Sozialistische Zeitung |
Der Aufruf "Auf die Straße gegen Rentendemontage" tritt für eine Wende im "politischen
Klima 2000" durch betriebliche und überbetriebliche Aktionen ein mit Hilfe von Demonstrationen, die von der IG Metall und anderen
Gewerkschaften organisiert werden.
Initiiert und vorangetrieben von Betriebsräten, Vertrauensleuten und aktiven
Gewerkschaftskolleginnen und -kollegen hat dieser Aufruf große Wirkung hervorgerufen. Die IG Metall konnte sich ihr nicht entziehen und musste
Flagge zeigen.
Metaller gegen Rentenreform
Zehntausende Metaller haben bislang gegen die Rentenpläne der Bundesregierung protestiert. Erste Protesterklärungen und Aktionen
gab es bereits im September und während der Monate Oktober und November (München, VW Kassel und Salzgitter, Maichingen, Wiesbaden,
Hamburg, Mercedes Sindelfingen, Porsche Zuffenhausen, Konstanz). Manchenorts waren auch IG Medien und HBV mit dabei. Der Vorsitzende der IGM,
Klaus Zwickel, kündigte Aktionen gegen die Regierungspläne an.
Ende November verschärfte sich die Gangart in Metallbetrieben. DaimlerChrysler in
Sindelfingen machte den Auftakt. Danach kam es zu einer regelrechten Protestwelle, vor allem in Niedersachsen. In Kassel und Salzgitter demonstrierten
8000 Beschäftigte gegen die Rentenpläne der "rot"-grünen Regierung. Dazu erklärte Gewerkschaftssprecher Claus
Eilrich in Frankfurt, mit dem Rentenkonzept der Bundesregierung werde die IG Metall "nicht ihren Frieden machen".
In Bayern verlangte Bezirksleiter Werner Neugebauer, die Arbeitgeber müssten bei
der gesetzlichen Rente und bei der privaten Altersvorsorge die Hälfte der Beiträge zahlen.
Am 4.Dezember kam es zu einer Protestaktion von 5000 VW-Arbeitern in Hannover. Hier
kündigte die IG Metall nach einer einstündigen Kundgebung an, weitere Protestaktionen würden folgen.
In Süddeutschland regte sich betrieblicher Unmut vor allem bei Sachs und SKF in
Schweinfurt. Am 5.Dezember protestierten 600 Beschäftigte bei WMF in Geislingen auf dem Werkshof gegen die Rentenreform.
20000 Beschäftigte der VW-Werke in Wolfsburg beteiligten sich am 6.Dezember an
einer Protestaktion auf dem Werksgelände; sie forderten eine stärkere Beteiligung der Arbeitgeber an den zusätzlichen
Rentenbeiträgen. Gleichzeitig gab es Proteste in Hameln und Lüchow. Dort erklärte der Bezirksleiter der IG Metall, Helmut Meine, es sei
ein Skandal, dass ausgerechnet eine Regierung mit SPD-Beteiligung derartige Pläne vorantreibe. Auf Transparenten hieß es: "Kein Geld im
Alter? Mein Gott, Walter." Meine sagte, die Bundesregierung unterschätze die Stimmung in den Betrieben. "Es ist sehr deutlich, dass die
Leute stinksauer sind".
Protestaktionen gab es auch bei Bosch (Stuttgart) und Opel (Kaiserslautern).
Am 7.Dezember gingen bei Karmann in Osnabrück ca. 2000 Kolleginnen und
Kollegen für eineinhalb Stunden aus dem Werk.
Am 8.Dezember fand in Frankfurt am Main eine Protestaktion der IG Metall vor der
Frankfurter Börse statt.
Für den 12.Dezember wurde zu einer Protestkundgebung in Stuttgart, Bad Cannstatt
aufgerufen. Dort sprachen Detlef Hensche (IG Medien) und Jürgen Stamm (IGM Stuttgart). In der Südregion sind weitere Protestkundgebungen
angekündigt.
Am selben Tag legten rund 800 Beschäftigte der BMW-Motorenfabrik, des Osram-
Galswerks und Osram-Lampenwerks in Berlin-Spandau befristet die Arbeit nieder und erklärten auf einer Straßenkundgebung die Absenkung
des Rentenniveaus und den Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung für nicht hinnehmbar.
Weitere Aktionen der IG Metall fanden am 14.12. in Nürnberg unter der Losung
statt: "Auf das ,Basta von Schröder antwoten wir ,Avanti auf die Straße!"
In Hannover fand mittags eine zentrale Betriebs- und Personalversammlung der
Beschäftigten der Stadtverwaltung, der Stadtwerke und der Verkehrsbetriebe statt: "Nicht mit uns! Gegen Altersarmut für eine
solidarische Alterssicherung!"
Hoffentlich wird die Stimmung genutzt, um das Vorhaben der Schröder-Regierung zu
vereiteln. Dass dies nur mit einer Mobilisierung der gewerkschaftlichen Basis möglich ist, liegt auf der Hand. IG Metall und die Beschäftigten
haben erkannt, dass die Zeit der papierenen Proteste und des Sammelns von Unterschriften vorbei ist. Das reicht nicht mehr, um die Regierung zum
Einlenken zu bringen.
ver.di
IG Metall und ÖTV haben verabredet, gemeinsam gegen die Regierungspläne vorzugehen.
Die ver.di-Gewerkschaften setzten daraufhin einen Aufruf zur Unterschriftensammlung in
Umlauf, der jedoch nur halbherzig umgesetzt wurde (die Postler sollen am aktivsten dabei gewesen sein).
Wenn die ÖTV mit anderen Gewerkschaften Verabredungen trifft, um Angriffe auf
den Bestand der Rentenversicherung abzuwenden, ist das eine gute Sache. Wenn aber im ÖTV-Magazin (der ersten Ausgabe nach dem
Gewerkschaftstag) von der breiten Mobilisierung gegen die Regierungspläne, die ja auf dem Gewerkschaftstag beschlossen wurde, nichts zu finden ist,
dafür aber ganzseitig das Konterfei von Walter Riester, und daneben ebenfalls auf einer ganzen Seite der Regierungsentwurf gepriesen wird, ist dies das
Perverseste, was mir in über 45-jähriger Gewerkschaftsmitgliedschaft begegnet ist!
Aus allen Verlautbarungen wird deutlich, dass auch die IG Metall einen Kompromiss
anstrebt. Das zeigt auch der jetzt vorgelegte DGB-Vorschlag, der vom Verband der Rentenversicherungsträger (VDR) und der Bundesanstalt für
Angestellte (BfA) unterstützt wird. Der DGB-Vorschlag akzeptiert eine Senkung des Rentenniveaus von derzeit 70% auf 67%, der Entwurf von Riester
will die Absenkung auf 61%.
Die Protestaktionen der IG Metall innerhalb und außerhalb der Betriebe
verdeutlichen, dass soziale und politische Errungenschaften der Arbeiterbewegung ständig gegen die Angriffe von Kapital und Kabinett verteidigt und
neu erkämpft werden müssen. Die anderen Gewerkschaften müssen sich den Kampfmaßnahmen der Metaller schließen.
Denn: Nur, was wir erkämpfen, gehört uns auch!
Hans Peiffer
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