Sozialistische Zeitung |
Die Kölner Boulevardgazette Express eröffnete die Adventszeit 2000 mit einer überaus wichtigen Frage.
Wer ist der Glückspilz der Woche? Zur Auswahl standen ein Kandidat und eine Kandidatin. Da war zunächst der "Professor
Superhirn" Eckhard F. "seine Studenten nennen ihn ‚Froschkönig". Er hat in der RTL-Quizsendung Wer wird
Millionär? die "1-Million-Frage geknackt". Eine tolle Sache, dass in dieser Fernsehproduktion, deren Produktionskosten je Minute am
niedrigsten, das Moderatorengehalt je Minute am größten und die Erlöse je Werbeminute am höchsten in der Fernsehlandschaft
sind, endlich auch das "Glück" seinen Besitzer gefunden hat.
Noch mehr Glück hat allerdings die Kandidatin zum Glückspilz der Woche:
"die Supersekretärin Angela H." Ihr wurde eine Prämie von 7,2 Millionen in Form eines Aktienpakets geschenkt, denn "sie ist
so treu, sie ist so fleißig". Der spendable Boss hatte seinen Laden gerade für 560 Millionen an eine Bank verkauft.
Die inneren Kollateralschäden bei diesen spontanen Glücksanhäufungen
sind übrigens verblüffend ähnlich: Der Froschkönig verkündet auf die Frage nach dem Wofür: "Zuerst mein
Haus abbezahlen. Und einen Teil einer wohltätigen Einrichtung spenden." Und die "Kollegen der Supersekretärin" teilen mit:
"Angela ist auf dem Teppich geblieben, nur einmal hat sie Geld ausgegeben. Ihre Zwei-Zimmer-Wohnung hat sie gegen eine 2,4-Millionen-Villa mit
sechs Schlafzimmern und einem kleinen Wassergraben eingetauscht."
Aber davon einmal abgesehen ist die Bilanz scheinbar eindeutig und die ideologische
Botschaft klar: die Blödheit, in einer Primatensendung des Privatfernsehens die sprechende Kulisse zu spielen, ist im besten Fall siebenmal weniger
wert als die bestmögliche Entlohnung für vierzehn Jahre Unterwürfigkeit im Betrieb.
Doch wer bekommt schon die bestmögliche Bezahlung für solcherart
Selbstpreisgabe? In der Regel kommen die Bosse wie die Fernsehsender viel billiger weg. Unsere Freunde aus den Unternehmerverbänden nutzen z.B.
die Adventszeit 2000 für ein lautes Wehklagen. Die Bundesregierung wolle das Betriebsverfassungsgesetz zugunsten der Gewerkschaften ändern
und noch mehr Mitbestimmung einführen.
Dazu haben sie ihr Institut der deutschen Wirtschaft verblüffende Zahlen raussuchen
lassen: es gibt in Deutschland ungefähr 250000 Betriebsräte. Sie vertreten insgesamt nur knapp 40% der Beschäftigten, der Rest hat keine
betriebliche Arbeitnehmervertretung. Die Gesamtkosten, die sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz für die Unternehmen ergeben, lägen bei 13
Milliarden DM oder umgerechnet 1100 DM pro Jahr und Mitarbeiter. Eintausendeinhundert Mark jährlich für jeden Mitarbeiter mehr
nicht! Das ist weniger als die Unternehmen bspw. jährlich für ihren Fuhrpark an Cheffahrzeugen ausgeben. Und dafür fahren sie mit dem
Betriebsverfassungsgesetz erheblich besser und länger als mit ihren BMW und Mercedes.
So kostengünstig haben selbst wir uns den gesetzlich und ideologisch abgesicherten
Frieden zwischen Kapital und Arbeit nicht vorgestellt. Das ist ja nicht nur das berühmte Linsengericht, mit dem sich die deutschen Gewerkschaften da
abspeisen lassen, sondern ein äußerst billiges Süppchen dazu. Eintausendeinhundert Mark im Falle unserer Supersekretärin
Angela H. wären das nur 15400 DM Extragehalt für vierzehn Jahre Unterwürfigkeit und Teekochen für den Boss. Und dabei ist
schon die in diesem Fall tatsächlich gezahlte Entschädigung von 7,2 Millionen ungerecht.
Und man soll nicht vergessen, dass ein Großteil der 1100 DM gar nicht an die
Mitarbeiter geht, noch nicht einmal indirekt, sondern für Bücher, Computer, Telefongebühren und so weiter, also für Waren und
Dienstleistungen anderer Unternehmer ausgegeben wird. Das Geld bleibt also in der Familie. "Eine Ausweitung der Mitbestimmung kommt nicht in
Frage. Niemand darf sich über unsere Entschlossenheit in dieser Frage täuschen: Wir stehen das durch" so pöbelt der
DIHT-Chef Stihl.
Aber genauso wie unsere Gewerkschaftsstrategen soll er nicht vergessen: so billig wie
mittels der Mitbestimmung wird er sozialen Frieden, stabile Löhne und Bereitschaft, in Krisen zu verzichten niemals bekommen. Und er weiß es
natürlich auch: denn nicht nur "Supersekretärinnen" erhalten manchmal Extraprämien für Unterwürfigkeit,
sondern auch die Generäle der Mitbestimmung: für den abgewählten ÖTV-Chef Herbert Mai, war aus lauter Dankbarkeit sofort ein
Plätzchen auf der Arbeitgeberseite frei.
Wollen wir die Frage, wer Glückspilz der Woche ist, nicht noch einmal neu
diskutieren?
Thies Gleiss
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