, überschattet das Seattle-Trauma die Interessen der mächtigen Befürworter einer neuen Verhandlungsrunde. "Seattle ist nicht
wegen der Proteste gescheitert, sondern weil die transatlantischen Differenzen und die zwischen Nord und Süd zu tief und festgefahren waren, um sie
zu überwinden", meinte WTO-Generaldirektor Mike Moore auf einem Treffen der afrikanischen Handelsminister Mitte November in Libreville
(Gabun).
Die Konflikte mit den Handelsministern aus der Dritten Welt resultierten aus mangelnder
Transparenz und Partizipationsmöglichkeiten sowie der Absicht der EU und USA, Umwelt- und Menschenrechtskriterien dem WTO-
Sanktionsmechanismus hinzuzufügen.
Dies kritisieren allerdings nicht nur die Regierungsvertreter aus dem Süden, weil sie
damit einhergehend einen neuen "Protektionismus" der Industrieländer befürchten, sondern auch zahlreiche
Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die die WTO mit dem ihr immanenten "Primat der Ökonomie" schlicht für den falschen Ort
halten, wenn es um Umwelt- und Menschenrechte geht.
Die Bedenken der Regierungen aus dem Süden sollen nun zügig
ausgeräumt werden, denn eine neue Verhandlungsrunde soll "so schnell wie möglich" einberufen werden, erklärt die EU-
Kommission. Die neue Runde müsse auch von den am wenigsten entwickelten Ländern unterstützt werden können, denn sie seien
"der Schlüssel" dafür (formal gilt in der WTO "ein Land eine Stimme").
Künftig sei eine "volle Partizipation" der Entwicklungsländer
nötig, die "Arbeitsmethoden der führenden WTO-Länder", der sog. "Quad-Gruppe" bestehend aus EU,
USA, Kanada und Japan müssten "ausgeweitet werden, um den Rest der Welt mit einzubeziehen", umschreibt die Kommission
ihre Prioritäten. Den am wenigsten entwickelten Länder will die EU künftig ihre Märkte für "alles außer
Waffen" öffnen.
Damit die neue Runde nach den Worten von Moore kein abermaliges
"Desaster" wird, führt die WTO zahlreiche Seminare durch, bei denen Regierungsvertreter aus dem Süden mit den
Entscheidungsprozeduren der WTO vertraut gemacht werden sollen. Ein einwöchiges Treffen dieser Art fand im Oktober in Genf für die
Länder statt, die keine permanente Vertretung am Hauptsitz der WTO haben.
Auch das in Libreville mit Unterstützung der EU, der UN-Organisation für
Entwicklung (UNDP) und Entwicklungsbanken durchgeführte Treffen der afrikanischen Handelsminister folgte diesem Ansinnen.
In einer gemeinsam verabschiedeten Erklärung bedauerten die Handelsminister in
Gabun ihre begrenzte Teilnahme an der Weltwirtschaft und auch das niedrige Level des innerafrikanischen Handels. Mit den neuen Verträgen
zwischen den Afrika-Karibik-Pazifik-Staaten (AKP) und der EU sei allerdings ein wichtiger Schritt zur Öffnung der Märkte in der EU für
afrikanische Produkte in der Regel Rohstoffe und Genussmittel gemacht worden.
Die Minister forderten die WTO-Mitarbeiter auf, die Entscheidungsmechnismen der
Organisation zu vereinfachen und bei der Umsetzung der Regeln die Schwierigkeiten ihrer Länder zu berücksichtigen. Außerdem solle die
WTO mehr mit dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank kooperieren und sich dort für eine Schuldenstreichung aller
Länder in Afrika einsetzen.
Moore, der bereits in seiner Eröffnungsrede gegenüber den afrikanischen
Handelsministern betonte, dass alle Länder bei einer neuen Verhandlungsrunde "Flexibilität zeigen müssen und den politischen
Willen, festgefahrene Spezialinteressen für die größere Sache zurückzustecken", war mit dem Treffen in Libreville zufrieden.
"Die afrikanischen Minister haben ihr Vertrauen in das WTO-System beteuert", so seine Einschätzung.
Nicht so erfolgreich für die WTO verlief die 8.Jahrestagung der APEC-Staaten im
Sultanat Brunei. Dort kritisierten vor allem Malaysia und Indonesien mit Unterstützung von Russland und China den Freihandel und die
Industrieländer. Sie wollen vor allem kurzfristige und spekulative Investitionsströme bremsen, um ihre schwachen Währungen zu
stabilisieren. Das widerspricht jedoch den Interessen der Quad-Gruppe, die an einer Neuauflage des 1998 im Rahmen der OECD gescheiterten
Investitionsschutzabkommens MAI in der WTO interessiert sind.
Die dort vorgesehene Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen
Investoren würde auch nach der Einschätzung von zahlreichen NGOs für die eigenständige Entwicklung der schwächeren
Ökonomien der 139 WTO-Mitgliedstaaten das Aus bedeuten. Trotzdem einigten sich die 21 Staats- und Regierungschefs der APEC Mitte November
auf eine "ausgewogene und breit gefächerte" Tagesordnung für eine neue Verhandlungsrunde, die "so bald wie
möglich" formuliert werden soll. Ein genauer Termin ist allerdings noch nicht festgelegt.
Gerhard Klas
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